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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Petrus, Fels und Strauchelstein.

21. Sonntag im Jahr (Mt 16,13-20).

Zielsatz: Allen Getauften ist es gemeinsam aufgetragen, Gottes Wegen und Anweisungen gegenüber den Gehorsam im Glauben zu üben.

Homiletische Überlegungen: Zwei Kirchenbilder beherrschen heute die Szene. Sie leben nebeneinander und fließen oft unvermittelt ineinander. Das eine heißt "Communio". Die Gläubigen wissen sich als "Brüder und Schwestern" und werden auch so angeredet. Ihre Tugenden heißen: Gesprächsbereitschaft und Dialog, Verantwortung für Kirche und Gemeinde, aktive Teilnahme an der Weitergabe des Glaubens, überzeugende Vorbildlichkeit als Christ in der Welt von heute, besonders gegenüber der jüngeren Generation...

Das andere Kirchenbild heißt "Hierarchie". Schon in dessen Sprachgebrauch wird deutlich, daß "die Kirche" im eigentlichen Sinne der geweihte Klerus ist. In ihr herrscht ein anderer Tugendkatalog vor: auf die Kirche hören, ihr gegenüber gehorsam und kindlich-untertänig sein, ihre Lehren und Anweisungen befolgen - ein selbstverständlicher Sprachgebrauch, der darauf hinausläuft, daß "das gläubige Volk" eigentlich doch nicht "die Kirche" ist. Vielmehr steht es der kirchlichen Hierarchie hörend und gläubig gegenüber oder ist ihr untergeordnet, indem es befolgt und für wahr hält, was verkündet wird.

Vermutlich wird es noch sehr lange dauern, bis sowohl die kirchliche Sprache als auch die kirchlichen Lebensvollzüge deutlich zum Ausdruck bringen, daß alle Getauften in gleichem Maße die Worte und Taten Jesu im Heute ihrer jeweiligen Lebenswelt zu aktualisieren und zeichenhaft darzustellen haben. Dem Papst, den Bischöfen und dem ganzen Volk Gottes ist es gemeinsam aufgetragen, gegenüber dem Wort Gottes und den "Zeichen der Zeit" gehorsam zu sein. Sie alle sind Hörer und Befolger des Wortes. Sie haben alle gemeinsam jene Weisungen zu befolgen, die in den konziliaren und synodalen Prozessen erarbeitet und erbetet wurden. Im Maße dies gelingt, wenn auch noch so fragmentarisch, kann "Kirche" auch auf Zukunft hin gelingen.

1. Du bist Petrus, der Fels.

Für wen halten die Leute den Menschensohn? Um diese Frage geht es im heutigen Evangelium. Eigentlich geht es seit 2000 Jahren um nicht viel mehr als um diese Frage. Von ihrer Beantwortung hängen das Glaubensbekenntnis und die Lebenspraxis der Christen ab. Die Antworten im Evangelium haben wir gehört. Von Johannes dem Täufer ist da die Rede, von Elija, von Jeremia und anderen Propheten der vorchristlichen Zeit. Auch Petrus gibt seine Glaubensantwort: "Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes". Daraufhin folgt der Satz aus dem Munde Jesu, der von Anfang an das Herz der Christen und seit Jahrhunderten das Herz der katholischen Christen höher schlagen läßt: "Du bist Petrus, der Fels. Auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen":

Man kann diesen Satz in den verschiedensten Varianten immer wieder zu lesen und zu hören bekommen: Wo Petrus ist, da ist die Kirche. Wer auf Petrus hört, der hört auf Christus. Das Petrusamt ist unverzichtbar für das katholische Glaubensverständnis. Petrus und der Papst: was sie binden und lösen, wird auch im Himmel gebunden und gelöst sein...

Vor allem in Zeiten der Bedrängnis und Not schauen wir auf Petrus und seinen Nachfolger. Wo es eine Welt, sogar praktizierende Christen gibt, die herkömmliche Glaubensvorstellungen in Frage stellen, da wird gerne auf die unfehlbare Stimme in Rom gehört: bei den heiß diskutierten Fragen über das Gesetz des Priesterzölibates, über die "viri probati", über die Rolle der Frauen in der Kirche und deren Zulassung zu kirchlichen Ämtern usw. .. Für die einen bedeutet dabei die Entscheidung des Papstes wiedergefundene Ordnung und Sicherheit; anderen werden solche Entscheidungen zum Ärgernis und Anlaß des Protestes.

