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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

31. Sonntag im Jahr (Lk 19.1-10):

2007

Zielsatz: Alles, was an Gutem geschieht, hat Bedeutung für das Werden und Wachsen des Reiches Gottes

1. Sie nannten ihn "Obergauner".

Von Zachäus ist im heutigen Evangelium die Rede. Er war Zöllner in der Stadt Jericho. Sogar Oberzöllner. Zöllner konnte man damals nur dann werden, wenn man einen guten Draht zu den Römern hatte. Diese beanspruchten nämlich die Zollhoheit. Sie konnten den Zoll an zuverlässige Leute verpachten. Die Zöllner mussten einen bestimmten Satz abführen. Was sie darüber hinaus einnahmen, konnten sie für sich behalten. Davon haben die Zöllner reichlich Gebrauch gemacht. Sie standen in dem Ruf, die Leute übers Ohr zu hauen und zu erpressen. Sie galten als wohlhabend, reich. Aber waren sie auch glücklich? Vermutlich ging es ihnen wie vielen Reichen: sie hatten Freunde, mit denen sie ihren Wohlstand in üppigen Gelagen ausleben konnten. Aber auch viele Feinde unter den Leuten, die sich betrogen und belogen fühlten.

So hat sich Zachäus auch nicht unter die Leute getraut, die Jesus sehen wollten, der auf dem Weg nach Jerusalem durch Jericho kam. Wahrscheinlich hätten sie sich offen über ihn lustig gemacht, ihn zurückgedrängt in die letzte Reihe, wo Jesus nicht gesehen werden konnte. Aber Zachäus wollte ihn sehen. Zu viel hatte er von ihm gehört, der ganz anders zu sein schien als er selbst. So stieg er auf einen Baum. Da konnte ihn niemand belästigen. Der Baum hatte zudem den Vorteil, dass er alles sehen und übersehen konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Neugierig, wie er war, hat er von Jesus kaum etwas erwartet. Wie von den vielen anderen nicht, die ihn verachteten. Unbeliebt, wie er war, ließ sein "Job" auch nicht sonderlich zu, religiöse Vorschriften und Gebote zu beachten. Jedenfalls schien die Mehrheit, die ihn verabscheute, viel gläubiger als er es sich leisten konnte. Den "Göttern" Geld und Reichtum zu huldigen – das konnte man nur, wenn man sich zur Religion distanziert verhielt. Oder man wurde schizophren, indem man trügerisch und verlogen das eine mit dem anderen in Einklang zu bringen verstand...

2. Die unverhoffte und unverdiente Ansprache.

Während Zachäus, hin und her gerissen zwischen verschiedenen Gefühlen und konträren Gedanken, so auf dem Baum sitzt, nähert sich Jesus. Er bleibt unter dem Baum stehen, schaut nach oben. Und Zachäus hört Worte, die er nicht für möglich gehalten hatte: "Zachäus, komm schnell herunter! Heute möchte ich bei dir zu Gast sein".
Das Evangelium sagt, wie Zachäus reagierte: "Da stieg er schnell hinunter und nahm Jesus freudig auf". Daß die Leute unwillig und erbost waren, liegt auf der Hand. Bei einem Sünder kehrt er ein! Er macht ihn sogar zu seinem Gastgeber! Hier geschieht ja eine Umwertung aller Werte! Was bisher als richtig und gottgefällig galt, wird auf den Kopf gestellt. Die schon immer Betrogenen werden jetzt noch bloß gestellt. Und der andere, der "Obergauner", steht als der Gerechtfertigte da. Läßt sich Jesus wirklich erpressen? Weil Zachäus angeblich die Hälfte seines Vermögens den Armen gibt und unrechtmäßig erworbenes Kapital vierfach zurückgibt – deshalb läßt sich Jesus auf ihn ein? Sieht er denn nicht, dass vorher gestohlen wurde, was er danach "großzügig" zurückerstattet?

3. "Das neue Heil kommt nur aus neuer Liebe".

Warum stiftet Jesus solche Unruhe, solche Verwirrung? Er ist barmherzig zu den Sündern, sagen wir gewöhnlich. Er ist ein gnädiger, verzeihender Gott! Er ist voller Güte und Mitleid!

So wahr und richtig solch gängige Erklärungen sein mögen, so wird meist vergessen, dass die Reden und das Tun Jesu in einem größeren heilgeschichtlichen Zusammenhang gesehen werden müssen. Uns fehlt oft das heilsgeschichtliche Denken. Deshalb sehen wir die Dinge punktuell, einfach situationsbezogen. Dem jüdischen Denken von damals war stets gegenwärtig, dass es eine Schöpfung gegeben hatte, die gut war. Aber durch Adam und Eva, Kain und Abel...waren Sünde und Ungehorsam, Missgunst, Neid und Mord in die Welt gekommen. Die ganze Schöpfung, auch die Menschen befanden sich in einem heillosen, unerlösten Zustand.

Jesus kann in die Welt als der "Erstgeborene der ganzen Schöpfung" (Kol 1.15). Er wollte der verlorenen Welt einen neuen Anfang setzen. Menschen sollten Mitwirkende an diesem Neuanfang werden, die Gott "im voraus dazu bestimmt hat, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei" (Röm 8.29).

Um die Welt bis zur Ernte heiler und erlöster zu machen, hat Jesus Menschen berufen und "gerecht gemacht" (Röm 8.30). Er beruft sie bis auf den heutigen Tag. Immer geht es um das Heil der Welt und immer um Menschen, die die Worte und Taten Jesu in ihre eigene Lebenswelt zu übertragen verstehen. Stefan George hat das Anliegen Jesu auf den Punkt gebracht: "Das neue Heil kommt nur aus neuer Liebe". –

Der Zöllner Zachäus, der aus dem Heilshandeln Jesu herauszufallen schien, erwies sich als ungläubiger Zaungast und zweifelnder Schaulustiger offener als manche andere, deren Religiosität zum unbelehrbaren Panzer für Neues und Unerwartetes wird. Der Abstand zu den Inhalten des Glaubens hat ihn in erfrischender Weise zum Glauben geführt: "Heute ist in dieses Haus das Heil gekommen... Denn der Menschensohn ist gekommen, um das Verlorene zu suchen und zu retten".
 


Letzte SeitenÄnderung: 18.07.2007.
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