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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Religiös Sesshafte können im Glauben nicht wachsen.

Zweiter Sonntag der Osterzeit (Joh.20,19-31)

Zielsatz: Zweifel können wie Stacheln sein, die religiöse Selbstsicherheit und die Verhärtung im Guten verhindern.

Homiletische Überlegungen: Vielen gläubigen Christen mag die Auffassung noch in den Knochen stecken, daß jeder Glaubenszweifel Sünde ist. Von daher ist der Tomas des heutigen Evangeliums entweder ein großer Sünder oder einer, der doch nicht so gezweifelt haben kann, wie das Evangelium den Eindruck erweckt... Auf jeden Fall aber können die Zweifel des Tomas, sofern ernstlich darüber gesprochen wird, bestimmte Gläubige zur Verzweiflung oder zur Verdrängung bringen. Vor allem dann, wenn sie "Glauben" verstehen als das feste Für-wahr-halten einer zweifelsfreien, unfehlbaren Lehre. Eine solche "Lehre der Kirche" kannte der heilige Tomas noch nicht. Er konnte sie nicht kennen, weil es sie noch gar nicht gab. Was er kannte und leibhaftig erfahren hatte, war die Lebensgeschichte des Rabbi aus Nazaret, die schließlich im gewaltsamen Tod ihr Ende gefunden hatte. Für Tomas hatte der Glaube viel eher mit der mehr oder weniger großen Anhänglichkeit an Jesus und mit der mehr oder weniger gelungenen Bereitschaft zur Nachfolge Jesu zu tun, die sich in der Tagtäglichkeit des Lebens ihren Weg zu bahnen haben und immer auch im Auf und Ab menschlicher Erfahrungsprozesse gefährdet erscheinen. Aber gerade in diesem Auf und Ab, in diesem Hin unf Her zwischen Glauben und Zweifeln können sich Lebens- und Glaubenssicherheiten ereignen - allerdings immer nur bis zum nächsten Exodus, der immer wieder notwendig wird, um jedem Hang zur religiösen Seßhaftigkeit entgegenzuwirken

1. Tomas - Der Zweifler.

Es würde im Anschluß an die Passions- und Osterberichte des Evangeliums etwas fehlen, wenn von Tomas, dem Zweifler, nicht die Rede wäre. Viele Gestalten haben uns in dieser Zeit beschäftigt: der Politiker Pilatus, der Verräter Judas, der wankelmütige Petrus, Maria Magdalena am Grab des Ostermorgens, die angstbesessenen Apostel im Saal zu Jerusalem. Heute gehört auch Tomas dazu. Wie kann man seine Rolle beschreiben?

Mir fällt bei dieser Frage die Geschichte der hochbetagten und sehr begüterten alten Dame aus Florenz ein. Eines Tages hatte sie eine merkwürdige Idee. Sie ließ von Arbeitern einen großen Felsblock nach Florenz schaffen und auf dem Marktplatz niederlegen. Daraufhin rief sie die Künstler der Umgebung zusammen und beauftragte sie, eine Figur aus dem Marmor zu meißeln. Der Marmor sei spröde und unförmig; daraus lasse sich nichts Wertvolles herstellen - sagten die einen und zogen von dannen. Es handle sich um ein ungeeignetes Material; zudem sei der Stein schlecht gebrochen - sagten die anderen. Auch sie ließen den Marmor liegen. Eines Tages kam Michelangelo. Er sah den Marmorblock, fing an zu meißeln und zu hauen - belächelt von den einen, bewundert von den anderen. Nach langer Arbeit entstand in Florenz eine der berühmtesten Figuren der Welt: der David, mit der Schleuder auf der Schulter, mit den Kieselsteinen in der Hand. Gelöst und gelassen trat er den Kampf gegen Goliath an.-

Wir können uns kaum vorstellen, was in den Wochen und Monaten des Arbeitens im Kopf und Bauch des Michelangelo vor sich gegangen sein mag. Auf der einen Seite war er von der Idee besessen, aus einem von anderen als unbrauchbar verworfenen Marmorblock ein Kunstwerk zu meißeln. Er ist Gott-sei-Dank dieser seiner Idee treu geblieben, wenn auch gescholten und verlacht von denen, die es vermeintlich besser wußten als er. Auf der anderen Seite hat er sicher auch Stunden und Augenblicke der Zweifel und Unsicherheiten erlebt. War er nicht vielleicht doch im Irrtum? Lief er einer Fata Morgana nach? Würde er eines Tages die Arbeit ohne Erfolg beenden müssen und damit dem Gelächter der Welt preisgegeben sein?

