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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

33. Sonntag im Jahr (Mt.25,14-30).

1999

Zielsatz: Wo es darum geht, daß Heilsames und Erlösendes in der Welt geschieht, sind Christen stets in die Pflicht genommen, in die Bewährung gestellt.

1. Gottes Wirken im Zusammenspiel mit menschlichen Möglichkeiten.

Wenn im Evangelium vom "Himmelreich”, vom "Wachsen des Reiches Gottes” die Rede ist, denke ich am liebsten an die Wachstumsgleichnisse. Eines davon steht bei Markus (4,26ff). Da heißt es: Mit dem Reich Gottes ist es, wie wenn ein Mensch Samen auf seinen Acker säht, dann schläft er und steht wieder auf. Es vergehen Tage und Nächte, in denen der Same keimt und wächst, und der Mann weiß nicht, wie. Zuerst wächst der Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre. Sobald die Frucht reif ist, legt der Mann die Sichel an, denn die Zeit der Ernte ist da.

Das Reich Gottes wird an dieser Stelle von Markus wie ein geheimnisvolles Wachsen dargestellt, zu dem der Mensch eigentlich nichts hinzutun muß. Es wächst von selbst. Höchstens in der Zeit der Aussaat und später im Augenblick des Erntens ist der Mensch beteiligt. Zwischen den beiden Zeiten kann er schlafen und spazieren gehen. Denn Gott ist es, der wie ein geheimer Gärtner im Hintergrund das Wachsen und Gedeihen der Saat garantiert.

Ganz anders ist es im heutigen Evangelium. Da wird das Reich Gottes dargestellt aus der Sicht eines Mannes mit viel Vermögen, der auf Reisen geht. Er vertraut seinen Dienern sein Vermögen an. Dem einen gibt er fünf Talente, dem anderen nur zwei oder eins. Hier ist nicht davon die Rede, daß sich die Diener schlafen legen können, um den Gewinn und das Wachstum einem anderen zu überlassen. Im Gegenteil. Bei der Rückkehr des Herrn wird Rechenschaft verlangt. Worüber? Wenn das von Jesus verkündete und begonnene Reich Gottes in seiner Endgültigkeit die vollendete und gänzlich erlöste Welt am Ende der Zeit meint, dann kann sich die "Rechenschaft” des Herrn ja wohl nur auf die Frage beziehen, ob durch einen seiner Diener etwas Heilsames und Erlösendes für ihn selbst oder für andere - wenn auch noch so begrenzt und fragmentarisch - geschehen ist? Es stellt sich heraus: nur einer seiner Diener hat keinen Gewinn gemacht. Er hat sein Talent in der Erde versteckt. Zum Schluß wird er als schlecht, faul und als nichtsnutzig beschrieben. Er wird in die Finsternis hinausgeworfen. Dort wird er heulen und mit den Zähnen knirschen.

2. "Verzweifelt Funktionär, Handlanger, aber nicht Mensch sein wollen”.

Im Evangelium wird auch der Grund genannt, warum der dritte Diener aus seinem Talent nichts gemacht hat. "Weil ich Angst hatte”, heißt es da. Angst: vor wem und vor was? Wenn man sein Verhalten mit dem der anderen vergleicht, könnte man vermuten, daß er Angst hatte vor der Unscheinbarkeit seiner Gabe, seines Talentes. Er konnte an sich selbst nicht glauben. Er fühlte sich zu gering, zu einflußlos, zu minderwertig. Weil er vermutlich viel zu oft wie ein gelähmtes Kaninchen auf eine Schlange starrte, sich mit anderen vergleichend, die anscheinend viel reicher ausgestattet waren als er selbst, traute er sich nichts zu. Eher hat er sich in eine Ecke verkrochen - im Laufe der Zeit immer unfähiger, seine Gabe überhaupt noch wahrzunehmen, die er empfangen hatte.

