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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

3. Geglücktes Leben - käuflich erwerben kann man es nicht.

Deutsche Welle, 30. Sept. 1995.

Verehrte Hörerinnen und Hörer.

Deutschland gilt in vielen Ländern der Welt, vor allem in den ärmeren Staaten, als Spitzenreiter in Reichtum und Wohlstand. So sehr, daß Helmut Kohl vor einiger Zeit die Bevölkerung dringend gewarnt hat, das eigene Land als einen gigantischen Freizeitpark mißzuverstehen - eine Bemerkung, die ihm viel Schelte eingebracht hat.

Warum eigentlich? Sind die Deutschen doch nicht so glücklich, wie es Außenstehenden erscheint? Aus der Distanz heraus gehört Deutschland auf jeden Fall zu den wohlhabendsten Nationen der Welt. Optimale Sozialversicherung, beste Gesundheitsversorgung, hervorragende Bildungsmöglichkeiten, Rechtssicherheit für jeden und für jede. Es gibt keine Bürgerkriege und kein Arbeitsloser verhungert. Korruption in Wirtschaft, Politik und Verwaltung scheinen, gemessen an anderen Ländern, recht unerheblich. Die Deutschen stehen in dem Ruf, daß es ihnen gelingt, mit den schwierigsten Situationen fertig zu werden. Die Wiedervereinigung ist ihnen wie eine reife Frucht in den Schoß gefallen...

Insofern müßten die Deutschen das glücklichste Volk der Welt sein - und seit 50 Jahren Vorbild für viele andere. Trotzdem ist es erstaunlich, daß Wertestudien auch andere Facetten dieser Außenansicht ausfindig gemacht haben. In der sehr pluralistisch gewordenen Gesellschaft schwanken die Menschen dauernd zwischen unterschiedlichen Wertehaltungen. Sie müssen sich in verschiedenen gesellschaftlichen Rollen zurechtfinden, was starke Spannungen verursacht. Streßgebeutelt, werden sie leicht hin- und hergerissene "Pendler" zwischen oftmals sogar konträren Gefühlswelten. Viele schwanken zwischen "himmelhoch jauchzend" und "zu Tode betrübt". Wer zudem materiell zufrieden gestellt und sozial abgesichert ist, kann an keinen Fortschritt und keine bessere Zukunft, eigentlich an nichts mehr glauben und auf nichts mehr hoffen. Lethargie und Perspektivlosigkeit breiten sich aus, die leicht zum Leerlauf und zur Lebens-Leere führen...

Was in den Wohlstandsgesellschaften das größte Problem zu sein scheint, ist die Unfähigkeit zur eigenen Personwerdung. Die Menschen identifizieren sich zu sehr mit ihrem Wohlstand. Ihre Identität ist eine materiell geborgte. Sie findet ihr scheinbares Gleichgewicht, wenn die "Sache" mit dem Geldbeutel stimmt und mit dem Auto als Standessymbol. Das persönliche Selbstwertgefühl wird allzu leicht in dem Augenblick erschüttert, in dem der eine mehr zu haben scheint und sich den größeren Komfort zuzulegen imstande ist als der andere. Die Angst, von anderen im Wettlauf mit dem Wohlstand und der Karriere abgehängt zu werden, wird zur beherrschenden Grundstimmung. Damit wächst die Unfähigkeit, Frustrationen und Rückschläge wegzustecken und ein Selbstvertrauen zu entwickeln, welches nicht von Äußerlichkeiten bestimmt wird, sondern nur aus der Kraft des Inneren wachsen kann.

Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber an seiner Seele Schaden leidet (vgl. Mt 16,26)? Diese Frage der heiligen Schrift wendet sich an Menschen, die offensichtlich die Not des Wohlstands zu spüren bekommen haben. Denn das Leben ist mehr als Essen und Trinken, als Haben und Besitzen. Davon spricht auch das Evangelium am morgigen Sonntag. Der reiche Mann, der sich in Purpur und feines Leinen zu kleiden vermochte und der das Leben Tag für Tag in vollen Zügen genoß - er war unfähig, ein menschliches Mitgefühl zu entwickeln für die Not des armen Mannes vor seiner Tür. Vermutlich hätte er sein Verhalten auch dann nicht geändert, wenn man ihm erklärt hätte, daß der Bettler ohne eigenes Verschulden in seine Not geraten war. Sein eigenes Ich war offensichtlich so identisch geworden mit seinem Reichtum, daß er jedes Teilen, jede Wohltätigkeit, jeden Akt der Barmherzigkeit als Selbstwertverlust und als Ich-Verarmung hätte empfinden müssen.

Das Evangelium zieht die Perspektiven beider Lebensgeschichten weiter in jene andere Welt hinein, die wir die Jenseitigkeit Gottes nennen. Der Arme, so heißt es, wurde von den Engeln zu Abraham getragen. Nicht die Tatsache der Armut war der eigentliche Grund für seine Erlösung, sondern seine Sehnsucht, seine Hoffnung, sein Ausgerichtetbleiben auf jenen ganz Anderen, der endgültig zu erlösen vermag. Dem reichen Mann dagegen waren diese entscheidenden Triebkräfte der Seele abhanden gekommen. Im Kerker der Äußerlichkeiten lebend, hatte er es versäumt, Mensch zu werden - jenes Personsein zu entwickeln, das jedem das Lebensgefühl der Einmaligkeit und der Unersetzbarkeit gibt. Zudem jenes SELBSTWERT-GEFÜHL, welches das Teilen und Mitteilen nicht mehr als Verarmung empfindet, sondern als Bereicherung und innere Beglückung. Die Tür zu einem solchen Leben ist sehr eng, sagt das Evangelium (vgl. Lk 13,22-3o). Und doch ist es jedes Menschen Aufgabe, die Tür zum geglückten Leben zu finden und aufzustoßen. Käuflich erwerben jedenfalls, kann man sie nicht.


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