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Was ist Religion (1)?
Da scheiden sich die Geister.
Juli 2005
Religionen erfahren heute - mitten in den säkularisierten
Gesellschaften - eine ungeahnte Wiedergeburt. Bis vor kurzem war noch
verpönt, "religiös" zu sein. Heute ist es wieder "in". Eine wachsende
Mehrheit nennt sich wieder "religiös" und "an Gott glaubend". Aber was ist
"Religion"? Die Antwort auf diese Frage ist verworren und verwirrend wie
Vieles in den Köpfen und Gesinnungen von Menschen.
Um die Frage nach "Religion" annähernd beantworten zu können, ist es
zunächst gut, vom Computer einiges zu lernen. Es waren und sind kluge
Leute, die den Computer erfunden haben und programmieren. Wenn er
programmiert ist, funktioniert er perfekt – so perfekt, dass die Menschen
anfangen müssten, auch so perfekt zu sein. Sie müssten Manches von ihm
übernehmen. Wenn man z.B. den Computer einschaltet, dauert es eine Weile,
bis er "warm gelaufen" ist und zum Gebrauch zur Verfügung steht. Als erstes
erscheint oft eine Virenwarnung auf dem Bildschirm. Gefahren müssen
von vorneherein ausgeschaltet werden, weil sie eine Datei zum Absturz
bringen können...
Überträgt man allein diesen Sachverhalt auf eine menschliche Versammlung
bzw. Arbeitsgruppe, die sich mit religiösen Fragen beschäftigt, wäre es als
erstes Gebot wichtig, gleich zu Beginn ein paar Schweige- bzw.
Besinnungsminuten zu veranschlagen. Jede/jeder Beteiligte sollte sich in
Ruhe auf das konzentrieren können, worauf es bei der Frage nach der Religion
ankommt; was einen Menschen dazu veranlasst, sich als "religiös" zu
bezeichnen. Dabei können nämlich sachliche wie auch personale Probleme
auftauchen. Bewusste und unbewusste Mechanismen können eine entscheidende
Rolle spielen und jedes sinnvolle Zusammensein von Menschen stören bzw.
erschweren.
Oft bleiben religiöse Gespräche deshalb so konfliktgeladen und
spannungsreich, wirkungs- und ergebnislos, weil nicht genügend auf den
"Virenalarm" geachtet wird und die Gefahren nicht ausgeschaltet wurden, die
das gemeinsame Nachdenken und Besprechen verhindern. Weil das so ist, sprach
man in früheren Zeiten zwar nicht von "Viren", wohl aber von Hauptsünden,
die die religiöse Verständnisbereitschaft von Menschen und ihr Zusammenleben
erschweren, wenn nicht sogar unmöglich machen. Petrus Lombardus z. B.
(gest. 1160) nannte Sechs solcher "Sünden": Vermessenheit in der
Selbsteinschätzung; Verzweiflung auf dem Boden pessimistischer
Grundeinstellung; bewusste Ablehnung von erkennbaren Wahrheiten;
Neid über die Einsichten und bereichernden Erfahrungen anderer;
Verstocktheit im eigenen Denken; Unbelehrbarkeit, weil unfähig
zum Umdenken...
Man könnte auch sagen: in jedem Menschen gibt es so etwas wie eine "innere
Unordnung" und uneinschätzbare Verworrenheit – was der Philosoph E. Kant
"krummes Holz" genannt hat, aus dem "nichts Gerades" gezimmert werden kann.
Diese stören und gefährden auch jedes soziale Gefüge. Im religiösen Bereich
äußern sie sich als: theologische Rechthaberei, Wahrheitsfanatismus,
Dogmatismus, Konfessionalismus, Unfähigkeit zu etwas Neuem und
Unvorhergesehenem, Verstocktheit im guten Glauben, Blindheit für sich
wandelnde Lebensverhältnisse... Damit alles beim Alten bleibt, zementiert
sich manche christliche Verbohrtheit in einem religiösen Erziehungsdenken,
welches Werner Schneider auf den Punkt gebracht hat: "Der Satz,
wonach alle Menschen Gottes Kinder sind, wird gerne verwendet, Gottes
Erwachsene zu verhindern".
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