2. Der Charakter des Petrus.

Indem das Evangelium im Blick auf Petrus, "den Felsen", so viel Sicherheit und Eindeutigkeit zu geben scheint, ist es dennoch verwunderlich, daß an vielen Stellen der Schrift Petrus nicht besonders als Fels in der Brandung der Zeitengänge geschildert wird. Wir denken an den mißlungenen Versuch des Petrus, auf dem Wasser zu wandeln (Mt 14,26ff). Oder an die Stelle, an der Jesus den Petrus als "Satan" bezeichnet, weil er nichts von der Botschaft Jesu zu begreifen scheint (Mt 26,23). Oder an die Leidensgeschichte Jesu, in der Petrus seinem Meister versichert, eher ins Gefängnis oder in den Tod zu gehen als ihn im Stich zu lassen. Dabei reicht seine Gefolgstreue gerade noch bis zum Ölberg. Petrus merkt nicht einmal die Angst und Trauer, die Jesus vor seinem Tod überfallen...

Auf der einen Seite also "der Fels", auf der anderen Seite der Mensch Petrus mit dem heißen Herzen und den großen Sprüchen, die ihm so leicht von den Lippen gehen. Ein paar Dienstmägde und Knechte haben mit ein paar bohrenden Fragen wie in einen Luftballon in ihn hineingestochen und die wahre Realität des Petrus zum Platzen, die Fassade seines Äußeren zum Einsturz gebracht. Seine Persönlichkeitsstruktur stellt sich bei vielen Gelegenheiten als ein Gemisch aus Angst und Geltungssucht, aus gutem Willen und Feigheit, aus Treulosigkeit und Liebe heraus. Petrus fühlt sich gerade am Karfreitag von Jesus durchschaut. Er fühlt sich leer und nackt. Alle seine Beteuerungen haben sich als Masken, als fade Ausreden, als leeres Geschwätz erwiesen. Nur gut, daß er nicht auch - wie Judas - im Strick den einzigen Ausweg aus der Verzweiflung gesehen hat.

3. Vorsteher des Liebesbundes, nicht mehr und nicht weniger.

Alles das verheimlicht uns das Evangelium nicht. Petrus war der Fels, aber auch der "Strauchelstein" - wie J. Ratzinger es formuliert hat. Die Päpste sind es bis auf den heutigen Tag geblieben. Dieses Bewußtsein hat zum Beispiel noch beim Konzil von Trient (1545-1563) Anlaß zu einer Textvorlage gegeben, die besagt, daß ein Papst nicht nur wegen Häresie, sondern auch wegen großer Schädigung der Kirche belangt werden könne und müsse.

Also nicht die menschlichen Schwächen, die Charaktereigenschaften, seine ethnische Herkunft oder die theologische Schule, aus der er kommt, machen den Papst zu einem "Felsen". Fels ist er immer nur da, wo er glaubend und hoffend seine Zuversicht auf Christus setzt, wo er seine Amts-Sicherheit in der Gewißheit verankert, daß Christus bis ans Ende der Welt bei ihm und in der ganzen Gemeinde gegenwärtig bleibt.

Petrus hat sich immer selbst überfordert, wenn er auf seine eigene Kraft setzte. Aber wo das Amt zur dienenden Ermutigung zur Personwerdung und Berufung der Menschen wird wie auch zur Gemeinschaftsbildung der in Christus Versammelten; wo die Autorität ihre Wurzeln findet in der glaubenden Zuversicht, daß Christus in allen Stürmen der Zeit und Geschichte seinem Volk nahe bleibt, da kann sich der Petrusdienst als "Fels" erweisen.

Petrus hat, wie es wohl allen Menschen geht, nicht umsonst viele Rückschläge erlitten. In seinen Tränen hat er oft aufhören müssen, sich selbst zu verstehen, an sich selbst zu glauben. In der Abgründigkeit und Zwispältigkeit seines Herzens hat er auf schwierige Weise lernen müssen, daß die gelebte Praxis der Liebe unter Gleichgestellten das einzige ist, welches des Beistandes Christi für alle Zeiten sicher sein kann (vgl. Joh 21,15ff). Petrus ist der Vorsteher eines Liebesbundes. Nicht mehr und nicht weniger.


Letzte SeitenÄnderung: 08.03.2005.
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