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Selbstsicherheiten gesucht. Bitte nicht stören!
26. Sonntag im Jahreskreis (Lk. 16, 19-31), 1999
Zielsatz: Lazarusse sind Störenfriede, die man gerne
übersieht. Dennoch: Wer sie verpasst, verpasst sich selbst.
1. Lebemenschen scheuen die Wirklichkeit wie der Teufel das
Weihwasser.
Ich erinnere mich an ein makaberes Bild in einer Elendsstrasse
Bahias. Ein Kunsthistoriker zeigte einer europäischen
Reisegruppe Barockfassaden aus der Kolonialzeit. Er erklärte
ihnen den Stuck, verwies auf die Schönheit der Putten und
datierte sie. Seine ganze Erzählung erweckte den Eindruck einer
glanzvollen europäischen Vergangenheit.
Unten auf der Strasse saßen kranke, verhungernde und zerlumpte
Menschen. Ausgemergelte Kindergesichter streckten ihre dürren
Ärmchen den Fremden entgegen. Sie baten um ein Stück Brot oder
eine sonstige kleine Gabe. Aber die Touristen nahmen sie kaum
oder gar nicht wahr. Ihr Blickpunkt war auf das Ästhetische und
Künstlerische gerichtet; ihre Gedanken wanderten in einer Zeit,
die anscheinend ohne Fehl und Tadel gewesen war und geeignet,
das Gefühl des Nostalgischen an längst vergangene Zeiten zu
nähren.
In den letzten Wochen war in den Massenmedien oft vom
Millionenheer der Europäer die Rede, die als Urlauber und
Touristen in den fernen, exotischen Ländern jenseits der Meere
unterwegs waren. Auch von den Deutschen, die am meisten Geld für
ihre Ferien ausgeben und denen am meisten Freizeit dafür zur
Verfügung steht. Sie wollten heraus aus dem Alltag. In modernen
Touristenhotels, auf Safaris und an weißen Stränden wollten sie
das in Werbeprospekten versprochene "Urlaubsparadies" genießen.
Die meisten merkten wahrscheinlich gar nicht, dass sie sich in
einem der ärmsten Länder der Erde befanden. Sie wollten auch
nicht wissen, dass für die "Einheimischen" das glasklare saubere
Wasser nicht zur Verfügung stand, welches für ihr Duschen und
Waschen reichlich vorhanden war. Sicherlich sahen sie auch
nicht, dass ein paar hundert Meter weiter der Fluss vergiftet
war, in dem die Fische starben. Auch nicht die Täler, die vom
Wohlstandsmüll der Urlauber zugekippt waren. Wie hätten sie das
alles "realisieren" können? Das Urlaubsparadies folgt anderen
Gesetzen und Interessen. Es war auf "Ruhe", Erholung und
Unterhaltung aus. Es war ausgerichtet nach einem Motto, welches
neulich aus Anlass der Eröffnung eines Freizeitparks auf einem
Plakat zu sehen war: "Andere reden vom Paradies, wir machen es".
2. Atemlos gelangweilt.
So hat ein Zukunftsforscher "Lebemenschen" charakterisiert. Das
heutige Evangelium schildert uns einen. Vielleicht hat er den
"armen Larzarus" auch nicht gesehen. Denn ein Fest mit vielen
Gästen feiern - das erfordert die ganze Aufmerksamkeit des
Gastgebers. Schließlich muss er dafür sorgen bzw. die
notwendigen Anweisungen geben, dass alle genug zu essen und zu
trinken haben. Auch für Unterhaltung muss gesorgt sein. Sehr
"stimmig" muss alles verlaufen. Zudem haben die Tischgenossen
beim Gaumenfest den ersten Anspruch auf seine Gesellschaft.
Das Evangelium schildert, dass der reiche Prasser auf eine
seltsame Weise arm war. Vielleicht ist es ihm gegangen wie
manchen Urlaubern in ihren Ferienparadiesen. Jedenfalls wollen
Untersuchungen immer wieder wissen, dass viele recht zufrieden
und erholt aus ihren Urlaub zurück kommen. Sehr viele aber
nicht. Das Liegen am Strand, das Faulenzen an den Bars, die
Dauerberieselung durch Musik und Unterhaltung im Kurhotel, die
Spaziergänge und Fahrten ins Land können sehr stressig und
ärgerlich sein. Sie lassen am dritten Tag bereits die Langeweile
aufkommen. Wer viel beschäftigt wird, ohne sich selbst
beschäftigen zu können - dem wird das Leben leicht zur Qual.
Vielbeschäftigte leben oft in der Angst vor Langeweile. Das
treibt sie mit ihren Wünschen in Extreme. Äußerlich werden sie
dabei "reich".
