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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Gedanken über ZeitenWende - WendeZeiten (II): Sind die Kirchen zukunftsfähig?

November 2004

Es war eine denkwürdige Fernsehdiskussion voller Widersprüche. Teilnehmer waren Bischof Kamphaus (Limburg), der CDU-Politiker H. Geisler, die PDS-Politikerin S. Wagenknecht und eine Vertreterin von "Wir sind Kirche" (S. Grabmeier). Auffallend war:

1. die sehr kritische Haltung fast aller gegenüber der "Amtskirche". H. Geisler wetterte wiederholt gegen altmodische und weltfremde Äußerungen Kardinal Ratzingers über Laien, Frauen usw.

Versöhnend dagegen wirkten einige zitierte Äußerungen des Papstes. Zwei mächtige Kirchenmänner widersprechen sich also! Wer oder was von ihnen ist richtig, maßgebend?

Ebenso versöhnend wollten Äußerungen von Kamphaus sein. In Afrika sei die Kirche lebendig! Die Frage wurde überhaupt nicht bedacht, ob die angeblich blühende Kirche Afrikas nicht eher ein Exportmodell der abendländischen ist? Letztere sehr in die Krise geraten - könnte das nicht auch sehr schnell die Realität der afrikanischen sein (wie sie es in Lateinamerika bereits ist!)?

2.  bei aller Kritik wollten doch fast alle die Kirche, wenn auch im Sinne von Wir sind Kirche. Dazu seien Reformen nötig. Diese Forderung konzentrierte sich:

  • auf den freiwilligen Zölibat statt auf den rechtlich vorgeschriebenen;
  • auf die neue positive Rolle von Laien und Frauen in der Kirche (Jesus habe auch Jüngerinnen gehabt!).
  • Jesus habe keine Priesterinnen geweiht, aber auch keine Priester!
  • Versöhnende Haltung von Kamphaus: es gäbe gegenwärtig bereits verheiratete Priester (in Teilen der mit Rom unierten orthodoxen Kirche). Bei uns stehe dem die Tradition entgegen. Ein Bischof, der sehr die Rückkehr zum Evangelium und zum Geist Jesu beschwört - hier hat seltsamerweise plötzlich die Tradition Vorfahrt! - Die Frage, ob eine Tradition die Anliegen Jesu verkehren dürfe oder de facto verkehrt? - diese Frage wurde nicht gestellt!

3. Was in der katholischen Kirche an Reformen gefordert wird, gibt es bereits in der evangelischen. Dieser laufen die Gläubigen aber auch in Scharen davon (bei beiden seit 1990 fast 6 Millionen). Also erübrigen sich die Reformen! Auffallend ist bei solchem Argumentieren immer wieder die Tatsache, dass man sich nur teilweise und selektiv auf Jesus und das Evangelium beruft. Nirgendwo kam in den Blick, daß bei Jesus auch nicht zu finden sind:

  • eine akademisch-systematische Lehre und Dogmatik, eine Theologenzunft...
  • ein Kircherecht ("ich bin gekommen, Gesetze zu erfüllen", Mt. 5.17).
  • Liturgie ganz gleich welcher Art
  • Hierarchie bzw. Priesterkaste (vgl. Apg 2.14-21).

4. Die Frage stellt sich: wie kann man alle diese Widersprüche lösen bzw. Ungereimtheiten aus dem Weg räumen?

  • Man kann nicht dauernd ein N/Jein, ein "Ja aber" zur Kirche sagen. Wenn man das tun, verhaspelt man sich dauernd in Widersprüche. Zudem schließt man von vorneherein alle die aus, die - aus welchen Gründen auch immer - ein klares Nein sagen, obwohl sie religiös und christlich sind und bleiben wollen.
  • Wie vor 2000 Jahren sollte die Devise lauten: Wir wollen Anhänger und Mitarbeiter an der Botschaft Jesu sein, also die "Nachfolge Jesu" betreiben, für die Fortsetzung seiner Worte und Taten Sorge tragen (Apg 2.14-21). Solches Wollen hat folgende Konsequenzen:
  • Man muß sich besinnen auf die Fragen: was hat Jesus wirklich gewollt? Was war seine Botschaft? Wenn nicht Dogmatik, Kirchenrecht usw..., dann wohl das "Schon-Jetzt" des Reiches Gottes. Das haben alle als eine ethische Herausforderung verstanden. Daran sollten alle mit ihren Gaben und Charismen beteiligt sein (nicht nur die kirchlich "Berufenen")
  • Es geht um die konkrete Praxis der Liebe, Gerechtigkeit, Toleranz, Gemeinschaft, gegenseitiger Akzeptanz und Ergänzung... Das kann jede und jeder, wenn auch auf je verschiedene Weise.
  • Menschen, die solche Anliegen zu ihren eigenen machen, lesen die Beispiele der Bibel, die deutlich machen, wie das erste Jahrhundert versucht hat, die Worte und Taten Jesu in der eigenen Umwelt einzuüben.
  • Menschen mit solchen Anliegen suchen und brauchen Gespräch und Gemeinschaft. Es bilden sich "Kirchen" und Gemeinschaften "von unten", von den Menschen her. Sie tun sich zusammen in dem Glauben: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sich, bin ich mitten unter ihnen" (Mt18.20). Kirchen- und Gemeindebildungen sind als Sekundäreffekte, nicht primäres Anliegen.
  • Solches "Gott mit uns und unter uns" kann betend, rituell und liturgisch unterschiedlich gefeiert werden. Es können verschiedene Liturgien und (Wort)Gottesdienste sein. Je bunter, vielfältiger und lebendiger die Gebete und Gottesdienste sind, desto mehr spiegeln sie die Vielfalt des Lebens gläubiger Christen wider. Gott ist kein Gott des Buchstabens, sondern ein Gott des Lebens und der schöpferischen Kraft.

5. Schlussfolgerung: die bisherige Traditions-, Volks- und Versorgungskirche hat ihre Zeit wohl hinter sich. Wenn Menschen im Sinne des Evangeliums wirklich mündig und erwachsen werden, brauchen sie "von unten" auch neue Formen von Kirche, Gemeinschaft, Liturgie und Gebet. Solche Erfordernisse sind eine starke Herausforderung an die Traditionskirche. Wenn solche zeitgemäße Herausforderungen nicht bestanden werden, dürfte wohl das "Ausbluten der Gemeinden" weiter gehen.

 


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