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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Brot für das Leben der Welt.

19. Sonntag im Jahreskreis (Joh. 6,41-51)

Zielsatz: Eucharistische Frömmigkeit darf niemals aus dem Leben herausführen, sondern mitten ins Leben hinein.

Homiletische Überlegungen: Im heutigen Evangelium ist vom "Brot des Lebens" die Rede. Da denken die meisten unwillkürlich an Eucharistie und Eucharistiefeier; an die Einsetzung dieser Feier durch Jesus Christus; an die Verwandlung von Brot und Wein durch die dazu bevollmächtigten Priester...Dabei vergessen sie zumeist, daß sich das Eucharistieverständnis im Laufe der Jahrhunderte immer auch verändert hat. Am Anfang handelte es sich um eine kultische Gedächtnisfeier an Leiden, Tod und Auferstehung Jesu oder um eine eschatologische Vorwegnahme und Vorfreude auf die baldige Wiederkunft des Herrn. Ungefähr tausend Jahre lang wurde die Eucharistie als "Logos-Lehre" verstanden: wie die Seele im Leib, so wohne Jesus in Brot und Wein, bis das 4. Laterankonzil 1215 die Lehre von der "Verwandlung" promulgierte, die von der Reformation später strikt abgelehnt wurde.

Je nach Eucharistieverständnis wurde vermutlich auch immer wieder die Frage anders beantwortet, wer der Eucharistie vorstehen darf; wer dazu bevollmächtigt ist usw. .. - Anlässe des Streitens und der Auseinandersetzung bis auf den heutigen Tag.

Im Evangelium werden die Worte "Ich bin das Brot des Lebens", Glaubenszeugnis der Gemeinde, Jesus freimütig in den Mund gelegt. Zwei Perspektiven sind es, die für uns Heutige sehr wichtig sind bzw. werden könnten. Damals wie heute ist für das Leben des Menschen das tägliche Essen des Brotes etwas elementar und vital Wichtiges. Ohne Brot kein Leben, kein Wachstum, kein Reifen zu menschlicher Größe und Verantwortung. So ist es auch mit Jesus. Ohne die lebendige Beziehung zu ihm; ohne die ständige Auseinandersetzung mit seinen heilsamen und erlösenden Worten und Taten; ohne das ständige "Auf-den-Punkt-Bringen" dessen, was er menschennah und situationsbezogen "exemplarisch" gesagt und getan hat, gibt es kein christliches Leben. Ohne "Nachfolge" stirbt eben alles, vor allem auch dann, wenn sie mit zu viel "Lehre" und Ämterdiskussion überlagert wird. Die Kirche hat dann keine Chance mehr, als Kirche Jesu Christi anerkannt zu werden - und seien ihre hehren Worte noch so klar und ihre unfehlbaren Verlautbarungen noch so zweifelsfrei.

1. Lebendig wird das Brot erst, wenn es herabsteigt.

Neulich war in einer Gemeinde zu beobachten, daß sich viel seit der Einführung des "neuen Pfarrers" geändert hatte. Die Kinder durften während des Gottesdienstes ein wenig lauter sein als früher; die Gläubigen wurden sogar ermutigt, sich vor Beginn der Liturgie in der Kirche zu begrüßen und "auszutauschen"; bei bestimmten Gelegenheiten wurde auch gelacht und geklatscht...

Was in früheren Zeiten unmöglich war, nun aber mehr und mehr praktiziert wird, hat auch mit dem Wandel des Eucharistieverständnisses etwas zu tun. Ältere Menschen haben gelernt, daß die Eucharistie etwas außerordentlich Erhabenes und Heiliges ist und deshalb mit den Händen eines normalen Laien nicht berührt werden darf. Der Gottesdienst diente der persönlichen Andacht und Erbauung. Was außerhalb der innerlichen Beziehung zwischen Gott und der Seele des Einzelnen im Gottesdienst geschah, war unwichtig. Auch die Banknachbarn verdienten, wenn man es mit der Anbetung ernst nahm, keine besondere Beachtung.

Es gibt heute weiterhin nicht wenige Gläubige, die nicht verstehen wollen oder können, daß in vielen Gemeinden etwas viel "lockerer" genommen wird, was früher von großem Ernst und erhabener Feierlichkeit geprägt war. Welches Verhalten ist wahr und würdig?

