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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

"Der Geist weht, wo er will -
Gedanken zu einem christlichen Fest"

23. Nov. 2000 (Bonn)

1. Pfingsten hat mit dem Glauben an den Heiligen Geist etwas zu tun wie auch an die "Gründung der Kirche" in Jerusalem. Seine tiefen Wurzeln und Ursprünge hat der Glaube an den Heiligen Geist jedoch schon in archaischen (Natur-) Religionen. Er besteht in einem uralten menschlichen Ahnen, Hoffen, Vermuten, Sich-Sehnen, Erfahren..., daß hinter allem Geschehen in der Welt, in der Natur, in den Schicksalsschlägen des Lebens eine wirksame, d.h. Wirkungen verursachende Macht steht. Sie ist die Ursache oder Mit-Ursache von allem. Schöpfungsmythen, Gedichte, Erzählungen belegen diesen Glauben, der sich in Höhlenzeichnungen, Gedenkstätten, im Ahnenkult manifestiert bzw. seine soziale Ausdruckskraft entfaltet. Er artikuliert sich zu bestimmten Hoch-Zeiten, in Lebenskrisen, Schicksalsschlägen usw.

2. Der Glaube an den Heiligen Geist findet im AT seine "Höherentwicklung" im Glauben an den Heiligen Geist als identisch mit einer göttlichen Person. Er be- wirkt das Geschehen in der Schöpfung (Evolution). Als schöpferisch Tätiger schafft er das Sein aus dem Nichts. Er bewahrt es vor dem Rückfall ins Nichts. Er erhält alles Geschaffene, treibt es zur Blüte und Vollendung. Der Geist Gottes ist ein ständig erhaltender und schöpferischer Geist. Wäre er nicht, würde das Geschaffene ins Nichts zurückfallen. Wo das Geschaffene "Unerlöstheiten" wie Krankheiten, Leiden, Katastrophen, Niederlagen... aufweist, geschieht dies nicht, weil Gott etwas tut oder "zuläßt", sondern weil er (zeitweilig) aufhört, etwas zu tun. Alles Leiden und Unerlöste bestehen darin, daß die Menschheit konfrontiert wird mit ihrem eigentlichen Ist- Zustand. Im Leiden erfährt die unerlöste Welt, wo sie "dran" ist mit sich selbst.

3. Im NT und vor allem bei Paulus ist der Heilige Geist derjenige, der die Menschen nicht nur ins Dasein treten läßt, sondern der sie ausstattet mit Gaben und Charismen. Deshalb besteht die Würde des Menschen in seiner Einmaligkeit und in der lebenslangen Verpflichtung, sein Ur-Eigenes und Ur-Persönliches in Freiheit und Verantwortung zur Entfaltung zu bringen. Wo jede/r Unersetzbare versagt, entsteht ein "Loch" im Schöpfungs- und Erlösungsgeschehen Gottes mit der Welt. Jedes Geschaffene bleibt zudem ergänzungsbedürftig durch die Gabe und Gnade der anderen. Nicht christlicher Individualismus ist gefragt, sondern das "Alle gemeinsam vor Gott". Der Sinn und Auftrag einer christlichen Gemeinde bestehen darin, dem Einzelnen zu seiner Einmaligkeit bzw. Person-Werdung zu verhelfen. Die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch, ist die lebendige Gemeinschaft.

4. In der pfingstlichen Zeit des Heiligen Geistes kann sich jeder rationale theologische Satz-Glaube ("Ich glaube an den Heiligen Geist") schnell als lebensfern und lebensleer erweisen. Die Rede über den Hl. Geist muß stets schöpfungs- und menschenbezogen bleiben (als "Spurensuche" im Schöpfungsgeschehen und in Lebensbiographien). Theoretisch "gelernter" und "definierter" Glaube unterliegt der Gefahr, daß die ursprünglich hellwache Kraft des Gott-Ahnens, des Gott-Suchens, des Gott-Erhoffens und damit Gott-Begegnens in der Konkretheit des Lebens eher verlorengeht als daß sie gestärkt wird. Mit Pfingsten bricht immer eine Epoche neuen Lebens an. Sie ist gekennzeichnet durch die Preisgabe der menschlichen Ambition, Gott intellektuell erfassen zu können bzw. zu wollen. Ihn im Gegensatz dazu mit "Gefühl" und "Feeling" erfassen zu wollen, ist sicher die falsche Alternative. Gottes Wirken in der Natur und Schöpfung nachzuspüren; ihm in der eigenen Lebensgeschichte wie im lebendigen Austausch mit anderen "auf der Spur" zu bleiben - das hat sich schon bei vielen als "Gnade des gegenwärtigen Augenblicks" erwiesen. Der Geist der Wahrheit, in konkreten Lebenslagen erahnt und erhofft, erweist sich immer als ein persönliches Betroffensein, als ein "Angerührtsein von einer anderen Welt" (E.Stein).

5. Pfingsten zu begreifen und zu verstehen, bedeutet einen mehrfachen Imperativ:

5.1: Besinne dich auf Zeiten in deiner eigenen Lebenswelt (und spreche mit anderen
darüber!), in denen dir eine Ahnung, Hoffnung, Sehnsucht... aufgegangen ist vom Da-Sein, vom Wirken Gottes.

5.2: Besinne dich auf Zeiten besonderer Gottverlassenheit, Gottesfinsternis, Gotteszweifel... Sie können sich als Stachel zu einem tieferen Begreifen und Verstehen von Ereignissen erweisen, die du nicht leicht ungeschehen machen möchtest.

5.3: Besinne dich und sammle alte und moderne Gebets-, Lieder- und Dichtertexte, oder auch Bilder und Photos, in denen Menschen über ihre eigenen hellen und dunklen (Gottes) Erfahrungen berichten bzw. diese "besingen" oder beklagen. Suche dich damit zu identifizieren oder auch zu distanzieren, um so dein Eigenes zu finden. Wer so seine ureigene (religiöse) Sprache findet, kann auch andere in ihrer fremden ureigenen Sprache verstehen, wird gemeinschafts- und gemeindefähig (vgl. Apg. 2,1-13).


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