www.fritz-koester.de
Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Die Botschaft der Bibel (8):
"Dialog" statt Bekehrung und Missionierung?

März 2009

"Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben des Weltalls eingesetzt und durch den er auch die Welt erschaffen hat". So heißt es im Hebräerbrief (1.1-2). So verstehen sich auch die drei "Offenbarungsreligionen": Judentum, Christentum, Islam. Wenn Gott sich aber den Menschen offenbart, kann es nur mit Nachdruck, Macht, Großartigkeit und Herrlichkeit geschehen...

Dieser Gedanke ist besonders beim Islam ausgeprägt. Nach dessen Auffassung hat Allah dem Mohammed ewige, unverzichtbare, unüberholbare Wahrheiten zudiktiert, die im Koran ihren Niederschlag gefunden haben. Allah hat auch – schon im ersten Jahrhundert – den Islam zu einer ungeheuer erfolgreichen Religion emporsteigen lassen. Schon in kurzer Zeit war der ganze Mittelmeerraum einschließlich Südfrankreich vom Islam erobert. Als Zeichen seiner gottgewollten Größe und Macht darf kein Kirchengebäude höher und größer sein als eine Mosche. Und kein Mensch, keine Stadt, kein Ort, kein Land darf – sofern einmal islamisch – jemals an eine andere Religion verloren gehen. So wird Jerusalem ein ewiger Zankapfel bleiben, weil von allen drei Offenbarungsreligionen unverzichtbar als "heilige Stadt" beansprucht.

Der heutige "Kampf der Religionen" gründet auf dem Glauben, dass allen drei Offenbarungsreligionen eine besondere Berufung zuteil wurde. Deshalb galt ursprünglich: Bekehrung und Missionierung der einen durch eine andere. Das Konzil hat sich vor 50 Jahren zum "Dialog" entschlossen. "Dialog" statt Bekehrung? Dürfen also Juden und Moslems nicht mehr zu Christus bekehrt werden? Gegen solche Vorstellung wehrt sich die von vielen als "verbohrt" angesehene Pius-Bruderschaft.


1. Die Pius-Bruderschaft und das Konzil.

Die Pius-Bruderschaft, einmal von der Kirche verworfen und "exkommuniziert", wurde von BENEDIKT XVI. wieder in die Kirche hineingeholt – um der "Einheit" willen. Der öffentliche Skandal, der weltweit die Gemüter aufrüttelte, hat ein paar wichtige Erkenntnisse zur Folge gehabt: erstens ist die Kirche, die traditionalistische und fundamentalistische Tendenzen fördert, kein Sprachrohr mehr für die meisten Christen. Sie fährt sich selber dabei an die Wand. Sie wird zweitens, weil zu einem dogmatischen Betonklotz erstarrt, für den Rest der Verbliebenen zu einer musealen bzw. folkloristischen Veranstaltung. Deren Vertreter werden nicht mehr gehört, aber bei feierlichen Anlässen noch als exotische Überbleibsel einer längst vergangenen Zeit (vor allem von den Medien) vermarktet. –

Die beste Folge des Skandals war und ist der Ruf nach dem Konzil, welches bereits von vielen Verantwortlichen – bewusst oder unbewusst – in die Gruft des Vergessens verdammt worden war, oder nur noch selektiv und nach eigenem Ermessen akzeptiert wurde. Nun wieder der Ruf nach dem Konzil! Sämtliche Konzilsbeschlüsse sollen nicht nur von der Pius-Bruderschaft angenommen werden, sondern auch von rückwärts gewandten Teilen der Hierarchie, des katholischen Klerus und Volkes.

