Sonntagsgedanken für den Alltag (13):
In der Welt gibt es viel Unkraut und Weizen.

(Nach 13.24-43; Ev. vom 16. So im Jahreskreis A)

Juli 2011

Zwei erstaunliche und nachdenkenswerte Bemerkungen zeigen sich im Evangelium vom Weizen und Unkraut. Nachdem der Sämann den Weizen gesät hat, wuchert auch das Unkraut – vom "Feind" gesät, während die Leute schliefen. Der Schlaf scheint für den "Feind" eine gute Gelegenheit zu sein, sein Geschäft des Unheils zu betreiben. Aber wer ist der Feind? Schriftsteller, Theologen und Künstler haben ihn oft schauerlich geschildert und an die Wand gemalt: mit grauenvoller Fratze, mit Hörnern und wedelndem Schwanz. Sie erwecken den Eindruck eines "dualistischen Weltbildes": hier das Gute – dort das Böse. In Wirklichkeit sitzt der Feind im Menschen, der schlafend das Gute versäumt und dabei dem Unguten Sauerstoff und Nahrung zum Wachsen gibt. "Im Menschen", das bedeutet: Jeder hat die Freiheit und Möglichkeit zum Guten wie zum Schlechten. Jede/r vermag ein Heiliger oder Verbrecher zu werden. Die vielen "Zwischenschattierungen", die es dabei gibt – sie sind in der Realität meistens nachhaltiger wirksam als die Extreme.

Seltsam ist auch, dass der Gutsherr seinen Knechten verbietet, das Unkraut vom Weizen zu trennen. Der Grund liegt – unabhängig vom "Tag der Ernte" - auf der Hand: mit dem Ausreißen des Unkrauts könnte auch der Weizen Schaden nehmen. Eine schwer zu verwirklichende Weisung. Sie mag in der Landwirtschaft noch gültig sein. Aber wo es um Menschen geht – da hat es zu allen Zeiten Viele gegeben (und es gibt sie bis heute!), die sich als "Reinemacher" betätigen. Überall sehen sie bei anderen Fehler, Gebrechen und Splitter; im religiösen Bereich beschwören sie die Gefahr der Anpassung an den "Zeitgeist". "Reinemacher" sehen den Balken im eigenen Auge nicht (vgl. Mt 7.1-5). Sie haben viel Ähnlichkeit mit dem Pharisäer, der im Tempel betet: "Ich danke dir, Herr, dass ich nicht so bin wie die anderen Menschen, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher..." (Lk 18.11). –

Die ganze Menschengeschichte ist bestimmt von diesem Ungeist der "Reinemacher". Hitler wollte die reine "Herrenrasse". Er wurde zum Mörder von Millionen. – Stalin ging es um den Kommunismus in sauberster Vollendung. Wer sich ihm anders denkend in den Weg stellte, wurde umgebracht oder in die Bergwerke verbannt. Es waren Millionen. – Auch die Kirche mit ihrem weltumspannenden Absolutheitsanspruch ist auf weiten Strecken diesem "Ungeist" verfallen. Statt die Liebe zu üben und ein Beispiel darin zu geben, hat sie bei der Missionierung vieler Völker und Kulturen bei ihnen nur "Unkraut" vermutet. Sie hat so getan, als könnte Gott in seiner Schöpfung niemals wirksam sein. Jedenfalls nicht ohne die Kirche.

In Geduld und Akzeptanz das Unkraut bei sich selbst wie bei anderen Menschen wachsen zu lassen bzw. zuzugeben bedeutet, dass sich keiner über den anderen erhebt. Es verhindert auch, dass die "Gutmenschen" aus der Welt – statt einen Himmel – eine Hölle machen.

Letzte SeitenÄnderung: 13.04.2011.
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