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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Weihnachten: Jede Geburt ist Anfang eines (oft) langen Lebens.

Dezember 2012

An Weihnachten feiern wir die Geburt eines Kindes. Wir kleiden uns in sonntägliche Gewänder, dekorieren das Haus und die Fenster mit strahlenden Lichterketten, dazu der leuchtende Christbaum. Die aus dem Herzen kommenden Gesänge und die Weihnachtsmusik – nie während des Jahres klingen sie schöner und fröhlicher als in diesen Tagen.

Außenstehende könnten vermuten, dass Weihnachten, der Tag der Geburt Christi, das größte und wichtigste Fest im Christentum ist. Theologen und Kirchenleute sagen "Nein" dazu. Für sie sind Ostern und Pfingsten viel wichtiger: Feste der Erlösung und des Heils für die gesamte Menschheit. Trotzdem ist und bleibt Weihnachten im Bewusstsein der meisten Christen das am meisten begehrte und ersehnte Fest. Am eindringlichsten klingt es in "Stille Nacht, heilige Nacht", und im: "Lasst uns nach Bethlehem gehn. Heute ist uns der Heiland geboren!"

Im Blick auf die erbärmlichen Umstände dieser Geburt – von der Herbergssuche ist die Rede, vom Stall, von den Hirten auf dem Felde, von dem wegweisenden Stern – haben die ersten Besucher damals sicher schon gefragt: Warum diese Armut und Erbärmlichkeit? Was ist das für ein Kind? Bei aller Freude über diese Geburt – was wird aus diesem Kind wohl einmal werden?

Heute, 2000 Jahre danach, wissen wir es. Über zwei Milliarden Menschen feiern dieses Fest. Viele Wissenschaftler, Künstler Musiker, Theologen versuchen immer wieder, dem Sinn und Inhalt dieses Festes auf die Spur zu kommen. Dabei sind Äußerlichkeiten nicht entscheidend: Aufgewachsen im Haus seiner Eltern; wahrscheinlich auch Lehrling in der Werkstatt seines Vaters, der Zimmermann war, hat er sich irgendwann der Johannes-Bewegung angeschlossen. Johannes predigte in der Wüste; er versuchte, seine aufmerksamen Zuhörer/innen auf das bevorstehende Ende der Welt einzustellen; er forderte sie zu Umkehr und Bekehrung zu einem gottgemäßen Leben auf, zum Ernstnehmen der Gebote Gottes. Ein Leben nicht zum eigenen Gutdünken sollte sie vor dem End- und Strafgericht Gottes bestehen lassen...

Jesus hat in der Zeit seines öffentlichen Auftretens andere Akzente gesetzt, er ist seinen eigenen Weg gegangen. Auch er verkündete das nicht vorhersehbare Ende der Welt. Vor allem aber ging es ihm um die Nähe des Reiches Gottes "schon jetzt" unter den Menschen, sofern diese die Liebe untereinander und die Gottverbundenheit zu leben lernten. Schon als 12-Jähriger hat er hartnäckig Fragen gestellt: den Pharisäern und Schriftgelehrten, den Theologen von damals. Er hat den Finger auf ihre Wunden gelegt: Was ihr lehrt – ihr legt es den Menschen als schwere Lasten auf die Schultern, ihr selbst aber richtet euch nicht danach! Ihr bildet euch ein, mehr als andere in der Nähe Gottes zu sein. Ihr betet scheinheilig: "Herr, Herr", tut aber nicht den Willen dessen, der euch in die Welt gesandt hat!

