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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

1. Das ewige Wagnis des Menschen mit Gott.

Deutsche Welle, 02. Sept. 1995.

Verehrte Hörerinnen und Hörer.

Neulich machte ich in einem Buchladen eine seltene Entdeckung. Da waren in einem Regal mehrere dutzend Bücher zusammengetragen über das Thema: "Gebete der Menschheit". Ich fing an zu stöbern und zu blättern. Ich fand überraschende und wunderbare Gedanken aus dem Christentum und Judentum, aus dem Islam und dem alten Griechenland, aus Sumer und Babylon, aus Ägypten und Indien, aus China und Mexiko, aus Japan und Sibirien, aus Afrika und dem archaischen Rom.

Manche waren uralt. Sie reichten weit in die vorchristliche Geschichte zurück. Aber die Lebenserfahrungen, die in ihnen zum Ausdruck kamen und die Art und Weise, wie damit umgegangen wurde, hatten eine verblüffende Ähnlichkeit. Menschen sprachen von ihren Nöten und Ängsten, von ihren Hoffnungen und Erwartungen, von ihren Enttäuschungen und Sehnsüchten. Immer spiegelten sie irgendwelche Grenzsituationen wider, in denen sie sich befanden. In Zeiten der Verzweiflung, des Hungers, der Krankheit und im Angesicht des Todes wandten sie sich an Gott, an den höchsten Geist, an den größten Ahnen oder an die Mutter-Göttin, von denen sie sich Hilfe und Kraft zur Lebensbewältigung versprachen.

Wie kommt es eigentlich, daß man angesichts solcher Befunde von einem religiösen Genie der Menschheit sprechen kann - bis in unser technisches Zeitalter hinein? Wie kommt es, daß die Menschen, solange es sie gibt, immer wieder das Wagnis mit Gott und einem "höchsten Wesen" auf sich genommen haben? Mir jedenfalls erscheint es wie ein unlösbares Rätsel, daß wir Menschen so etwas in uns tragen wie eine Antenne, die sich immer wieder nach dem Unendlichen, Ewigen, Unzerstörbaren... auszurichten vermag. Die Erfahrung der eigenen Grenzen machend, erwacht in uns der Drang zur Grenzenlosigkeit - so als könnten uns nur aus dem Raum des Unendlichen und Ewigen gültige Antworten auf die eigentlichen Fragen unseres Menschseins zuwachsen

Vielleicht liegt unsere menschliche Chance und Größe in nichts anderem als in der Fähigkeit und freien Möglichkeit, den tiefen Sinn aller Dinge, vor allem den unserer eigenen Lebensgeschichte, auszuloten und allmählich zu begreifen. Wie ein Baum umso höher wächst, je tiefer er die Wurzeln gräbt, so vermag der Mensch über sich selbst hinauszuwachsen, wenn er sich dem Urgrund aller Dinge öffnet - wie die Leute in Babylon, die schon vor ein paar tausend Jahren zu beten pflegten: "Barmherziger gnädiger Vater, öffne uns die Tür des Himmels und schaffe allen Menschen Licht!".

Für den Afrikaner gehört die Schlange zu den lebensbedrohenden Ungeheuern. Daraus formuliert der religiöse Mensch ein Gebet an den Gott, den er "himmlische Schlange" nennt, weil in seinen Augen das Böse der Schlange nur durch ein himmlisches Wesen gebändigt zu werden vermag: "Wenn in der Nacht der Fuß über ein Hindernis stolpert, das sich zusammenzieht, aufrichtet und beißt, dann füge du, o Vater des Stammes, daß es ein Zweig, ein kleiner Zweig sei, der sich aufrichtet und schlägt, und nicht einer deiner Söhne mit dem spitzen Maul..."

Ganz anders ist der Glaube der Moslems. Für sie steht Gott über allen Dingen und jede Kreatur hat sich seiner Erhabenheit unterzuordnen. So ruft der Muezzin die Gläubigen 5x am Tag zum Gebet: "Gott ist groß! Gott ist groß! Gott ist groß! Ich lege Zeugnis davon ab: Es gibt keinen anderen Gott außer Gott!... Kommt und betet! Kommt und betet! Kommt zu eurem Heile! Kommt zu eurem Heile!... Gebete sind besser als Schlaf!"

Auch für den Christen ist Gott absolut unaussprechlich und unbegreiflich. Um sich verständlich zu machen, ist Gott in der Gestalt eines Menschen erschienen. In Jesus von Nazaret wurde der Menschheit ein Modellfall Gottes gegeben, um zu zeigen, wie es geht, Mensch zu sein und sinnvoll, heilsam, heilend und erlösend Leben zu gestalten und zu meistern - auch da noch, wo äußerlich das Scheitern angesagt ist. Wer wie Christus zu denken und zu handeln lernt, für den erweisen sich alle Lebensvollzüge als sinnerfüllt - bis in die banalsten Einzelheiten hinein. So kann Thomas Morus beten: "Schenke mir eine gute Verdauung, Herr, und auch etwas zum Verdauen!...Schenke mir Sinn für Humor, gib mir die Gnade, einen Scherz zu verstehen, damit ich ein wenig Glück kenne im Leben und anderen davon mitteile. Amen."


Letzte SeitenÄnderung: 08.03.2005.
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