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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Betr.: "Der Gott des Lebens und die Schlagworte" und: "Vorsicht vor dem Christentum"

PF.Nr. 20,22.Okt.99, 37 u. 46

Was hier zur Sache gebracht wird und was die großen Vorbehalte gegenüber dem Christentum gerade bei mitdenkenden und mündigen Christen verursacht, ist die Angst vor dem Missbrauch der geistigen Macht einer Religion und damit der Manipulierbarkeit religiösen Denkens und Empfindens. Wie Menschen von politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Kolossen in Schach gehalten werden können, so auch von religiösen.

Wäre das Christentum seit Konstantin nicht so mächtig geworden, vielleicht wäre es dann "Christentum" geblieben! Ein Ausdruck dieser Macht ist die fixe Idee von der "wahren Lehre". Nur wenige Hirten und theologische Fachleute verstehen etwas davon. Vom Verstehenshorizont und der Rezeptionsfähigkeit der "normalen Christen", vom "sensus fidelium", ist schon lange keine Rede mehr. Diesen bleibt eigentlich nichts anderes übrig, als "gläubig-gehorsam" (möglichst blind) nachzuvollziehen, was da gelehrt wird und was es da zu glauben gibt. Oder eben aus dem Verband auszuscheren, wie es viele tun.

Weil die Menschen mit ihren täglichen Sorgen und Plagen "Glauben" ganz anders verstehen als die akademische Schicht, nämlich lebensnah und erfahrungsbezogen, wollen sie immer weniger wissen von der "wahren Lehre" (die übrigens zu viele andere "wahre Lehren" auf den Plan gerufen und damit noch mehr Verwirrungen in der Menschheit gestiftet hat, als es sie ohnehin schon gibt).

Die Frage überhaupt ist, ob sich die Konfessionen mit ihren "wahren Lehren" nicht zum Gegenteil dessen entwickelt haben, was das Christentum ist: nämlich eine Aufforderung zum "wahren Leben" nach dem Vorbild Jesu, eine Schule des Leben- und Liebenlernens. Dazu bedarf es weniger der klugen und gescheiten theologischen Oberschicht und der mächtigen Amtsinhaber, als vielmehr der Menschen "guten Willlens und Seiner Huld", die nach Gottes Weisungen Leben zu meistern und zu gestalten versuchen - allen Widerwärtigkeiten und Rückschlägen zum Trotz.

Wer dagegen vom konkreten Leben und den existentiellen Nöten des Glaubens nichts versteht - für den erweisen sich "Hirten" und "religiöse Lehrer" leicht als "blinde Blindenführer", mit denen niemand mehr in die Grube fallen möchte (wie es leider allzu häufig geschehen ist, vgl.Mt.15,16). Und als "Hirten", die wie Räuber und Diebe durch die Hintertür in den Schafstall gelangt sind (vgl.Joh.10). Die Menschen mit ihren "christlichen" Erfahrungen der Vergangenheit sind heute sehr sensibel und allergisch geworden gegenüber Hirten, denen an den "Schafen" nichts zu liegen scheint - die hingegen ihre "amtlichen" Eitelkeiten suchen und sich im blinden Eifer behaupten. Newman hat schon beklagt: von solchen Hirten ist nichts zu erwarten. Und "der Herde" bleibt nichts anderes übrig, als sich auf ihren eigenen Weg zu machen. Wohin er führt - darauf darf das nächste Jahrhundert gespannt sein.


Letzte SeitenÄnderung: 08.03.2005.
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