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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Wahrheiten und Wichtigkeiten im christlichen Leben.

Predigt zu theologischen "Knackpunkten" - vor überkonfessionell geprägten Menschen, Januar 2003

Zielsatz: Nicht alles, was "wahr" ist, wird heute als wichtig eingestuft und verstanden.

1. Ökumene auf der Basis "Zurück zu den Quellen"?

Wenn ich das Wort "Ökumene" höre, dann fällt mir meistens ein Gedanke ein, welcher von Papst Johannes XXIII. stammt. Er wurde impulsgebend für das gesamte 2. Vatikanische Konzil. Der Papst sprach damals von der Notwendigkeit des "Zurück zu den Quellen". Das Wort erinnerte sogleich an ein lange von Katholiken unterdrücktes Wort von Martin Luther: "sola scriptura!" Sollte die katholische Kirche wieder biblischer werden? Bestand dabei nicht die Gefahr, dass sie "evangelischer" würde - "protestantischer"? Diese angstbesetzte Frage habe ich seitdem immer wieder gehört. In der Zwischenzeit ist das Anliegen des Papstes, ausgesprochen oder unausgesprochen, zu einem spannungsreichen "Für und Wider" geworden. Es ist zu Polarisierungen in der Kirche gekommen, zu Strömungen und Gegenströmungen.

Die einen sagen: Man kann nicht zum Ursprung des Christentums zurück! Unter "Führung des Heiligen Geistes" sind in späteren Zeiten Zweige gewachsen, die es am Anfang noch nicht gab: eine systematische Lehre und Dogmatik, Kirchenrecht, Ämterverfassung, Papsttum, Lehramt usw. Das alles kann man nicht beliebig zur Disposition stellen. Es ist also unmöglich, wieder so zu sein und zu werden, wie es früher einmal war...

Die anderen bestehen hartnäckig auf dem "Zurück". Sie machen alle erdenklichen, manchmal hoffnungslos erscheinenden Anstrengungen, indem sie gegen den Strom schwimmen, um zu den Quellen zurück zu finden. Wenn überhaupt "Tradition", dann nur, wenn sie die Entfaltung des Ursprünglichen bekundet, nicht aber dessen Verdrehung und Verkrümmung. So rechnen sie sogar mit dem weiteren Niedergang der Kirchen, damit das Ursprüngliche wieder eine Chance bekommen kann.

Während die erste Gruppe nahezu alle theologischen und kirchenrechtlichen Argumente auf ihrer Seite hat, hat Letztere nur in einem Punkte Recht: Seit 2000 Jahren hat es "Erneuerung", Neubeginn und Überwindung von Krisen immer nur durch diejenigen gegeben, die sich, allen offiziellen Widerständen zum Trotz, nicht vom "Zurück zu den Quellen" abbringen ließen. Zudem erwecken christliche Konfessionen heute in der Lösung mancher Streitfragen den Eindruck, der katholischen Kirche um Nasenlängen voraus zu sein: wo es um die Abendmahls- und Eucharistiegemeinschaft geht; um die Frauen-Ordination; um manche Fragen der Ethik und Moral. Ist ihnen das "Zurück zu den Quellen" schon besser gelungen? Herrscht in ihnen ein besserer christlicher Geist? Stehen ihre Kirchen besser da?

Natürlich nicht. Gerne wird dabei auf deren "ausblutende Gemeinden" verwiesen, auf deren "fortlaufenden Erfolg", auf deren theologische Uneinigkeit. Insofern sind sie für manche geradezu ein Hindernis geworden, in der Forderung nach dem "Zurück zu den Quellen" voran zu schreiten.

2. "Ökumene" auf zwei Ebenen.

Das Phänomen der Krise und der "ausblutenden Gemeinden" ist zu einem Problem ersten Ranges für alle Kirchen geworden. Es zeigt, dass bisher keine von ihnen den "Stein der Weisen" gefunden hat. Die Entwicklung in den einzelnen Kirchen zeigt aber auch, dass über "Ökumene" sehr unterschiedlich gedacht werden kann und gedacht wird.

Da ist die "Ökumene" auf der amtskirchlichen Ebene. Man könnte deren Anliegen kurz mit den Sätzen umreißen: Dialog zwischen den Konfessionen; gegenseitiges Verständnis füreinander; Toleranz und Klärung all dessen, was kirchentrennend im Raum steht, verbunden mit dem Ziel, zu einem gemeinsamen Verständnis wichtiger und wahrer Glaubensinhalte zu gelangen.

