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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Die "frohe Botschaft" verkünden: mit Pauken und Trompeten?

In Afrika habe ich einmal beobachtet, wie ein Staatspräsident eine Asphaltstraße mitten durch die Wüste bauen ließ. Mit Geldern der Entwicklungshilfe, versteht sich. Fachleute wußten: diese Straße ist das Überflüssigste, was man sich denken kann. Denn die Leute dort hatten keine Autos. Ein paar Hacken zum Bebauen ihrer Schollen und Holzkarren wären hilfreicher für sie gewesen. Dennoch waren die Einwohner mit der Straße sehr zufrieden. Denn ihr Staatspräsident hatte etwas fertiggebracht, was kein europäischer Gouverneur bisher erreicht hatte.

Imponiergehabe also auf der einen Seite - der Wille, sich im Einerlei des Alltags mit etwas "Höherem" identifizieren zu können, auf der anderen Seite. Beides ist dem Ursprung des Christentums und seinem Gründer fremd. Dennoch haben sich im Laufe der Jahrhunderte seltsame Gewohnheiten eingeschlichen. Sie werden so selbstverständlich gepflegt, dass man gar nicht mehr merkt, wie seltsam sie sind und nicht (mehr) gerade förderlich für das Verkünden von "frohen Botschaften".

Seit den Zeiten der mittelalterlichen Monarchen und Fürsten hat sich die Selbstverständlichkeit eingeschlichen, die "frohe Botschaft" zu verkünden, indem man sich seltsam-exotisch kleidet. Wenn man sich die Farben der Bischöfe und Kardinäle ansieht - ihre von den Medien detailliert beschriebenen roten, violetten oder schwarzen Talare und Strümpfe; ihre violetten oder rubinen Käppchen auf dem Hinterkopf; ihre Biretts mit und ohne Quaste; ihre Hüte aus Glanzfilz - , dann kommen unwillkürlich Fragen auf, die die Menschen bewegt, treibt und antreibt: in welchem Jahrhundert leben diese Herrschaften eigentlich? Vertreten sie etwas zentral Substantielles? Oder wollen sie sich vielleicht doch nur selbst darstellen und imponieren?

Gottfried Keller hat eine einschlägige Antwort auf solche Fragen gewußt: "Kleider machen Leute". Nach ihm wird die Kleiderfrage umso wichtiger und auffälliger herausgeputzt, je größer die persönlichen Unsicherheiten, psychische Labilität oder gar sachliche Inkompetenz sind. Exotische Auftritte unterstreichen vielfach Unfehlbarkeiten, Heiligkeiten, Untadeligkeiten, die keine sind. Sie machen auf eine subtile Weise unglaubwürdig, was angeblich so wichtig und unverzichtbar ist. Oder sie nähren den Verdacht, dass nicht viel sein kann, was auf Pomp und Äußerlichkeiten angewiesen zu sein scheint.

Neben der Kleiderfrage gibt es ebenso die "Wahrheitsfrage". In ihren abendländischen Breiten gilt es seit der griechischen Philosophie als ausgemacht, dass die "Wahrheitsfrage" eine entscheidend religiöse bzw. christliche Frage ist. Tatsächlich gibt es seit der frühesten Zeit Fachleute und Gelehrte, die sich damit beschäftigen. Was ist Wahrheit? Wer bestimmt ihre endgültige Richtigkeit? Wer definiert und dogmatisiert sie, so dass sie eine unfehlbar richtige Lehre werden kann?

Wenn das Fragen und Forschen dann zu einer "Lehre" geworden ist, schlagen die Gelehrten den Leuten die Ergebnisse ihres jahrzehntelangen Ringens um die Wahrheit um die Ohren. "Wie Putzlappen", dass heißt: ohne die Menschen in einen ähnlichen Prozess des Lernens und der Auseinandersetzung hinein zu holen. Angeblich ist dies nicht mehr möglich, weil "die Wahrheit" ja lehramtlich feststeht. Jedes unkompetente selbst-dabei-lernen-Wollen könnte zudem der Wahrheit zuwider laufen; es könnte Irrlehren und schismatische Aufmüpfigkeiten produzieren. So werden zweifelhafte bzw. recht uneinsichtige Behauptungen bzw. faktische Zustände "kirchenamtlich" aufgestellt und in die Welt gesetzt:

  • Die Behauptung, man könne Gott als Person definieren und seine Gedanken und Absichten schwarz auf weiß nach Hause tragen. Gott ist dann kein Gott der Geschichte mehr, der im biblischen Sinne einen Bund mit der Welt und Menschheit geschlossen hat und sich in "Zeichen der Zeit", in Lebenserfahrungen und Lebensereignissen zu erkennen gibt, sondern ein in amtlichen Sätzen und juridischen Festlegungen "verwalteter Gott".
  • Die Verödung des menschlichen Fragens und Suchens nach Gott als einem Gegenüber menschlicher Lebensgeschichte; letztlich die Zerstörung der "Bundesreligion", der "Freundschaftsreligion" Gottes mit den Menschen. Der in Büchern auswendig gelernte und in Liturgien gefeierte Gott wird letztlich ein lebensferner Gott, ein "deus absconditus", der nur über Ämter und Amtsinhaber zu erreichen ist. Denn die einen "haben" und "verkünden" ihn; die anderen haben sich danach auszurichten...

Letztlich stecken hinter solchen Ambitionen Haltungen, die der Evangelist Mathäus Jesus bereits in den Mund gelegt hat: Sie haben sich auf den Stuhl des Mose gesetzt..., sie schnüren schwere Lasten zusammen und legen sie den Menschen auf die Schultern, wollen aber selbst keinen Finger rühren...; sie machen sich die Gebetsriemen breit und die Quasten an ihren Gewändern lang; bei jedem Festmahl möchten sie den Ehrenplatz und die vordersten Sitze haben; auf den Straßen und Plätzen lassen sie sich gerne grüßen und von den Leuten Rabbi (= Meister) nennen... "Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen" (Mt. 23,1-12).

Ohne sich mit dem stets beschworenen und gefürchteten "Zeitgeist" zu verbünden bzw. ihm auf den Leim zu gehen, täten kirchliche Autoritäten gut daran, wie alle Menschen zu sein, indem sie zugeben: wir sind auch nur Menschen; wir machen in unseren Lebensbereichen genauso viele Dummheiten und Fehler, wie Verheiratete in der Ehe, wie Eltern bei der Kindererziehung, wie Putzfrauen im Speiselokal. Statt über das "objektiv Gute" zu reden, welches es zu repräsentieren und zu indoktrinieren gilt, sollten sie die Lebenswirklichkeiten der Menschen ernst nehmen und als ihre eigenen begreifen. Denn darin müssen alle immer wieder den Mut zu neuem Anfang aufbringen. Nur wenn man die Ehrlichkeit aufbringt zu sagen: "Heute haben wir Fehler begangen und eine Schlacht verloren", kann man sich glaubwürdig aufraffen und sagen: "Morgen müssen wir alle gemeinsam überzeugender werden, wenn es darum geht, Werte nicht nur zu beschwören, sondern auch zu erproben und zu leben".

Bei solchen Grundforderungen des Christentums gibt es kein "oben" und "unten" mehr, nicht Mann und Frau, kein Klerus und keine Laien. Bei solchen Forderungen sitzen alle in einem und demselben Boot.


Letzte SeitenÄnderung: 08.03.2005.
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