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Brot für das Leben der Welt.
19. Sonntag im Jahreskreis (Joh. 6,41-51)
Zielsatz: Eucharistische Frömmigkeit darf niemals aus
dem Leben herausführen, sondern mitten ins Leben hinein.
Homiletische Überlegungen: Im heutigen
Evangelium ist vom "Brot des Lebens" die Rede. Da denken die
meisten unwillkürlich an Eucharistie und Eucharistiefeier; an
die Einsetzung dieser Feier durch Jesus Christus; an die
Verwandlung von Brot und Wein durch die dazu bevollmächtigten
Priester...Dabei vergessen sie zumeist, daß sich das
Eucharistieverständnis im Laufe der Jahrhunderte immer auch
verändert hat. Am Anfang handelte es sich um eine kultische
Gedächtnisfeier an Leiden, Tod und Auferstehung Jesu oder um
eine eschatologische Vorwegnahme und Vorfreude auf die baldige
Wiederkunft des Herrn. Ungefähr tausend Jahre lang wurde die
Eucharistie als "Logos-Lehre" verstanden: wie die Seele im Leib,
so wohne Jesus in Brot und Wein, bis das 4. Laterankonzil 1215
die Lehre von der "Verwandlung" promulgierte, die von der
Reformation später strikt abgelehnt wurde.
Je nach Eucharistieverständnis wurde vermutlich auch immer
wieder die Frage anders beantwortet, wer der Eucharistie
vorstehen darf; wer dazu bevollmächtigt ist usw. .. - Anlässe
des Streitens und der Auseinandersetzung bis auf den heutigen
Tag.
Im Evangelium werden die Worte "Ich bin das Brot des Lebens",
Glaubenszeugnis der Gemeinde, Jesus freimütig in den Mund
gelegt. Zwei Perspektiven sind es, die für uns Heutige sehr
wichtig sind bzw. werden könnten. Damals wie heute ist für das
Leben des Menschen das tägliche Essen des Brotes etwas elementar
und vital Wichtiges. Ohne Brot kein Leben, kein Wachstum, kein
Reifen zu menschlicher Größe und Verantwortung. So ist es auch
mit Jesus. Ohne die lebendige Beziehung zu ihm; ohne die
ständige Auseinandersetzung mit seinen heilsamen und erlösenden
Worten und Taten; ohne das ständige "Auf-den-Punkt-Bringen"
dessen, was er menschennah und situationsbezogen "exemplarisch"
gesagt und getan hat, gibt es kein christliches Leben. Ohne
"Nachfolge" stirbt eben alles, vor allem auch dann, wenn sie mit
zu viel "Lehre" und Ämterdiskussion überlagert wird. Die Kirche
hat dann keine Chance mehr, als Kirche Jesu Christi anerkannt zu
werden - und seien ihre hehren Worte noch so klar und ihre
unfehlbaren Verlautbarungen noch so zweifelsfrei.
1. Lebendig wird das Brot erst, wenn es herabsteigt.
Neulich war in einer Gemeinde zu beobachten, daß sich viel seit
der Einführung des "neuen Pfarrers" geändert hatte. Die Kinder
durften während des Gottesdienstes ein wenig lauter sein als
früher; die Gläubigen wurden sogar ermutigt, sich vor Beginn der
Liturgie in der Kirche zu begrüßen und "auszutauschen"; bei
bestimmten Gelegenheiten wurde auch gelacht und geklatscht...
Was in früheren Zeiten unmöglich war, nun aber mehr und mehr
praktiziert wird, hat auch mit dem Wandel des
Eucharistieverständnisses etwas zu tun. Ältere Menschen haben
gelernt, daß die Eucharistie etwas außerordentlich Erhabenes und
Heiliges ist und deshalb mit den Händen eines normalen Laien
nicht berührt werden darf. Der Gottesdienst diente der
persönlichen Andacht und Erbauung. Was außerhalb der innerlichen
Beziehung zwischen Gott und der Seele des Einzelnen im
Gottesdienst geschah, war unwichtig. Auch die Banknachbarn
verdienten, wenn man es mit der Anbetung ernst nahm, keine
besondere Beachtung.
Es gibt heute weiterhin nicht wenige Gläubige, die nicht
verstehen wollen oder können, daß in vielen Gemeinden etwas viel
"lockerer" genommen wird, was früher von großem Ernst und
erhabener Feierlichkeit geprägt war. Welches Verhalten ist wahr
und würdig?
