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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Ansichten eines Außenseiters (IX):
Zusammenlegung vieler Pfarreien zu einer Großpfarrei.

September 2007

Neulich ging die Nachricht durch die Presse, dass in Frankreich 2800 der 15000 Dorfkirchen vor dem Abriss stehen. Historisch prägende Bauwerke und gemeinschaftsstiftende Symbole in Dörfern werden also bald nicht mehr sein. Die Entchristlichung Frankreichs findet durch den Abriss der Kirchen ihren sichtbaren Ausdruck.

Auf diesem Wege sind wir in Deutschland auch, wenn auch noch nicht so weit "fortgeschritten". Auch bei uns schreitet die "Entchristlichung" ungebremst voran. Die einzige Antwort der Kirche scheint zu sein, dass man an den Fingern abzählt, wie viele Priester es z. B. bis zum Jahr 2020 noch geben wird. Entsprechend werden für sie die "Großpfarreien" (sprich: "pastorale Räume", "Pfarreiengemeinschaften"...) geschaffen. Seelsorge, persönliche Ansprache und Anteilnahme, Gesprächskultur, gemeinsames Fragen und Antworten nach dem christlichen Selbstverständnis in der Welt von heute werden es weniger geben als je zuvor. Vielleicht kann man auch deshalb leicht auf solche persönlichkeitsbildende und gemeinschaftsstiftende Maßnahmen verzichten, weil es sie bei der klerikalen Versorgungs- und Angebotsmentalität nie richtig gegeben hat. Wo die "Versorgung" – flächendeckender als früher - dennoch das Wichtigste bleibt, besteht kaum Hoffnung auf die Überwindung der Krise. Wachsende Anonymität und Gleichgültigkeit werden immer mehr Stillstand verursachen und den Untergang beschleunigen.

Als Theologe älteren Datums denke ich an das Konzil und die Würzburger Synode zurück. Hätte man deren Impulse und auch die Erfahrungen der außereuropäischen Kirche tatkräftig aufgegriffen und vorangetrieben – wir hätten nicht das Dilemma, in dem wir heute stecken. Beim Verdrängen der wirklichen Situation wird heute alles publizistisch Mögliche getan - mit nicht geringem finanziellen Profit - , um die Kirche, besonders die beiden letzten Päpste aus Polen und Deutschland, triumphal erscheinen zu lassen. Es wird ignoriert, dass sie es waren und sind, die Konzils-Entwicklungen verhindert und abgeschnitten haben. Man kann ihnen zwar das Recht auf Grundsatzentscheidungen nicht absprechen. Aber für deren Folgen haben sie auch die Verantwortung zu übernehmen. Hoffentlich gehen sie nicht in die Geschichte ein als solche, die den Untergang verwalteten, statt den Übergang zu gestalten. Für Letzteres gibt es bisher kaum Ansätze.

Was wäre nötig gewesen? Was ist nötig bis heute?

  • Die Motivierung und Mobilisierung aller Christen/Innen und Menschen "guten Willens", die bereit sind, die Anliegen des Evangeliums zu ihren eigenen zu machen (wie es dem Konzil hervorragend gelungen ist).
     
  • Eine "Theologie des Volkes", die die Anliegen und den Glaubenssinn der Gläubigen aufgreift und evangeliumsgemäß orientiert. Zum "Glaubenssinn der Gläubigen" – dazu gehört die Förderung pastoralen und biblischen Denkens, weniger Dogmatisches und Philosophisches. Bonaventura hat im 13. Jh. bereits jede Krise des Glaubens darin gesehen, dass philosophisch-dogmatisches Denken das Evangelium verfälscht und den Glauben verwässert...
     
  • Die Wiederentdeckung des biblischen Grundanliegens, welches den Glauben als ethische Herausforderung versteht im Sinne von Mt 7.21: "Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr! wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt". – Der "Wille des Vaters" aber zeigt sich in konkreten Lebenssituationen, in die jeder Mensch hineingestellt ist; in denen für jeden die Entscheidung ansteht, ob er sie im Sinne von mehr Liebe, Toleranz, Gerechtigkeit... meistert oder nicht. Letztlich geht es in jeder Lebenslage um die Frage, ob der Weizen zum Wachsen gebracht wird und nicht das Unkraut...(Mt 13.24-30; 3.12).
     
  • Es geht im Evangelium um das Heil der Welt und nicht um den Selbsterhalt der Kirchen. Das "Heil der Welt" und das "Wohlsein des Menschen" können letztlich nur erreicht werden, wenn Werte verbindlich eingeübt werden. Das Aufzählen von Werten und das Spekulieren darüber haben bisher wenig zustande gebracht. An den Früchten ist die Ernsthaftigkeit einer Botschaft zu erkennen (Mt 7.16). Der bedrohlich wachsende Priester- und Gläubigenmangel lassen nicht auf eine ergiebige Ernte schließen. Ob die heutigen Strukturmaßnahmen eines Tages die Wende bringen? Vieles deutet im Gegenteil darauf hin, dass damit die Fäulnis an den Wurzeln des Christentums nicht behoben ist.

 


Letzte SeitenÄnderung: 02.03.2011.
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