Aber was heißt: das "ganze Konzil"? Es ist bekannt, dass die Texte des Konzils nicht einheitlich sind. Verschiedenste Interessengruppen haben in ihnen ihren Niederschlag gefunden. So wird das Konzil unterschiedlich interpretiert. "Traditionalisten" und "Fortschrittliche" finden sich darin wieder – je nach Denkmuster und Vorurteil. So gut es ist, dass das Konzil wieder verstärkt im Gespräch ist, so würde die "volle Anerkennung der Konzilsbeschlüsse durch alle" doch zur Folge habe, dass die "Experten" der verschiedensten Richtungen ihre unterschiedlichen Interpretationsmuster zur Geltung bringen nach dem Motto: Man kann alles begründen, immer auch das Gegenteil. Und ein "Machtwort" des Papstes würde nicht mehr viel nützen, weil auch er (als Italiener, Pole, Deutscher) einer bestimmten "Richtung" angehört.

Das Dilemma des Konzils wurde während seines Verlaufs vor 50 Jahren bereits deutlich. Nicht nur, dass sich die "Aufgeschlossenen" gegen die hartnäckige Minderheit der "Zugeknöpften" mit vielen Tricks durchsetzen mussten, sondern vor allem auch dadurch, dass der "pastorale Impuls" des Papstes sehr schnell in die Köpfe der Dogmatiker und Kirchenrechtler geriet. Das pastorale Uranliegen des Papstes bestand zunächst einmal darin, die Situation heutiger Menschen klar in den Blick zu bekommen, um ihnen den Zugang zu religiösen Fragen zu eröffnen. Aber nach alter Manier wurde dieses Anliegen "auf die hohe Ebene der Theologie" gehoben und den "Experten" überlassen, die Lust auf ihre eigenen ("wissenschaftlichen") Gedanken haben und zum Definieren neigen. Die ursprüngliche Anteilnahme und Lebendigkeit des Volkes wurden dabei sehr schnell ausgeschaltet. Heute wird wieder "oben" gedacht und nach unten indoktriniert. Alles, was lebendig ist und sein könnte, erstarrt unter der Winterdecke dessen, was von allen gedacht und geglaubt werden muß. Gegen solche "Gleichschaltung" schafft sich "die Basis" auf dem Boden eigener Erfahrungen und Einsichten neue Freiheitsräume. "Unten" wird inzwischen ganz anders gedacht und geglaubt als in den Chefetagen der Kirchen. Inzwischen kommt es weltweit sogar zu Empörungen und offenem Widerspruch zu Maßnahmen "von oben", die als einäugig und realitätsfremd gebrandmarkt werden.

2. Pastoraler Impuls aus der Kraft der Bibel.

Zweifellos war es ein ehrlicher Erfolg des Konzils, die Kirche von Menschen nicht mehr als "societas perfecta" darzustellen, sondern als " wanderndes Volk Gottes auf dem Weg durch die Zeit". Die Einsicht, dass sich der Zentralismus (des Vatikan) in der Vielschichtigkeit des Lebens als immer ohnmächtiger und widersinniger erweist, ließ die "Dezentralisierung der Kirche" als wichtig erscheinen. Von der Zuständigkeit von Bischofskonferenzen war die Rede, von der "Wertschätzung der Laien", von der Notwendigkeit des Dialogs mit anderen Religionen und Weltanschauungen, von der "Religionsfreiheit" und der unverbrüchlichen "Würde des Menschen". Bis heute hat sich herausgestellt: die "niederen Instanzen", auch Bischofskonferenzen, konnten mit ihrer neuen Verantwortung nichts anfangen. Nach oben zu schielen gewöhnt, haben die meisten bis heute nicht aufgehört, die Lösungen der örtlichen Probleme "von oben" zu erwarten. Die Parole heißt: Solidarität mit Rom statt Eigencourage!