Menschen können auf sehr unterschiedliche Weise "reich" sein:
reich an materiellen Gütern, an Ideen und Selbstreflektion, an
Kultur und Wissenschaft, an Religion und Weltanschauung. Ihre
Armut bzw. ihre Sünde bestehen darin, dass sie ihre Gaben für
sich selbst beanspruchen und nicht als Aufgaben für andere
erkennen. Sie schaffen sich ihre eigenen Welten und
"Sicherheiten", in denen es einem gut geht. Allzu oft verkennen
sie dabei, dass zu jeder gesunden Ich-Entwicklung das Du gehört;
dass es keine Selbstzufriedenheit auf Dauer geben kann, wenn die
Welt rundherum nicht in Ordnung ist.
Im Denken des Evangeliums ist der Einzelne nie für sich selber
da. Jeder Reichtum ist zunächst einmal das Eigentum Gottes. Der
Einzelne mit seinen Gaben und Fähigkeiten ist niemals
"Besitzer", sondern Verwalter, der nichts nach eigenem Gutdünken
zu bestimmen hat. Wer nicht zum Segen für andere wird, hört bald
auf, sich selbst ein Segen zu sein. Seine Gabe wird zu einem ins
Erdreich vergrabenen Schatz; sein Leben ein blühender Unsinn,
weil ohne "Früchte" und ohne "Ernte".
3. Lazarusse sind Störenfriede, von Gott gesandt.
Man könnte den Reichtum beschreiben als eine menschliche
Haltung, die auf Selbstsicherheit bedacht ist, auf eigenes
Wohlsein, auf Selbstverwirklichung und Zufriedenheit um jeden
Preis. Damit verbündet sich die Kunst der Verdrängung und
Ablenkung von allem, was an Leid, Schmerz, Tod und Unangenehmen
die Pläne durchkreuzen könnte. Das Evangelium sagt: Mose und die
Propheten bringen es nicht fertig, solche falschen Sicherheiten
zu zerstören. Wenn Lebemenschen aber noch nicht einmal auf diese
hören, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn
einer von den Toten aufersteht.
Auch Zeichen aus dem Jenseits bewirken keine Umkehr bei den
Reichen. Das Evangelium legt das Schwergewicht auf das Hier und
Heute. Immer sind es die Lazarusse, die plötzlich vor der Türe
liegen. Sie haben viele Namen und viele Gesichter: das
schreiende Kind, der zänkische Nachbar, der einsame Kranke.
Immer sind sie eine Herausforderung, sie wahrzunehmen und so
oder so reagieren zu lernen: in eigener Verantwortung, in
eigener Kompetenz, mit eigenem Gewissen. Wer in solchen
"Lazarussen" eine Aufforderung Gottes erkennt, der kann den Sinn
des Lebens für sich selber finden. Schließlich kann er sogar
Gott im Leben begegnen, indem er dabei innere Kraft, Ermutigung
und Festigkeit erfährt.
Lazarusse sind immer Störenfriede. Sie treten als ungewollte
Besucher und unerwartete Ereignisse ins Leben. Manche werden
dabei Meister des Verdrängens, manche geraten in Panik. Sich auf
nichts einlassen, um nicht noch in ein "Helfersyndrom" zu
verfallen, heißt darum die Devise. Oder man verschiebt es auf
morgen. Zuerst gilt es, seine eigenen Angelegenheiten in Ordnung
zu bringen und zu halten. Danach ist dann immer noch Zeit. So
wird immer wieder verschoben. Denn es stellt sich heraus, dass
der Morgen auch schon ausgefüllt ist: mit Beruf, Reisen, mit
Bildern, Zeitungen, Radiosendungen und Ansprachen.
Es gibt viele Antworten auf die Frage, wie religiöse Menschen es
lernen müssen, den Herausforderungen des Lebens gewachsen zu
sein, auch dann, wenn diese unangenehm und unbequem sind. Oft
bildet sich die Neigung zu "frommen Sprüchen". Oder man greift
zur Religion als "Opium fürs Volk". In Alt-Israel entstand auf
diesem Boden die Hoffnung auf den (später kommenden) Messias.
Das Evangelium vertieft und erweitert diese Sichtweise. Die
Verachtung der Armen im Hier und Heute wird der Verachtung
Gottes gleichgesetzt. Deshalb wird eine Zeit kommen, in der die
Armen getröstet werden und die Reichen leer ausgehen (Lk. 6,
20+24). Das himmlische Festmahl ist nur für die bereitet, die
zur Umkehr fähig sind und die es gelernt haben dem Ruf des
Evangeliums zu folgen.
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