www.fritz-koester.de
Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Geschichte für Kommunionkinder

Herbst 1997



Junge Eltern kommen zu mir. Sie sind ein Stück ratlos und verunsichert. Sie stellen sich vor als die wenigen Eltern, die sich bereit erklärt haben, als "Katechetinnen" und "Katecheten" die Erstkommunion ihrer Kinder vorzubereiten. Zweimal im Monat treffen sie sich mit ihrem Pfarrer. Dieser hat ihnen am Anfang eine ziemlich dicke Vorbereitungsmappe in die Hand gedrückt. Ungefähr 100 gedruckte Seiten. Bei den Treffen "liest er uns eine oder zwei Lerneinheiten vor". So die Auskunft der Eltern. Zu mehr "Vorbereitung" reicht bei ihm die Zeit offensichtlich auch nicht. Anschließend sollen sie in die Kindergruppen gehen. Was tun?

Ihnen dieselben Seiten vorlesen? Wie etwas den Kindern vermitteln, was sie selbst nicht richtig verstanden haben? Zudem fangen die Kinder schon an, sich zu langweilen. Wenn es da am Tag der ersten Kommunion die Geschenke nicht gäbe... Schon jetzt scheint alles angelegt zu sein auf einen Erstkommuniontag des "Auf-Wiedersehens" zur Firmung oder zur kirchlichen Trauung.

Es dauert eine Zeitlang, bis die Eltern mir ihre Ratlosigkeit deutlich gemacht haben. Schließlich wollen sie nicht unbedingt als "dumm" dastehen. Zählen sie doch selbst seit 20-30 Jahren zu den "praktizierenden" Katholiken. Sie gehen selbst auch regelmäßig zur Kommunion. Und nun sehen sie sich plötzlich in der Situation, etwas weitergeben zu müssen, was ihnen so selbstverständlich geworden war... Ich stelle mir die Jünger auf dem Weg mit Jesus durch Galiläa vor. Für jedes Thema, welches Jesus mit ihnen bespricht, haben sie eine dicke Mappe unter dem Arm: für das Thema Abendmahl, Sündenvergebung, Krankenbesuche, Werke der Barmherzigkeit... Ein wenig grotesk ist die Situation schon, die da heutigen "Jüngerinnen" und "Jüngern" zugemutet wird.

 Schließlich lasse ich mir eine der Mappen geben. Ich will sie mir selbst anschauen. Beim Durchblättern und Lesen finde ich sie sehr lehrreich, theologisch ziemlich anspruchsvoll und mit viel "Stoff" versehen, aber auch mit vielen Beispielen und Anregungen. Aber im Blick auf die Kinder und deren Eltern, unter dem Druck des herannahenden "schönsten Tages des Lebens", dennoch verwirrend. Man sieht sozusagen den Wald vor lauter Bäumen nicht...

Ich verspreche den Eltern, ihnen eine Geschichte zu schreiben. Diese müssen alle Kinder verstehen und erzählen lernen. Und die gemeinsamen Treffen sollen dazu dienen, Einzelabschnitte der Geschichte mit gemeinsamen Unternehmungen zu bereichern. Z.B. gemeinsame  Weihnachtsvorbereitung durch Singen, Backen, Spielen und Basteln; Besuch einer Kinderkrankenstation; den Kranken eine Freude machen oder Anregungen aus der Kommunionmappe...

Die Geschichte lautet folgendermaßen: "Es war vor sehr langer Zeit. Schon fast 2000 Jahre ist es her. Da lebte ein Mann. Er hieß Jesus von Nazareth. In Betlehem wurde er geboren. Wir feiern heute noch jedes Jahr seinen Geburtstag. An Weihnachten, wenn das Christkind kommt, wenn alle Leute besonders freundlich und friedlich miteinander umgehen, wenn sie sich Geschenke schenken, die Krippe und den Weihnachtbaum festlich schmücken. Die meisten gehen dann abends oder in der Nacht in die Kirche und singen Weihnachtslieder, z.B. Stille Nacht, heilige Nacht. Viele denken dann auch an ihren eigenen Geburtstag. Denn Weihnachten ist eigentlich auch der Geburtstag aller Christen.