So sind der Einfluss und die Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft eher kleiner statt größer geworden. Das Konzil steht bei "Restauratoren" im Verdacht, zu viele negative Folgen gehabt zu haben. Deren Ängste haben dazu geführt, dass eine traditionelle Minderheit des Konzils im Laufe der Zeit dessen fortschrittliche Mehrheit immer mehr überspielt hat. Nach JOHANNES XXIII. und PAUL VI. setzten sich immer mehr die "Traditionalisten" durch. Eine Kirche, die Jahrhunderte lang mit ihrem dogmatischen Fundament gute Erfahrungen gemacht hatte, fand keinen Geschmack an dem pastoralen Ansatz der Konzilsväter. Dass allerdings die Dogmatiker schon bald in eine Sackgasse gerieten, zeigt die tragische Verbindung BENEDIKTS XVI. mit OPUS DEI, der Pius-Bruderschaft und anderen "Geistern", die er nicht mehr los wird.

Das Kernproblem des Konzils ist es bis heute geblieben, dass bei allem "Theologisieren" die Chance der Rückbesinnung auf die Denk- und Lebensweise des irdischen Jesus auf weiten Strecken verpasst wurde. Aber genau das wollte JOHANNES XXIII. Ihm ging es um das "Zurück zu den Quellen". Sein "pastoraler Impuls" war kein griechisch-philosophischer, sondern ein biblischer. Er ist nicht mehr in erster Linie auf die Kirche konzentriert und deren "Spezialisten", sondern auf die Sauerteigfunktion der Botschaft Jesu mitten in der Welt – also auf das "Reich Gottes". Erste Ansprechpartner sind die Menschen mit ihren Gaben und Fähigkeiten, mit ihren Zweifeln und Ängsten. Ihnen hat Christus einen "neuen Geist" gegeben: den Geist der Liebe, Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit – Kräfte, die dazu angetan sind, das Reich Gottes schon im Jetzt Wirklichkeit werden zu lassen: anfänglich und fragmentarisch, aber darauf angelegt, das "Leben in Fülle" zu entfalten.

3. Statt Bekehrung "Dialog"?

Ein Kernproblem in der Auseinandersetzung zwischen "Traditionalisten" und "Fortschrittlichen" ist die Frage, ob beim Anliegen des Dialogs "Bekehrung" noch erlaubt ist? Der Dialog "auf Augenhöhe" setzt Gleichberechtigung voraus, gibt jeder Religion eine gleichwertige Position. Er ermutigt sogar, dass der Jude, Moslem, Buddhist... jeweils auf seine Weise selig werden kann, ohne dass eine Bekehrung zum Christentum notwendig erscheint.

Dagegen war die "Bekehrung der Heiden und Andersgläubigen" von Anfang an ein zentrales Anliegen (vgl Apg 3.19; Mt 28.16-20; 24.14). Aber Bekehrung wozu? Zu Jesus Christus, hat es immer wieder geheißen. Im Laufe der Geschichte wurden aber die Gewichte entscheidend verlagert. Es ging und geht bis heute weitgehend um die Bekehrung zur "einen wahren Kirche", zu ihren Ämtern und ihrer Gesamtverfassung – so als wäre das alles identisch mit den Anliegen Jesu. Jahrhunderte lang bestand das Ziel der Missionierung im "Einpflanzen der Kirche" überall auf der Welt (Implantatio Ecclesiae). Die Bekehrten und kirchlich Sozialisierten in Afrika und Lateinamerika feierten – rituell und liturgisch – ihr Christsein nach dem Vorbild der Europäer. Es wurde eine einheitliche Theologie gelehrt und gelernt. Katechismen und Lehrbücher wurden aus Europa in die ganze Welt exportiert.

Solche Europäisierung des Christentums, gewachsen auf dem Boden griechischer Philosophie, haben die Kirche und die römische Zentrale mächtig und einflussreich gemacht. Aber auch gläubiger? Ist "Glaube" identisch mit einer einheitlichen Lehre und Ideologie im Sinne einer kirchlichen Staatsverfassung? "Bekehrung" hatte auf weiten Strecken den Anschluss an Europa und seinen Wohlstand zu Folge. Der "Glaube" bestand in konfessioneller Dazugehörigkeit, in sakramentalen Vollzügen und im Lernen einer Lehre, die sich von anderen abhob und stets zu Streitigkeiten führte.