Das Evangelium gibt keine Antwort auf diese Frage. Dennoch ist auffallend, daß es vom Brot spricht als etwas ganz "Normalem": Ich bin das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist... Und als wollte das Evangelium den Eindruck des allzu Himmlischen und Übernatürlichen gar nicht erst aufkommen lassen, wird das Herabsteigen auf diese Erde betont. Noch mehr: es wird verwiesen auf einen Jesus, dessen Eltern bekannt sind. Wie kann ein solch normaler Mensch aus Fleisch und Blut von sich behaupten, er sei vom Himmel gekommen?

Die Aufregung und der Unmut der Leute werden für Jesus zum Anlaß, den Kern seiner Botschaft in einer "Kurzformel" zusammenzufassen: Alle werden Schüler Gottes sein! Wer aber auf den Vater hören und von ihm lernen will, kommt zu mir, geht sozusagen bei mir in die Schule. Also Worte klingen an, die unüberhörbar jeder verstehen kann: Ich gebe euch ein Beispiel, damit ihr seid und tut wie ich. So werdet ihr, wie ich, dem Vater nahe sein und ewiges Leben haben...

2. Eucharistisches Leben ist nicht eigentlich "liturgisch".

Es ist kein Wunder, daß die Juden sehr unwillig werden und in heftigen Streit geraten da, wo die eucharistische Rede Jesu für sie an skandalöser Klarheit nicht mehr zu überbieten ist: Er ist nicht nur Brot, sondern sogar "Fleisch" für das Leben der Welt! "Fleisch" heißt so viel wie "Menschwerdung". Deshalb kann man die Eucharistie nicht einfach verstehen als eine Sache, die in den Tempel oder in die Kirche gehört und am Sonntagmorgen liturgisch abgehandelt wird. Hier geht es um die Fleischwerdung des Logos, den Sohn Josefs und Marias, der mitten in diesem Leben gestanden hat; der Lebensphasen durchschritten hat wie jeder andere; der als Zwölfjähriger im Tempel Fragen stellte und Antworten suchte; der in den Willen und den Auftrag des Vaters hineinwuchs bis zu seinem realen Kreuzestod, bis zur Erweckung zu neuem Leben...

Wer Eucharistie feiert, muß sich des "Fleisches" Christi bewußt bleiben, auch seiner eigenen Menschwerdung wegen. Zum Fleisch gehört das Irdisch-Hinfällige, das Vergängliche, das Verwesliche. Dazu gehören die Lasten, die Mühen und Schmerzen des Alltags; aber auch seine Freuden, seine Lebendigkeit, seine Sinnenhaftigkeit und Sinnlichkeit. Dazu sind unvermeidbar die Mitmenschen: die Konkretheit ihrer Lebenslagen, die Banalität ihrer Worte und Handlungen, die ermüdenden und auf bauenden Begegnungen, die Hoffnungen und Enttäuschungen, die sie uns bereiten.

Solche und viele andere Alltäglichkeiten, die zum Menschsein gehören, weisen darauf hin, daß wir uns vor einer der großen Gefahren und Versuchungen zu hüten haben: Frömmigkeit darf niemals zu einem Abwehrmechanismus vor den Realitäten des Lebens werden, nie zu einem "grandiosen Verdrängungsapparat".

Wo die Vieldimensionaltät des Lebens Jesu wie des eigenen Lebens in der Eucharistie erkannt und bejaht wird, da wird die Feier nicht so sehr Anlaß zu mystischer Verschmelzung mit Christus als vielmehr eine Lebensschule, in der alle Schüler des Vaters sind. Das Essen des Brotes und das Trinken des Blutes schaffen eine große Nähe zu Leben und Lebensauftrag Jesu, damit jeder, der ißt und trinkt, fähig wird, aus der Kraft dieser Speise heraus sogar die Wüstenwege des Lebens bestehen zu lernen - bis zur Auferweckung am letzten Tag...

Vom Theologen Ernst Käsemann stammt das Wort: "Die Bibel begründet nicht die Einheit der Kirche, sondern die Vielfalt der Konfessionen". Auf das "Brot desLebens" übertragen, müssen wir vielleicht sagen lernen: Die Bibel begründet nicht das einheitliche, sondern das vielfältige Eucharistieverständnis. Aber sie begründet die eine Schule des Vaters, in der alle Getauften ihren "Stoff" fürs Leben zu lernen haben.


Letzte SeitenÄnderung: 08.03.2005.
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