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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Erneuerung

Juli 1998

In dem Buch "Christsein an der Wende" wird ein Bischof geschildert, der seine Gemeinden nicht mehr mit Priestern besetzen kann. In der allgemein beklagten Situation des "pastoralen Notstandes" tut er das einzig Richtige und Mögliche, wenn auch Ungewohnte und daher von vielen als suspekt Angesehene. Er ruft die Gemeinde zusammen, um ihr die elementaren Forderungen des Evangeliums in Erinnerung zu rufen und von den Begabungen der Leute her ein neues Konzept von Gemeinde zu entwickeln nach dem Grundsatz: Gott gibt seiner Kirche zu jeder Zeit die nötigen Gnadengaben und Charismen, die sie braucht, um mit ihren jeweiligen Aufgaben fertig zu werden. Man muß sie ausfindig machen, statt sie durch liebgewordenes Ämterverständis zu verhindern. Auf diese Weise wächst die Gemeinde allmählich in ihre eigenen Aufgaben hinein. Im Leben bewährte Vertrauenspersonen, Frauen und Männer, werden gefunden, die der Bischof schließlich mit Vollmachten auszustatten vermag.

Vielleicht ist die heutige Kirchensituation der der biblischen Zeit nicht ganz unähnlich. In den ersten Jahrhunderten gab es auch nur die "kleine Herde": im Umfeld die Mehrheit der Ungläubigen, der Nichtchristen und Desinteressierten! In der Apostelgeschichte (2,42-47) schildert der hl. Lukas vier Eckpfeiler, die für das Gemeindeleben unverzichtbar wichtig sind. Erstens ist es das Festhalten an der Lehre der Apostel. Diese Lehre ist kein großartiges theologisches Katechismus-System, sondern meint die dauernde und lebendige Erinnerung an die Person Jesu, an das, was er in konkreten Lebenslagen gesagt und getan hat. Die Christen sollen lernen, in ihren Lebenslagen ähnlich zu denken und zu handeln. Im "Zurück zur Praxis Jesu" liegt auch heute die Chance zur Überwindung der Krise der Christenheit.

Der zweite Eckpfeiler ist die Gemeinschaft. Deshalb herrschte in den frühen Gemeinden nicht die Monologstruktur des Predigens über theologische Inhalte vor, sondern reger Gedankenaustausch über die Lebens- und Glaubenserfahrungen aller Beteiligten. Der Glaube an Christus begründete die Überzeugung von der persönlichen Würde, Entscheidungs- und Mitsprachekraft des Einzelnen. Bei allen entscheidenden Fragen mußte ein möglichst großer Konsens gefunden werden. Die Beziehungsfähigkeit der Christen wurde dabei oft auf eine harte Probe gestellt. Letztlich aber erwies sich diese Lebens- und Vorgehensweise als "prophetisch-zeugnishaft ", als "attraktiv" auch für "Außenstehende", die auf der Suche nach Gemeinschaft und Kommunikation waren . Das ungewöhnliche Verhalten der Christen führte schließlich auch dazu, daß sich die "kleine Herde" nicht nur behaupten konnte, sondern eine große weltgestaltende Kraft entfaltete.

Die Lebens- und Menschennähe christlicher Zusammenkünfte machte den dritten Eckpfeiler eigentlich erst möglich und glaubwürdig: die nicht ritualisierte und triumphalisierende Feier der Sakramente als Feste der Gemeinschaft , vor allem der Eucharistie. In ihr ging es nicht um die "Verwandlung" von Brot und Wein und um die Frage nach dem dazu geweihten Bevollmächtigten. Das Pascha-Mahl Jesu war die Erinnerungsfeier an das "letzte Abendmahl", an Leben, Tod und Auferstehung Jesu. Es war zugleich ein Fest der Hoffnung auf seine Wiederkunft, an das vollendete Reich Gottes, welches immer schon durch konkretes Tun schrittweise im Leben zu verwirklichen war. Der Feier stand gewöhnlich der Gemeindevorsteher vor oder die Gastgeberin bzw. Gastgeber, in dessen Haus sich die Christen versammelten.

Der vierte Eckpfeiler war - bei allem Sprechen miteinander - das Sprechen mit Gott. Beides gehörte zusammen. Das zur-Sprache-bringen des Lebens untereinander befähigte dazu, das Leben auch vor Gott im Gebet zur Sprache zu bringen. Das "Vater unser" zum Beispiel enthält die Bitten um die Gewährung dessen, was die Jüngerinnen und Jünger Jesu am dringendsten brauchen: das tägliche Brot, die Vergebung der Schuld, die Bewahrung vor Versuchungen, die Hoffnung auf das Kommen des vollendeten Reiches Gottes...

Wenn heute viel von der "Kirche im Koma" geredet wird, so kann die Krise durchaus fruchtbar gemeistert werden, wenn der Mut zu ursprünglich-biblischen Wegen wieder aufgebracht wird - mit den vier Eckpfeilern, die allerdings weittragende Konsequenzen notwendig machen. Das zweite Vatikanische Konzil, die Würzburger Synode und andere haben solche schon oft ins Gespräch zu bringen versucht. Wie die Kirchen heute, so waren die Urgemeinden auch nicht "ideal" und "harmonisch". Es gab Konflikte, Mißverständnisse, Streitigkeiten, Rückschläge, Enttäuschungen, Energieverschwendung und Kraftvergeudung. Solche "Wüstenerlebnisse" dienten dennoch dazu, sich in der Liebe zu bewähren. Denn glaubwürdig und zeugnishaft-prophetisch ist eigentlich nur die Art und Weise, wie Christen im Namen Jesu konstruktiv miteinander umgehen und Aufgaben gemeinsam angehen - auch in schweren Zeiten. "Bleibt niemand etwas schuldig; nur die Liebe schuldet ihr einander immer" (Röm 13,8). Die Liebe ist letztlich das einzige, was der Christenheit Dauer und Zukunft verleiht.


Letzte SeitenÄnderung: 08.03.2005.
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