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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Lebensfragen ohne Antwort (?).

Bayerischer Rundfunk: 23.März 1996

Verehrte Hörerinnen und Hörer.

Es gibt Fragen, die man ein ganzes Leben lang stellen muß, ohne je eine endgültige Antwort darauf zu finden. Was ist das Glück? Denn richtig glücklich werden wir eigentlich nie! Welches ist der Sinn des Lebens?

Genau weiß ich es nicht! Woher kommen wir, wohin gehen wir, was ist der Mensch? Fragen, die man immer nur aushalten, aber nie richtig beantworten kann. Man muß mit solchen halb gelösten, halb ungelösten Rätseln leben, vielleicht auch ohne Lösung mit ihnen sterben können.

Im Benediktiner-Verlag St. Ottilien ist vor einiger Zeit ein Buch erschienen mit dem bezeichnenden Untertitel: Drei Muskeln braucht der Mensch... Da ist von Muskeln die Rede, die nicht zum Körper, sondern zur Seele, zum menschlichen Geist gehören. Wie die Muskeln des Körpers des dauernden Trainings bedürfen, um nicht schlapp, kraftlos und untauglich zu werden, so auch die Muskeln unserer Seele, unseres Geistes.

Der eine Muskel der Seele erinnert uns immer wieder an unser eigenes Ich, an unsere Selbst- und Personwerdung. Denn in welchem Menschen steckt nicht der Drang, sie selbst/ er selbst werden zu wollen? Wer möchte nicht seine eigene Persönlichkeit leben und zur Entfaltung bringen können? Dabei handelt es sich um ein wachsendes und werdendes, aber auch krisengeschütteltes Ich. Es gibt wechselnde Pfade, ein ewiges Auf und Ab, ein Oben und Unten, ein Stirb und Werde. Nur wer die Wogen- und Wellenbewegung des Lebens auszuhalten imstande ist, kann sich selbst finden, zu sich selbst Ja sagen lernen - zu allen Möglichkeiten und Grenzen, die jedem Ich anhaften wie Blätter an den Bäumen.

Der zweite Muskel der Seele hat es mit dem Du des anderen zu tun. Auch jeder Mitmensch ist ein wachsendes und werdendes, krisengeschütteltes Du. Wer den Partner, den Lebensgefährten, die Freundin oder den Freund mit allem Auf und Nieder auszuhalten lernt, wird schließlich fähig zu gelebten Beziehungen, zu Ehe und Familie, zu bereichernder Gemeinschaft und wechselseitiger Solidarität. Jede Freundschaft ist ein stets anzustrebendes, aber nie ganz zu Ende geführtes Unter- nehmen.

Der dritte Muskel fragt nach dem gemeinsamen Ursprung des Lebens, nach dem Woher und Wohin aller Menschen, letztlich nach Gott. Aber auch auf diese Fragen gibt es nie endgültige Antworten. Man muß ihnen ein Leben lang auf der Spur bleiben. Man muß auch Gott auf der Spur bleiben. Nur im tagtäglichen Gehen des Lebensweges, in bewußten Schritten, erschließt sich allmählich, bruchstückhaft und streckenweise der Sinn des Lebens, niemals ganz. Auch Gott offenbart sich als ein Gott des Weges in unseren menschlichen Lebensentwürfen, die von Geborgenheit, Liebe, Treue, Freude, Krankheit oder Leid geprägt sind. Er zeigt seine Nähe nie in schönen Worten, in frommen Sätzen oder theologisch gescheiten Definitionen,

sondern in unseren Sehnsüchten, Ahnungen und Hoffnungen erweist er sich als die Erlösung dessen, was menschlich oft so sinnlos und lebensleer erscheint.

Die Christenheit feiert jedes Jahr die Fastenzeit. Sie hat etwas mit den drei Kräften der Seele zu tun. Diese müssen ständig im Training bleiben. Man darf niemals aufhören zu fragen und zu suchen. Dabei sind die offen bleibenden Fragen sinnstiftender als die fertigen Antworten, denen wir allzu gerne auf den Leim gehen. Der heilige Augustinus hat einmal das Grundgefühl seines Lebens auf die Formel gebracht: Ich werde von jemandem gedacht, erwogen, angesprochen, geliebt und gehalten; ich werde zu einem persönlich verantworten Leben gerufen und beauftragt - also bin ich.

Gott ist also nicht das Ergebnis abstrakter Gedankengänge; er ist nicht die Schlußfolgerung logischen Denkens. Ich selbst bin es auch nicht. Jede wesentliche und
entscheidende Erkenntnis über Gott und uns selbst ist wie ein langsam wachsender, geheimnisvoller Vorgang - sozusagen das Ergebnis und die Summe vieler einschneidender und tiefer Erfahrungen mitten im Leben. Gott und ich selber sind immer dann anwesend, wenn wir im Tiefsten unserer Existenz getroffen, wenn wir den letzten Fragen des Daseins ausgesetzt sind. Gott ist sozusagen das Zentrum unserer Liebesfähigekit und unseres Leidens, die Mitte unserer Treue und unseres Verlangens nach Heimat und Geborgenheit, die Tiefendimension unserer Seele. Der Tod und die Auferstehung Jesu sind das endgültige Sich-Zeigen Gottes wie die end- gültige Offenbarung unseres eigenen Selbst.


Letzte SeitenÄnderung: 08.03.2005.
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