Das Evangelium gibt keine Antwort auf diese Frage. Dennoch ist
auffallend, daß es vom Brot spricht als etwas ganz "Normalem":
Ich bin das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist... Und als
wollte das Evangelium den Eindruck des allzu Himmlischen und
Übernatürlichen gar nicht erst aufkommen lassen, wird das
Herabsteigen auf diese Erde betont. Noch mehr: es wird verwiesen
auf einen Jesus, dessen Eltern bekannt sind. Wie kann ein solch
normaler Mensch aus Fleisch und Blut von sich behaupten, er sei
vom Himmel gekommen?
Die Aufregung und der Unmut der Leute werden für Jesus zum Anlaß,
den Kern seiner Botschaft in einer "Kurzformel"
zusammenzufassen: Alle werden Schüler Gottes sein! Wer aber auf
den Vater hören und von ihm lernen will, kommt zu mir, geht
sozusagen bei mir in die Schule. Also Worte klingen an, die
unüberhörbar jeder verstehen kann: Ich gebe euch ein Beispiel,
damit ihr seid und tut wie ich. So werdet ihr, wie ich, dem
Vater nahe sein und ewiges Leben haben...
2. Eucharistisches Leben ist nicht eigentlich
"liturgisch".
Es ist kein Wunder, daß die Juden sehr unwillig werden und in
heftigen Streit geraten da, wo die eucharistische Rede Jesu für
sie an skandalöser Klarheit nicht mehr zu überbieten ist: Er ist
nicht nur Brot, sondern sogar "Fleisch" für das Leben der Welt!
"Fleisch" heißt so viel wie "Menschwerdung". Deshalb kann man
die Eucharistie nicht einfach verstehen als eine Sache, die in
den Tempel oder in die Kirche gehört und am Sonntagmorgen
liturgisch abgehandelt wird. Hier geht es um die Fleischwerdung
des Logos, den Sohn Josefs und Marias, der mitten in diesem
Leben gestanden hat; der Lebensphasen durchschritten hat wie
jeder andere; der als Zwölfjähriger im Tempel Fragen stellte und
Antworten suchte; der in den Willen und den Auftrag des Vaters
hineinwuchs bis zu seinem realen Kreuzestod, bis zur Erweckung
zu neuem Leben...
Wer Eucharistie feiert, muß sich des "Fleisches" Christi bewußt
bleiben, auch seiner eigenen Menschwerdung wegen. Zum Fleisch
gehört das Irdisch-Hinfällige, das Vergängliche, das
Verwesliche. Dazu gehören die Lasten, die Mühen und Schmerzen
des Alltags; aber auch seine Freuden, seine Lebendigkeit, seine
Sinnenhaftigkeit und Sinnlichkeit. Dazu sind unvermeidbar die
Mitmenschen: die Konkretheit ihrer Lebenslagen, die Banalität
ihrer Worte und Handlungen, die ermüdenden und auf bauenden
Begegnungen, die Hoffnungen und Enttäuschungen, die sie uns
bereiten.
Solche und viele andere Alltäglichkeiten, die zum Menschsein
gehören, weisen darauf hin, daß wir uns vor einer der großen
Gefahren und Versuchungen zu hüten haben: Frömmigkeit darf
niemals zu einem Abwehrmechanismus vor den Realitäten des Lebens
werden, nie zu einem "grandiosen Verdrängungsapparat".
Wo die Vieldimensionaltät des Lebens Jesu wie des eigenen Lebens
in der Eucharistie erkannt und bejaht wird, da wird die Feier
nicht so sehr Anlaß zu mystischer Verschmelzung mit Christus als
vielmehr eine Lebensschule, in der alle Schüler des Vaters sind.
Das Essen des Brotes und das Trinken des Blutes schaffen eine
große Nähe zu Leben und Lebensauftrag Jesu, damit jeder, der ißt
und trinkt, fähig wird, aus der Kraft dieser Speise heraus sogar
die Wüstenwege des Lebens bestehen zu lernen - bis zur
Auferweckung am letzten Tag...
Vom Theologen Ernst Käsemann stammt das Wort: "Die Bibel
begründet nicht die Einheit der Kirche, sondern die Vielfalt der
Konfessionen". Auf das "Brot desLebens" übertragen, müssen wir
vielleicht sagen lernen: Die Bibel begründet nicht das
einheitliche, sondern das vielfältige Eucharistieverständnis.
Aber sie begründet die eine Schule des Vaters, in der alle
Getauften ihren "Stoff" fürs Leben zu lernen haben.
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