Solche bangen Fragen konnten bei dem Künstler eigentlich nur beantwortet werden von den Hammerschlägen und Meißelarbeiten selbst. Jedes kleine herausgehauene Stück aus dem Marmorblock und das Geräusch, das es verursachte, konnte ihm nach und nach Aufschluß geben über die Frage, wie der Marmorblock wirklich beschaffen war; ob er das hergeben würde, was er sich ersehnte und erhoffte...

2. Zum Glauben gehört der Zweifel.

Vielleicht sind der Glaube und der Zweifel des Tomas denen des Michelangelo nicht ganz unähnlich. Tomas glaubte an Jesus, an seine unvergeßlichen Worte und Taten. Was er von Jesus gehört hatte, war die Botschaft von der "jetzt" anbrechenden Gottesherrschaft. Diese wurde mit einem Samenkorn verglichen, welches in die Erde fällt und stirbt, um schließlich doch reiche Frucht hervorzubringen. Die in der Nachfolge Jesu lebten, hatten wie Tomas gehört, daß jede Tat der Liebe und Versöhnung, jede Geste der Barmherzigkeit und Güte, jedes Wort der Ermutigung und Auferbauung solche Samenkörner des Reiches Gottes sind, die eine Zeitlang - in die Erde versenkt - ohne Wirkung und nennenswerte Auffälligkeit zu bleiben vermögen, aber letztlich doch entscheidend wichtig sind für das Werden und Wachsen des Reiches Gottes in dieser Welt. Heilsame Worte und verändernde Taten - und seien sie in der Alltäglichkeit des Lebens noch so klein und unscheinbar - sollten in der Zukunft des Weltgeschehens größere gestalterische Kraft entfalten als alle Reden mit menschlicher Weisheit über Gott und die Welt; als alle Machtmittel, die Menschen sich auszudenken vermögen.

Wem muß da nicht das Zweifeln kommen? Schließlich war Jesus selbst an sich und seiner Botschaft gescheitert. Wenigstens äußerlich. Und die Kunde von seiner Auferstehung und dem Weiterleben all dessen, was er gesagt und getan hatte - wer konnte sie damals mit ungeteilter Überzeugung begreifen? Wer wird sie jemals zwei-felsfrei anzunehmen in der Lage sein? Und wären die Lehren darüber noch so un-fehlbar, die Dogmen im Kopf noch so klar und unzweideutig - in der realen Existenz des Menschen, der täglich sein Leben zu leben und seine kleinen Schritte zu tun hat, zeigen sich erst beim Gehen die Stacheln und Stoppeln, die Steine und die Knüppel, die oft eher Anlässe zum Zweifeln und Verzweifeln sind als Anstöße zum zweifelsfreien Glauben. Und das umso mehr, je weniger bei allem Reden über die Wahrheit die Früchte der Wahrheit wenig zu erkennen sind.

So ist es uns Christen immer wieder aufgetragen, den Weg des Glaubens und der tatkräftigen Liebe zu gehen in der Hoffnung, daß nach jeder Straßenbiegung ein verheißungsvolles Zeichen der inneren Bestätigung auf uns wartet. Gott gibt sich immer nur in solchen "Wegzeichen" zu erkennen. Diese wirklich zu sehen und zu deuten - darin liegt die gnadenhafte Chance, daß uns und anderen stets der nötige Mut und die Kraft zuwachsen zu nächsten vorwärts gehenden Schritten.


Letzte SeitenÄnderung: 08.03.2005.
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