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31. Sonntag im Jahr (Lk 19.1-10):
2007
Zielsatz: Alles, was an Gutem geschieht, hat Bedeutung
für das Werden und Wachsen des Reiches Gottes
1. Sie nannten ihn "Obergauner".
Von Zachäus ist im heutigen Evangelium die Rede. Er war Zöllner
in der Stadt Jericho. Sogar Oberzöllner. Zöllner konnte man
damals nur dann werden, wenn man einen guten Draht zu den Römern
hatte. Diese beanspruchten nämlich die Zollhoheit. Sie konnten
den Zoll an zuverlässige Leute verpachten. Die Zöllner mussten
einen bestimmten Satz abführen. Was sie darüber hinaus
einnahmen, konnten sie für sich behalten. Davon haben die
Zöllner reichlich Gebrauch gemacht. Sie standen in dem Ruf, die
Leute übers Ohr zu hauen und zu erpressen. Sie galten als
wohlhabend, reich. Aber waren sie auch glücklich? Vermutlich
ging es ihnen wie vielen Reichen: sie hatten Freunde, mit denen
sie ihren Wohlstand in üppigen Gelagen ausleben konnten. Aber
auch viele Feinde unter den Leuten, die sich betrogen und
belogen fühlten.
So hat sich Zachäus auch nicht unter die Leute getraut, die
Jesus sehen wollten, der auf dem Weg nach Jerusalem durch
Jericho kam. Wahrscheinlich hätten sie sich offen über ihn
lustig gemacht, ihn zurückgedrängt in die letzte Reihe, wo Jesus
nicht gesehen werden konnte. Aber Zachäus wollte ihn sehen. Zu
viel hatte er von ihm gehört, der ganz anders zu sein schien als
er selbst. So stieg er auf einen Baum. Da konnte ihn niemand
belästigen. Der Baum hatte zudem den Vorteil, dass er alles
sehen und übersehen konnte, ohne selbst gesehen zu werden.
Neugierig, wie er war, hat er von Jesus kaum etwas erwartet. Wie
von den vielen anderen nicht, die ihn verachteten. Unbeliebt,
wie er war, ließ sein "Job" auch nicht sonderlich zu, religiöse
Vorschriften und Gebote zu beachten. Jedenfalls schien die
Mehrheit, die ihn verabscheute, viel gläubiger als er es sich
leisten konnte. Den "Göttern" Geld und Reichtum zu huldigen –
das konnte man nur, wenn man sich zur Religion distanziert
verhielt. Oder man wurde schizophren, indem man trügerisch und
verlogen das eine mit dem anderen in Einklang zu bringen
verstand...
2. Die unverhoffte und unverdiente Ansprache.
Während Zachäus, hin und her gerissen zwischen verschiedenen
Gefühlen und konträren Gedanken, so auf dem Baum sitzt, nähert
sich Jesus. Er bleibt unter dem Baum stehen, schaut nach oben.
Und Zachäus hört Worte, die er nicht für möglich gehalten hatte:
"Zachäus, komm schnell herunter! Heute möchte ich bei dir zu
Gast sein".
Das Evangelium sagt, wie Zachäus reagierte: "Da stieg er schnell
hinunter und nahm Jesus freudig auf". Daß die Leute unwillig und
erbost waren, liegt auf der Hand. Bei einem Sünder kehrt er ein!
Er macht ihn sogar zu seinem Gastgeber! Hier geschieht ja eine
Umwertung aller Werte! Was bisher als richtig und gottgefällig
galt, wird auf den Kopf gestellt. Die schon immer Betrogenen
werden jetzt noch bloß gestellt. Und der andere, der
"Obergauner", steht als der Gerechtfertigte da. Läßt sich Jesus
wirklich erpressen? Weil Zachäus angeblich die Hälfte seines
Vermögens den Armen gibt und unrechtmäßig erworbenes Kapital
vierfach zurückgibt – deshalb läßt sich Jesus auf ihn ein? Sieht
er denn nicht, dass vorher gestohlen wurde, was er danach
"großzügig" zurückerstattet?
3. "Das neue Heil kommt nur aus neuer Liebe".
Warum stiftet Jesus solche Unruhe, solche Verwirrung? Er ist
barmherzig zu den Sündern, sagen wir gewöhnlich. Er ist ein
gnädiger, verzeihender Gott! Er ist voller Güte und Mitleid!
So wahr und richtig solch gängige Erklärungen sein mögen, so
wird meist vergessen, dass die Reden und das Tun Jesu in einem
größeren heilgeschichtlichen Zusammenhang gesehen werden müssen.
Uns fehlt oft das heilsgeschichtliche Denken. Deshalb sehen wir
die Dinge punktuell, einfach situationsbezogen. Dem jüdischen
Denken von damals war stets gegenwärtig, dass es eine Schöpfung
gegeben hatte, die gut war. Aber durch Adam und Eva, Kain und
Abel...waren Sünde und Ungehorsam, Missgunst, Neid und Mord in
die Welt gekommen. Die ganze Schöpfung, auch die Menschen
befanden sich in einem heillosen, unerlösten Zustand.
Jesus kann in die Welt als der "Erstgeborene der ganzen
Schöpfung" (Kol 1.15). Er wollte der verlorenen Welt einen neuen
Anfang setzen. Menschen sollten Mitwirkende an diesem Neuanfang
werden, die Gott "im voraus dazu bestimmt hat, an Wesen und
Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene
von vielen Brüdern sei" (Röm 8.29).
Um die Welt bis zur Ernte heiler und erlöster zu machen, hat
Jesus Menschen berufen und "gerecht gemacht" (Röm 8.30). Er
beruft sie bis auf den heutigen Tag. Immer geht es um das Heil
der Welt und immer um Menschen, die die Worte und Taten Jesu in
ihre eigene Lebenswelt zu übertragen verstehen. Stefan George
hat das Anliegen Jesu auf den Punkt gebracht: "Das neue Heil
kommt nur aus neuer Liebe". –
Der Zöllner Zachäus, der aus dem Heilshandeln Jesu
herauszufallen schien, erwies sich als ungläubiger Zaungast und
zweifelnder Schaulustiger offener als manche andere, deren
Religiosität zum unbelehrbaren Panzer für Neues und Unerwartetes
wird. Der Abstand zu den Inhalten des Glaubens hat ihn in
erfrischender Weise zum Glauben geführt: "Heute ist in dieses
Haus das Heil gekommen... Denn der Menschensohn ist gekommen, um
das Verlorene zu suchen und zu retten".
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