www.fritz-koester.de
Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Die Botschaft der Bibel(I):
Mit Pfingsten fing alles an.

Juni 2008

Eigentlich müsste man sagen: mit Weihnachten fing alles an oder mit Ostern. Tatsache aber ist, dass der christliche Glaube erst durch das Pfingstereignis eine breitere Öffentlichkeit erreichte. Darüber berichtet die Apostelgeschichte (Apg 2.1-11). Am Pfingsttag befanden sich die Apostel am gleichen Ort – aus Furcht vor den Juden hinter verschlossenen Türen. Da erhob sich ein Brausen gleich einem heftigen Sturm. Zungen wie von Feuer verteilten sich auf jeden von ihnen. Alle wurden vom heiligen Geist erfüllt. Sie fingen an, in fremden Sprachen zu reden, wie der Geist ihnen zu verkünden eingab. Vor dem Haus stürmte die Menge zusammen und jeder hörte sich in seiner Muttersprache reden. Menschen aus vielen Sprachen und Stämmen hörten die Apostel "Gottes große Taten verkünden". – Was waren das für "große Taten"?

1. Ihre Welt war voller Angst und Bedrängnis.

Auf den ersten Blick könnte man vermuten, dass es sich hier um eine große Menschenmenge gehandelt hat, die zu begeisternden Einsichten kam und zu Welt verändernden Maßnahmen fähig wurde – eine Illusion, die heute gerne im Zusammenhang mit Papst-Events und Weltjugendtagen gepflegt wird. Was ist an Pfingsten wirklich geschehen?

Man muss sich die Situation von damals konkret vorstellen. Jesus hatte ein paar Jahre gelebt und gelehrt. Er hatte von der kommenden und "schon jetzt" anbrechenden Gottesherrschaft unter den Menschen gesprochen – durch Worte und Taten der Liebe, der Gerechtigkeit, der Toleranz, der gegenseitigen Hilfe und Unterstützung… Die im "Jetzt" schon anbrechende Gottesherrschaft unter den Menschen war also sein Hauptanliegen.

Dann war er, ohne dass seine Getreuen es wahr haben wollten, hingerichtet worden. Er war am Kreuz gestorben, was zu großen Ängsten und Verwirrungen führte. Wie sollte es nun weitergehen? Bisher hatten sie sich auf die Anwesenheit Jesu und seine Autorität verlassen. Nun war er fort. Zwar hatte er ihnen ein Beispiel gegeben. Er hatte ihnen aufgetragen, dass durch sie seine heilsamen Worte und erlösenden Taten weitergehen sollten – mitten in einer Welt, die von Lug und Trug bestimmt war. Aber wie sollte das geschehen? Sie waren doch nur kleine und einflusslose Leute, deren Hoffnung nach dem Karfreitag in Bedrängnis und Angst zusammen gebrochen war. Woher also die Kraft und den Mut nehmen, um Neues zu wagen? Womit sich schützen gegen die Nachstellungen der Mächtigen und Einflussreichen - ihre Verfolger?

2. Der heilige Geist kam und kam nicht.

Was ist geschehen, wenn es in der Apostelgeschichte heißt, dass sich der heilige Geist auf jeden von ihnen niederließ? Hat er ihnen Mut und Kraft gegeben, alle Ängste und Widerwärtigkeiten des Lebens zu überwinden? Gab er ihnen Fähigkeiten und Gaben, die sie mutig ans Werk gehen ließen? Haben sie sich dadurch total verändert? Ist aus einem Unverständigen plötzlich ein Bekehrter geworden, aus einem Juden ein Römer, aus einem Ägypter ein Libyer?

So kann es ja wohl nicht gewesen sein. Es handelte sich um Männer und Frauen, die geblieben sind, was sie waren. Aber der heilige Geist hat ihnen – in der Gemeinschaft des Hoffens und Betens - geholfen, sich ihrer Gaben und Fähigkeiten bewusst zu werden. Er hat aus ängstlichen Kindern Erwachsene im Glauben gemacht. Sie erhielten ein neues Selbstbewusstsein; ein Selbstwertgefühl, welches ihnen gestattete, eigene Gedanken zu denken und mit eigenem Mund zu sprechen. Trotz verschiedener Sprachen und Herkünfte verstanden sie sich doch in einem und demselben Auftrag: die Worte und Taten Jesu zu verkünden und fortzusetzen, damit die Herrschaft Gottes in der Welt ihren Anfang nehmen konnte. Das war ihre "gemeinsame Sprache". Sie begriffen auf eine urtümlich-frische Weise, wofür ihr Leben überhaupt gut war und wie das Leben unter den Menschen im Namen Gottes gestaltet werden müsste. Da galten nicht mehr die gesellschaftlichen Kategorien mächtig oder ohnmächtig, gebildet oder ungebildet, Mann oder Frau, alt oder jung. Alle waren dazu bestimmt, das Heilshandeln Gottes in der Welt tatkräftig zu begleiten und zum Tragen kommen zu lassen.