Wenn man als Theologe seit Jahren den Kontakt pflegt zu zahlreichen Gemeinden und ökumenischen Initiativgruppen, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass auf der Ebene des so genannten. "einfachen Volkes" ein ganz anderes Verständnis von "Ökumene" wächst. Es lässt sich kurz in den Fragen zusammenfassen: wie können wir überhaupt noch Christ sein - in einer immer gleichgültiger werdenden Welt? Wie können wir unseren Glauben finden und gemeinsam leben? Wie ihm überzeugend Ausdruck verleihen? Wie gemeinsam "Salz der Erde" sein, "Licht der Welt?

Immer wieder sind dann, direkt oder indirekt, Anfragen und Bemerkungen zu hören wie: Vieles mag ja für die Theologen und Kirchenleute wahr und richtig sein - für das Leben wichtig ist es nicht! Wichtig ist doch die Praxis der Liebe, der Freundschaft, des Zusammenhalts, des Wirkens an gemeinsamen Aufgaben in den Gemeinden und in der Welt. Schließlich sind doch die gelebten Werte und Verhaltensmuster des Evangeliums, so wie Jesus sie selbst gegenüber "Ungläubigen", "Heiden" Sündern und Versagern praktiziert und seinen Jüngern aufgetragen hat, die eigentlichen Garanten dafür, dass das "Reich Gottes" schon jetzt unter Menschen seinen Anfang nehmen kann.

So geschieht es. Es liegt in der Logik dieser Ökumene "von unten", dass auch gemeinsam gebetet und gesungen wird, dass gemeinsam Gottesdienste gehalten werden, dass das gemeinsame Mahl selbstverständlich dazu gehört. Weltweit müssen Theologen und Amts-träger auf der Hut sein. Es könnte ihnen eine Entwicklung davonlaufen. Sie könnten unversehens zur "Nachhut" einer Dynamik abgestempelt werden, an die der kirchliche Anschluß hoffnungslos nicht mehr gelingt. Denn es könnte sich auch hier wieder das Gebet Jesu ereignen: "Ich preise dich, Herr des Himmels und der Erde, weil du das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbarst hast" (Mt. 11.25). Oder das Wort des Paulus drängt sich auf: "Nicht viele Weise hat Gott erwählt" (1Kor.1.26).-

3. Was Menschen zusammenhält: Gemeinsam leben und Leben gestalten.

Wenn man sich die Entwicklung der "Ökumene" vor Augen führt, kann man nicht anders, als sie im Zusammenhang mit anderen Herausforderungen der Zeit zu sehen und zu postulieren. Der nachlassende Einfluß kirchlichen Redens und Verkündens auf Menschen und Gesellschaften liegt heute auf allen Konfessionen wie eine schwere Last. Man muß nur die religionssoziologischen Untersuchungen der letzten Jahrzehnte (z.B. die Shell-Studien) ernsthaft unter die Lupe nehmen, um festzustellen: die Menschen haben "andere Sorgen". Ihnen liegen theologische Zwistigkeiten und Streitfragen nicht, die - sobald sie auf höchster Ebene "gelöst" erscheinen - als "Konsenspapiere" kein neues Leben schaffen.

Wenn im Leben von Menschen das Christsein heute überhaupt noch wichtig ist, dann stehen die Fragen zur Diskussion: Wer war Jesus überhaupt? Was hat er gewollt? Wie hat er seine Botschaft verkündet und getan? Welche "Wahrheit" hat er gemeint: eine in Sätzen und Begriffen klar und sauber definierte, die es auswendig zu lernen gilt? Oder hat er eher - als "Wahrheit in Person" - ein Beispiel geben wollen und praktiziert, wie Leben im Sinne Gottes gelebt und gemeistert werden kann; wie eine Gemeinschaft von Jüngern/Innen der Welt Zeichen Seiner Anwesenheit und Seines Kommens zu setzen vermag?

Wenn nicht alles täuscht, bahnt sich ein "Wahrheitsverständnis" an, welches anders geartet ist als das herkömmliche. Früher hieß es gerne: "Wahrheit" ist die Übereinstimmung des Denkens mit dem Sein und "Glaube" das Für-wahr-halten all dessen, was die Kirche lehrt. Heute werden die Christen mit einer anderen "Wahrheit" konfrontiert. Weltweit beginnen sie, sich auf sie einzustellen: "Wahrheit" ist die stets versuchte Übereinstimmung des gelebten Lebens mit den Werte-Vorgaben, wie sie im Evangelium und im Leben Jesu zu finden sind. Mit anderen Worten: Christen über alle Konfessionen hinaus bleiben in der Welt "niemand etwas schuldig; nur die Liebe schulden sie einander immer" (vgl. Röm.13.8).


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