Wäre Christus nicht geboren, gäbe es keine Christen. Der Mann, über den wir hier erzählen, ging mit sehr offenen Augen und Ohren durch die Welt, durch sein Vaterland, welches Israel heißt. Eines Tages sah er, wie große und starke Leute die kleineren und schwächeren verachteten und vertrieben. Er sah Kinder und Erwachsene miteinander streiten. Sie führten sogar Kriege gegeneinander und schossen sich mit Pfeilen und Steinschleudern tot. Dabei richteten sie großen Schaden an. Kinder verloren ihre Eltern und die Mütter ihre Männer.

Jesus sagte zu den Leuten: Wenn ihr so weitermacht, wird eines Tages die Welt von Kriegen verwüstet. Die Menschen werden sich immer mehr hassen und töten. Es wird keinen Frieden geben, nur noch Elend und Leid. Macht deshalb Schluß damit! Vertragt euch jedes Mal, wenn ihr euch gestritten habt! Jesus sah noch andere Leute: Kranke Kinder und Erwachsene, die kein Arzt mehr heilen konnte. Er sah Arme, die kaum etwas zum Anziehen hatten. Er sah Hungrige, denen niemand etwas zu essen gab. Er sah Menschen, die dachten nur an sich: an ihr Geld, ihre Häuser, ihre Felder und Schafherden, an ihre Schulausbildung und ihren reichlich gedeckten Tisch. Es kümmerte sie nicht, daß andere dabei hungern mußten und immer ärmer wurden. Sie hörten die Schreie der Kranken und Elenden nicht. Sie wollten sie nicht hören. Sie hielten sich Ohren und Augen zu, weil es so bequemer für sie war.

Darüber wurde Jesus sehr zornig. Er sammelte gute Leute um sich: Große und Kleine, Arme und Reiche, Männer und Frauen. Er sagte zu ihnen: Folgt meinem Beispiel. Tut, was ich tue. Lernt es, nach jedem Streit euch wieder zu vertragen. Nehmt Rücksicht aufeinander. Verzeiht euch nach jedem Unrecht, welches ihr euch zufügt. Nach jedem Kampf und Krieg schließt Frieden miteinander. Wenn ihr das Gute tut und das Böse meidet; wenn ihr Kranke besucht und ihnen zum Gesundwerden helft; wenn ihr den Hungrigen und Armen Kleidung und Nahrung gebt; wenn ihr helft, das Böse bei euch zu überwinden, dann bin ich immer bei euch. Bis ans Ende der Welt werde ich bei euch bleiben. Denn es sind ja meine Gedanken, die ihr dann denkt; es sind ja meine Worte, die ihr sprecht; es sind ja meine Taten, die ihr tut.

Es sind Gottes heilsame Wege, die ihr geht. So ist Gott immer bei euch, mit seiner Kraft und seinem Licht. Gott wird im Leben euer ständiger Partner und Begleiter sein. Ihr braucht keine Angst mehr zu haben. Eines Tages haben böse Menschen ihn umgebracht. Sie haben ihn wie einen Verbrecher ans Kreuz geschlagen. Denn er hatte Dinge gesagt und getan, die den Mächtigen und sogar den Frommen nicht paßten.

Diese wollten nämlich so weitermachen wie bisher. Sie wollten nur an sich denken, an ihren eigenen Vorteil, an ihre Macht und ihren Reichtum. Weil Jesus ihnen sagte, sie sollten Liebe zu allen haben, nicht nur zu Familienangehörigen, Freunden und Verwandten, schlugen sie ihn ans Kreuz. Wir denken jedes Jahr an seinen Tod.

Jesus starb am Karfreitag, zwei Tage vor Ostern. Am dritten Tag ist er von den Toten auferstanden. Mitten in seinem Tod hat Gott selbst eingegriffen. Gott hat gezeigt, daß er den Tod, die schwerste Krankheit des Menschen, noch heilen kann. Jesus ist so fortgegangen in das Reich seines Vaters, wo es keine Krankheit mehr gibt, keinen Streit und keine Kriege.