Das Wirken des heiligen Geistes betrifft also alle. Es gibt jedem Menschen seinen Ort und seine Bestimmung. Die Welt, Wirkfeld des heiligen Geistes, wurde uns Menschen als Ort der Treue und Bewährung gegeben. Der Auftrag besteht also darin, das Wirken des Geistes nicht zu verhindern, sondern mitzuwirken an der Reifung und Vollendung der Welt. Je mehr sich Menschen den Herausforderungen des Lebens im Geist der Liebe und Gerechtigkeit stellen, desto eher werden sie "Erwachsene im Glauben".

3. An die Stelle des Geistes haben sich allzu oft "Experten" gesetzt.

Leider haben die Kirchen die einfachen Wahrheiten des Evangeliums, die alle Menschen im Blickfeld haben, in Vergessenheit geraten lassen. Ihnen ging es im Laufe der Jahrhunderte immer mehr um "Hierarchie", Selbstorganisation, Selbstbehauptung und Selbsterhalt. Das war und ist zwar auch nötig; aber an erster Stelle stehen das Heil der Welt und die Berufung aller Menschen zum "Schon-Jetzt" des Reiches Gottes. Leider haben menschliche Ambitionen die Anliegen des Friedens und des Heils der Welt in Hintertreffen geraten lassen. An die Stelle des Geistes Gottes, der alle Menschen mit Gaben und Fähigkeiten ausstattet, damit der Friede und die neue Gerechtigkeit weitergehen, haben sich Fachleute und "Experten" gesetzt – ganz nach weltlichen Mustern. Auf hohem akademischem Niveau erforschen sie die Wahrheit, stellen Regeln und Paragraphen zusammen, die eher kirchlichen Interessen dienen als den Anliegen des Evangeliums. Das Ergebnis menschlich-kluger Bemühungen kennen wir seit Jahrhunderten: eine Wahrheit steht gegen die andere, eine Rechtgläubigkeit stellt die andere in Frage, eine Konfession baut Gräben auf gegen die andere, in der Ökumene profiliert sich eine gegen die andere…

Bei den vielfältigen hierarchisch-theologischen Blockaden sind die gemeinsame Sprache und die gemeinsame Zielrichtung abhanden gekommen: das Wirken des schöpferischen Geistes Gottes zum Wohl und Heil der Welt. Ebenso die Ermutigung aller ohne Ausnahme, dem Wirken Gottes Raum zu geben. Haben die Kirchen ihr Thema verfehlt? Sägen sie an den Ästen, auf denen sie sitzen?

4. Aus der Vergangenheit lernen und das Zukünftige gestalten.

Wenn sich Pfingsten noch einmal ereignen soll; wenn dem Wirken des Geistes Gottes zu jeder Zeit eine Chance gegeben werden soll, muß es allen Menschen "guten Willens" um drei Dinge gehen:
Erstens kommt es darauf an, dass möglichst alle Menschen die ihnen von Gott gegebenen Gaben und Fähigkeiten entdecken. Das "Erkenne dich selbst" ist ein steiler Weg und bleibt eine lebenslange Aufgabe. Nur so können Menschen "Sinn" im Leben finden – statt in Selbstüberheblichkeit oder in Depression zu verfallen.
Zweitens müssen sich Menschen der Tatsache bewusst werden oder bleiben, dass sie "soziale Wesen" sind. Nur in Einklang oder Auseinandersetzung mit anderen "Du’s" kann das Ich gefunden und erprobt werden. Auch den Nächsten wurden Gaben und Fähigkeiten gegeben, wurden Grenzen gesetzt. Auf sich selbst und andere schauend, darf das Gute nicht ignoriert werden, welches im Leben geworden und gewachsen ist. Auf das Zukünftige schauend, kommt es darauf an, dass der Weizen des Guten bei allen wächst. Gleichzeitig dürfen das Unkraut der eigenen Grenzen und die Begrenztheiten anderer nicht irritieren. Man muß den Weizen fördern, ohne rechthaberisch und "rechtgläubig" das Unkraut zu vernichten (vgl. Mt 13, 24-30). Jesus wusste wohl genau: Wahrheitsfanatiker werden schnell die Ursache für die Hölle unter den Menschen!
Drittens ist und bleibt der Text eines Liedes, welches Kinder gerne singen, auch für Erwachsene eine bleibende Lebensweisheit:
Ich bin ich, werd nie ein anderer sein
Dies ist meine Zeit, dies ist mein Leben.
Was mir wichtig ist, entscheide ich allein,
denn mir wird keine Stunde je zurückgegeben.
Ob die anderen auf mich zeigen,
ob sie neidisch auf mich sind,
ich wird reden oder schweigen,
wie ich es richtig find.
Ich bin ich, werd nie ein anderer sein.
Dies ist meine Zeit,
dies ist meine Zeit,
dies ist meine Zeit.
Dies ist mein Leben.

 


Letzte SeitenÄnderung: 02.03.2011.
Bitte beachten Sie meine Nutzungsbedingungen.