Thomas von Aquin, der große Theologe des Mittelalters, hat einmal davon gesprochen, daß die entscheidende Fähigkeit des Menschen darin besteht, auch bei vielen Widerständen dennoch im Laufe seines Lebens wachen Herzens zu begreifen, was in ihm steckt. Denn oft lebe der Mensch in der Ablehnung des Anspruchs, der mit seiner Würde gegeben ist. Seine größte Sünde bestehe darin, "verzweifelt nicht er selbst sein zu wollen”. Weil es ihm nicht gelänge, in geistiger Wachheit die Übereinstimmung mit sich selbst zu finden, neige er oft zu Resignation und Pessimismus. Oder zum Gegenteil davon: zu äußerstem Aktivismus, zu Streß und Hektik - alles Ausdrucksformen im Grunde einer inneren Verzweiflung, weil er nicht "Ja” zu sagen vermag zu dem, was er wirklich ist. Aber auch nicht zu dem, was er nicht ist. Also die Nicht-Akzeptanz seiner von Gott gegebenen Gabe und Grenze führe zur Verzweiflung oder in eine Hektik von Arbeitsabläufen, die die Welt immer karger und ärmer machen, die den Menschen zu Langeweile und Sinnlosigkeit verleiten und zum dauernden Totschlagen seiner Zeit. Das Unvermögen von Menschen, in der Hektik einer total verplanten Arbeitswelt noch zu sich selbst zu finden, führe in den Bankrott sinnvoll gelebten Lebens.

Übrigens finden sich solche Gedanken bei heutigen Anthropologen wieder. Z.B. behauptet Erich Fromm, der moderne Mensch, der sich leicht von einer Aktivität in die andere treiben lasse, sei bei aller äußeren Hektik im Grunde höchst "passiv”. Er sei nicht imstande, seine Energien auf das zu konzentrieren, was realistisch und seinsgerecht in ihm stecke. Er habe Angst vor sich selbst, seiner eigenen Lebenswirklichkeit. Er tue alles, um nicht in seine inneren Abgründe schauen, um nicht seine Grenzen und sein Unerlöstsein zur Kenntnis nehmen zu müssen. Seine Lebensflucht heiße: "Wie´s da drinnen aussieht, geht niemand was an”. Er selbst will es aber auch nicht wissen. So spielt er sich und anderen das Schaugeschäft eines überhöhten Ich vor - so lange, bis es zum Zusammenbruch kommt.

3. Warum "frohe Botschaft”?

Auf eine subtile Weise gibt uns das Evangelium Antwort auf die Frage, warum die ersten Christen die Worte und Tate Jesu als "frohmachende Botschaft” verstanden haben und verstehen. "Frohe Botschaft” ist keine gebetsmühlenartig wiederholte Auskunft über das Christentum; auch keine ziemlich nichtssagende Reaktion auf die Lesung eines Evangeliumstextes, der schon deshalb keine spontane Freude aufkommen läßt, weil er viel zu anstrengend ist im Blick auf die "Wahrheiten” und Gottessicherheiten, in denen wir uns allzu gerne einrichten und ausruhen. Das Frohmachende der Botschaft Jesu ist die Erkenntnis, daß im Blick auf das werdende und wachsende Reich Gottes auch das Kleine und Unbedeutende im Leben Wichtigkeit und Unverzichtbarkeit erhalten. Da heißt es nicht mehr wie sonst: "Kleider machen Leute”, oder diejenigen sind die Größten, die äußerlich gesehen groß dastehen, weil sie aus ihrer sozialen Position heraus dauernd Ansehen und Kapital zu schlagen verstehen. Groß sind in den Augen Gottes alle diejenigen, die auch das kleinste Samenkorn zum Wachsen zu bringen vermögen und dazu beitragen, daß die Worte und Taten Jesu in der Geschichte der Menschheit weitergehen. Auch der Mann mit dem nur einen Talent hätte vor Gott ein Großer werden können, wenn er seine Gabe und seine Stunde erkannt hätte. Denn wie jeder Mensch war er dazu geboren und darauf angelegt, trotz aller Grenzen im Leben aufgerichtet, emporgehoben und herausgefordert zu werden zu eigenen Entscheidungen und persönlichen Taten.


Letzte SeitenÄnderung: 08.03.2005.
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