Wir wissen nicht, wo der Himmel sich befindet. Vielleicht weit oben in den Sternen, die unendlich weit von der Erde entfernt sind. Von keiner Rakete erreichbar, da ist der Himmel. Wir wissen aber, daß wir den Himmel schon jetzt auf dieser Erde vorbereiten können. Durch unser gutes Leben. Wir glauben auch, daß Gott unser Partner dabei ist.

Aber bevor Jesus starb, hat er noch einmal seine Jünger um sich versammelt. Im Saal von Jerusalem hat er Abschied von ihnen genommen. Er hat seinen Anhängern gesagt: Sagt allen Leuten weiter, daß ich bei euch bleiben werde, wenn ihr tut, was ich getan habe. Ich bleibe bei euch: mit meiner Kraft und meiner Stärke. Dann nahm er das Brot und den Kelch. Er hat alle aufgefordert, davon zu essen und zu trinken. Und er hat gesagt: Immer, wenn ihr dieses Brot eßt und aus diesem Kelch trinkt, sollt ihr euch daran erinnern: Ich bin bei Euch! Auf mich könnt Ihr Euch verlassen, auch dann, wenn Ihr traurig und müde seid. Ich bin das Brot für das Leben der Welt... Seitdem essen die Christen in der Kirche immer dieses Brot des Lebens.

Und immer bereiten sich Kinder auf den Tag ihrer ersten Kommunion vor. Es soll ein Tag der Freude und der Dankbarkeit sein, des Feierns und der Geschenke. Denn Gott ist immer mitten unter uns. Nur dürfen wir nie aufhören zu lernen, so zu denken und zu handeln, wie Jesus gedacht und gehandelt hat. Wenn wir versuchen, so zu sein wie er, können wir zufrieden und innerlich stark fürs Leben werden. Auch wenn die Schule, der Beruf, der Alltag manchmal schwierig und traurig sind - Gott will durch uns die Welt friedlicher und schöner machen. Und wir werden selbst dabei tüchtig und froh". -

Die hier versuchte Geschichte ist keine gute Geschichte. Sie könnte viel interessanter und kindesgemäßer geschrieben sein. Auch Eltern und Erwachsene müßten sie gerne lesen und erzählen können. Sie ist eigentlich nur ein Versuch, das Wesentliche, auf das es ankommt, zur Sprache zu bringen. Sie könnte eher als Anregung für möglichst viele Erzähler und Schreiber, für Künstler und Schriftsteller dienen, ihrerseits das Zentrale der Botschaft neu zu schreiben und für alle verständlich zu machen. Jesus hat damals ja auch eine Sprache gesprochen, die die einfachen und ungebildeten Leute sogar besser verstanden haben als die Schriftgelehrten und die führende Schicht, der die Ereignisse um Jesus von Anfang an als suspekt und verdächtig erschienen.

Die tödlichen Konsequenzen für das Leben Jesu haben sich, wie wir heute wissen, auch bald herausgestellt. Wer auch immer die obige Geschichte neu zu schreiben unternimmt; für welche Bilder, Worte und Beispiele er/sie sich auch immer entscheidet - die Geschichte müßte folgende inhaltliche Schwerpunkte enthalten:1. Sie muß deutlich machen, daß sich alles im Christentum um eine Person handelt, die es kennenzulernen gilt. Christus hat auf unwahrscheinliche und alle Gewohnheiten sprengende Weise an den Menschen heilsam und erlösend gehandelt. Als Sohn und Gesandter Gottes ist er einen Weg gegangen und hat ein Leben geführt, welches für alle Christen exemplarisch bleibt. Im Blick auf das "Schon-Jetzt" des Reiches Gottes lautet sein Beispiel: mit Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Maß heilsam und erlösend leben und handeln lernen!