Jesus hat klar und deutlich verkündet, was zur Anwesenheit Gottes in unserem Leben wichtig ist und was nicht. Der Aufruf zum wahren gottgemäßen Leben hat die damals Einflussreichen und Mächtigen nervös gemacht. Ihnen ging es schließlich nur noch darum, den "Unruhestifter" zu beseitigen. Jesus, gefoltert und erniedrigt bis zum Äußersten, starb wie ein Verbrecher am Kreuz. Folter und Leiden haben es nicht vermocht, ihn von seinem Auftrag abzuhalten. Er starb als Sieger über alle Versuchungen zu Macht und Heuchelei. Vielleicht ist dies der wichtigste Auftrag für uns Christen in der Welt: das Ego zu besiegen, Frieden und Gerechtigkeit für alle zu schaffen – um des Lebens und des Überlebens der Menschheit willen! Das religiöse, kulturelle und geistige Testament Jesu darf nicht leichtfertig verspielt werden. -

Jede Geburt ist der Anfang eines oft langen Lebens. Wir alle waren mal kleine "goldige Kinder". Oft mögen Eltern auch über uns die Frage gestellt haben: Was wird wohl aus unserem Sohn, unserer Tochter werden? In einer Familie, in der die Maßstäbe noch einigermaßen gelten, stellt sich diese Frage: mit Freude über die Neugeburt, aber auch in Angst und Unsicherheit. Denn aus jedem Kind kann ein Heiliger oder ein Taugenichts werden. Was ist aus uns geworden? Nun, wir hatten alle ein Elternhaus, in dem es recht oder schlecht zuging; sind in den Kindergarten gegangen und haben eine Schule besucht. Die Berufswahl führte in eine Lehrstelle. Wir haben alle einen Beruf als Handwerker, Kaufmann, Polizist oder Akademiker.

Wir sind sehr verschieden voneinander aufgewachsen, was unser Temperament, unsere Begabung, unsere Eigenwilligkeit und unsere verschiedenen Lebenswege angeht. Wir legen großen Wert darauf, dass jeder Er/Sie selbst sein kann. Jeder von uns ist nur 1x auf der Welt. Deshalb bedarf es der persönlichen Freiheit, der Eigenverantwortung in Ehe, Familie, Kindererziehung und im Beruf.

So verschieden wir alle sind – Weihnachten führt uns zu einer und derselben Aufgabe. Sie heißt "Friede auf Erden". Wir sollen Menschen des Friedens sein! Jeder soll zum Frieden in der Welt seinen Beitrag leisten! Um des Friedens willen braucht man nicht nach Afghanistan zu gehen oder in den Sudan. Wer schwer bewaffnet meint, Frieden unter den Völkern schaffen zu können, endet meistens im Krieg bzw. im Gemetzel der Völker. Der Friede, den die Botschaft Jesu meint, zielt auf unser Ich, auf unsere alltäglichen Lebenssituationen. Denn überall, wo wir mit anderen Menschen leben und arbeiten, droht der Kleinkrieg: in Ehen und Familien, in Nachbarschaften und in Betrieben bzw. Arbeitsplätzen. Fast jede Lebenslage ist dazu angetan, an sich selbst zu denken, die Aufgabe des Friedens und der Gerechtigkeit aus dem Auge zu verlieren. Weihnachten sagt es anders: Nur wo der Friede im Kleinen gelingt, kann er auch im Großen der Geschichte gelingen. Das Miteinander in Frieden und Freiheit dient dem Wohl und Heil der Völker. "Da bin ich mitten unter Euch".

Auffallend an Weihnachten ist, dass sich die Botschaft vom Frieden nicht zuerst an die Großen und Mächtigen wendet, sondern an die kleinen Leute, die Hirten auf dem Feld. Damit ist offensichtlich gemeint, dass der Friede "von unten" kommen muß, damit ihn schließlich auch die Großen und Mächtigen lernen. Was im Kleinen der Kinderstube nicht gelernt wird, lernen die Erwachsenen auch nicht mehr. Wer sich dazu entschließt, dem Frieden in der Ehe, Familie, Nachbarschaft… jeden Vorrang zu geben, der überwindet schließlich alles Störende im eigenen Leben: Aggressionen, ichbezogene Leidenschaften, Rechthaberei, Herrschsucht, Eifersucht, Neid… Der Friede hört auf, eine leere Worthülse zu sein. Er wird zu einer wachsenden Pflanze, die unübersehbar ist. Und der Friedengruß in jedem Gottesdienst soll zu einer gemeinsamen Gesinnung verhelfen, zu einer Menschen und Welt verändernden Kraft.


Letzte SeitenÄnderung: 12.12.2012.
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