Liturgien, Sakramente, Lehramt, unfehlbare Wahrheiten – äußerlich werden sie überall akzeptiert und praktiziert. Aber im Leben ändert sich wenig. So besteht auf weiten Strecken der Geschichte die Tatsache, dass Christen über den Frieden, die Liebe, die "neue Gerechtigkeit" Vorträge halten und Bücher lesen – gleichzeitig "im Namen Gottes", "um der Wahrheit willen" Kriege führen und Rechthabereien in die Welt tragen. Die Schizophrenie zwischen Doktrin und konkreter Lebensführung zeigt allzu deutlich, dass "Bekehrung" leicht ihr Ziel verfehlen kann. Denn die "Doktrin" findet im Kopf statt; zum Leben ist noch ein weiter Weg. Dies nicht nur aus "menschlicher Schwachheit", sondern weil die Vorstellung vorherrschend ist, dass mit Inhalten im Kopf schon alles getan ist.

4. Der Glaube an heilsame und erlösende Taten.

Der Glaube an Jesus Christus, an das Heilsame seiner Worte und Taten, verpflichtet Christen zu einer verbindlichen Übernahme dieser Worte und Taten in die eigene Lebenssituation. Die Worte und Taten des irdischen Jesus bezogen sich ständig auf das Heil der Welt und des konkreten Menschen. Sie waren immer menschennah und situationsbezogen, verfehlten deshalb ihre "Wunder-Wirkung" nicht. Für Christen besteht der Glaube in nichts anderem als in der Fortsetzung der Worte und Taten Jesu. Sie müssen auf das Heil und den Frieden in der Welt ausgerichtet bleiben. Sie sind wie Senfkörner, die Wurzeln schlagen und wachsen bis zum Tag der Ernte, an dem der Herr kommt.

Solche Art des Glaubens ist für jeden Menschen möglich. Denn Jesus hat nichts gesagt und getan, was der "Natur des Menschen" widersprechen würde. Deshalb zielt seine Botschaft auf den Zusammenschluss möglichst vieler Menschen in Freiheit und Gerechtigkeit – zum Heil der Welt. Denn der "zweite Adam" (Christus) war ein "lebendigmachender Geist" (1 Kor 15.45). Die Frage, was der Welt zum Frieden dient, ist immer mit Menschen ins Gespräch zu bringen, ganz gleich welcher Stellung und Weltanschauung sie sind. Auf dieser Ebene sind "Dialog" und "Ökumene" möglich (weniger auf der Ebene von "Experten", die jeweils in ihren theologischen Elfenbeintürmen sitzen). Das Ertragen und Meistern der "Immanenz" dieser Welt wecken auch die Hoffnung und schaffen den Zugang zur "Transzendenz". Alles "Übernatürliche", jeder "Jenseitsenthusiasmus" bleiben Utopie und Selbsttäuschung ohne diesen innerweltlichen Ausgangspunkt.

Wenn in der Bibel von "Bekehrung" und "Umkehr" die Rede ist, dann heißt das:

  • Von den Götzen zum lebendigen Gott (1Thess 1.9; Apg 14.15)
  • Von der Finsternis (von der Macht Satans) zum Licht (Apg 26.18)
  • Von der Bosheit zu verantwortlichem Handeln (Apg 3.26)
  • Vom Gottesbezug zum Stärken der Brüder und Schwestern (Lk 22.32)
  • Von toten zu lebendigen Werken (Hebr 6.1).

Solche "Bekehrung" ist der Weg des Menschen zur "wahren Gerechtigkeit", wie ihn auch die Bergpredigt beschreibt (vgl. Mt 5.1-12).
 


Letzte SeitenÄnderung: 02.03.2011.
Bitte beachten Sie meine Nutzungsbedingungen.