Sie muß deutlich machen, daß christliche Existenz nichts anderes ist als "Nachfolge Christi", d.h. es kommt entscheidend darauf an, daß durch Christen die heilsamen und erlösenden Worte und Taten Jesu weitergehen. Deshalb leben Christen auch in Beziehung, im "Bund" mit Christus. Sie versuchen ein Leben lang, ihn zu verstehen, ihm in eigenen Lebenslagen auf der Spur zu bleiben. Sie glauben an das wirklich für die Menschheit Heilsame und Erlösende seiner Worte und Taten. Deshalb versuchen sie auch immer, diesen Glauben gegenwärtig zu setzen und in der eigenen Lebenssituation "Fleisch und Blut" werden zu lassen.

Wenn dies auch noch so "fragmentarisch" und menschlich begrenzt bleibt - es ist besser als bloßes Reden und Diskutieren darüber. Denn bloße Worte blenden und täuschen allzu oft; Taten leuchten und überzeugen.3. Sie muß deutlich machen, daß der gekreuzigte und auferstandene Christus, treu seiner eigenen Verheißung, bei uns bleibt bis ans Ende der Welt. Seine Gegenwart und Nähe kann am meisten gewährleistet und erfahren werden dadurch, daß Christi Worte und Taten immer wieder "Mensch" werden, d.h. Praxis der Liebe, der Kommunikation und des Miteinanders.

Ein Kind in seinem Namen aufnehmen; Kranke besuchen; Sterbende begleiten; mit den Armen sein Brot teilen; den Zurückgebliebenen eine Chance geben und den Gescheiterten eine neue Zukunft eröffnen - an solchen Beispielen muß die "Sakramentalität des Lebens" wieder neu entdeckt und gelebt werden. Christus ist ja nicht nur da, wenn ein Priester die Wandlungsworte spricht oder eines der sieben Sakramente spendet. Im Gegenteil: die Sakramente der Kirche werden erst dann wie aus einem luftleeren Raum befreit, wenn die Sakramentalität des Lebens diese buchstäblich wieder mit Leben erfüllt. Gott erweist sich mit seiner Huld und Kraft als Lebensbegleiter, als Lebenspartner, als einer, der immer da ist, wenn Menschen sich in seinem Namen versammeln; der besonders auch in Zeiten der Not, des Elends, der Krisen und Lebenskatastrophen Kraft und neue Orientierung schenkt.4. Sie muß deutlich machen, daß es bei den zentralen Aussagen dieser Botschaft keinen Unterschied gibt zwischen Mann und Frau, groß und klein, Heide oder Christ... Alle vermögen auf unterschiedliche Weise Gottes Wege zu gehen und Gottes Taten zu tun.

Solche (wachsende) Erkenntnis einfacher Leute und gläubiger Laien machen der herkömmlichen Kirchenverfaßtheit das Leben schwer. Diese gleicht immer mehr einem in der Wüste gebauten Schiff, welches bei allem Glanz und bei aller Glorie fahruntüchtig ist und für viele sinnlos wird. Die Kirche wird erst dann wieder eine Bedeutung bekommen, wenn sie mit allen zusammen wieder eine "Nachfolge-Gemeinschaft" wird.

Da Gott immer da ist, wo Menschen leben, lieben, hoffen und bangen, muß sie ihre Ämter und Dienste so organisieren, daß die Charismen der vielen (statt die Seilschaften der wenigen) und das "Wir gemeinsam vor Gott" zum Tragen kommt. Denn auch Gott ist ein "Gott-mit-uns" und nicht einer "von oben nach unten". Die Menschen mit ihren Gaben und Grenzen verfehlen und ignorieren heißt fortan auch immer: Gott zu verfehlen und zu ignorieren. Und jede Konfession mit einem derartigen Maß an Ignoranz, wenn auch auf hohem theologischen Niveau, verfehlt ihre Zeit und ihre eigene Zukunft.

Die Devise muß lauten: Zuerst die Nachfolge Christi im "Jetzt" der Gottesnähe durch das Tun der Wahrheit; alles andere wird dann hinzugegeben.


Letzte SeitenÄnderung: 08.03.2005.
Bitte beachten Sie meine Nutzungsbedingungen.