Gratis Info-Brief
Sie möchten regelmäßig über neue Beiträge auf meiner Webseite informiert werden?
Dann abonnieren Sie einfach meinen
Info-Brief...
|
|
33. Sonntag im Jahr (Mt.25,14-30).
1999
Zielsatz: Wo es darum geht, daß Heilsames und
Erlösendes in der Welt geschieht, sind Christen stets in die
Pflicht genommen, in die Bewährung gestellt.
1. Gottes Wirken im Zusammenspiel mit menschlichen
Möglichkeiten.
Wenn im Evangelium vom "Himmelreich”, vom "Wachsen des Reiches
Gottes” die Rede ist, denke ich am liebsten an die
Wachstumsgleichnisse. Eines davon steht bei Markus (4,26ff). Da
heißt es: Mit dem Reich Gottes ist es, wie wenn ein Mensch Samen
auf seinen Acker säht, dann schläft er und steht wieder auf. Es
vergehen Tage und Nächte, in denen der Same keimt und wächst,
und der Mann weiß nicht, wie. Zuerst wächst der Halm, dann die
Ähre, dann das volle Korn in der Ähre. Sobald die Frucht reif
ist, legt der Mann die Sichel an, denn die Zeit der Ernte ist
da.
Das Reich Gottes wird an dieser Stelle von Markus wie ein
geheimnisvolles Wachsen dargestellt, zu dem der Mensch
eigentlich nichts hinzutun muß. Es wächst von selbst. Höchstens
in der Zeit der Aussaat und später im Augenblick des Erntens ist
der Mensch beteiligt. Zwischen den beiden Zeiten kann er
schlafen und spazieren gehen. Denn Gott ist es, der wie ein
geheimer Gärtner im Hintergrund das Wachsen und Gedeihen der
Saat garantiert.
Ganz anders ist es im heutigen Evangelium. Da wird das Reich
Gottes dargestellt aus der Sicht eines Mannes mit viel Vermögen,
der auf Reisen geht. Er vertraut seinen Dienern sein Vermögen
an. Dem einen gibt er fünf Talente, dem anderen nur zwei oder
eins. Hier ist nicht davon die Rede, daß sich die Diener
schlafen legen können, um den Gewinn und das Wachstum einem
anderen zu überlassen. Im Gegenteil. Bei der Rückkehr des Herrn
wird Rechenschaft verlangt. Worüber? Wenn das von Jesus
verkündete und begonnene Reich Gottes in seiner Endgültigkeit
die vollendete und gänzlich erlöste Welt am Ende der Zeit meint,
dann kann sich die "Rechenschaft” des Herrn ja wohl nur auf die
Frage beziehen, ob durch einen seiner Diener etwas Heilsames und
Erlösendes für ihn selbst oder für andere - wenn auch noch so
begrenzt und fragmentarisch - geschehen ist? Es stellt sich
heraus: nur einer seiner Diener hat keinen Gewinn gemacht. Er
hat sein Talent in der Erde versteckt. Zum Schluß wird er als
schlecht, faul und als nichtsnutzig beschrieben. Er wird in die
Finsternis hinausgeworfen. Dort wird er heulen und mit den
Zähnen knirschen.
2. "Verzweifelt Funktionär, Handlanger, aber nicht Mensch
sein wollen”.
Im Evangelium wird auch der Grund genannt, warum der dritte
Diener aus seinem Talent nichts gemacht hat. "Weil ich Angst
hatte”, heißt es da. Angst: vor wem und vor was? Wenn man sein
Verhalten mit dem der anderen vergleicht, könnte man vermuten,
daß er Angst hatte vor der Unscheinbarkeit seiner Gabe, seines
Talentes. Er konnte an sich selbst nicht glauben. Er fühlte sich
zu gering, zu einflußlos, zu minderwertig. Weil er vermutlich
viel zu oft wie ein gelähmtes Kaninchen auf eine Schlange
starrte, sich mit anderen vergleichend, die anscheinend viel
reicher ausgestattet waren als er selbst, traute er sich nichts
zu. Eher hat er sich in eine Ecke verkrochen - im Laufe der Zeit
immer unfähiger, seine Gabe überhaupt noch wahrzunehmen, die er
empfangen hatte.
Thomas von Aquin, der große Theologe des Mittelalters, hat
einmal davon gesprochen, daß die entscheidende Fähigkeit des
Menschen darin besteht, auch bei vielen Widerständen dennoch im
Laufe seines Lebens wachen Herzens zu begreifen, was in ihm
steckt. Denn oft lebe der Mensch in der Ablehnung des Anspruchs,
der mit seiner Würde gegeben ist. Seine größte Sünde bestehe
darin, "verzweifelt nicht er selbst sein zu wollen”. Weil es ihm
nicht gelänge, in geistiger Wachheit die Übereinstimmung mit
sich selbst zu finden, neige er oft zu Resignation und
Pessimismus. Oder zum Gegenteil davon: zu äußerstem Aktivismus,
zu Streß und Hektik - alles Ausdrucksformen im Grunde einer
inneren Verzweiflung, weil er nicht "Ja” zu sagen vermag zu dem,
was er wirklich ist. Aber auch nicht zu dem, was er nicht ist.
Also die Nicht-Akzeptanz seiner von Gott gegebenen Gabe und
Grenze führe zur Verzweiflung oder in eine Hektik von
Arbeitsabläufen, die die Welt immer karger und ärmer machen, die
den Menschen zu Langeweile und Sinnlosigkeit verleiten und zum
dauernden Totschlagen seiner Zeit. Das Unvermögen von Menschen,
in der Hektik einer total verplanten Arbeitswelt noch zu sich
selbst zu finden, führe in den Bankrott sinnvoll gelebten
Lebens.
Übrigens finden sich solche Gedanken bei heutigen Anthropologen
wieder. Z.B. behauptet Erich Fromm, der moderne Mensch, der sich
leicht von einer Aktivität in die andere treiben lasse, sei bei
aller äußeren Hektik im Grunde höchst "passiv”. Er sei nicht
imstande, seine Energien auf das zu konzentrieren, was
realistisch und seinsgerecht in ihm stecke. Er habe Angst vor
sich selbst, seiner eigenen Lebenswirklichkeit. Er tue alles, um
nicht in seine inneren Abgründe schauen, um nicht seine Grenzen
und sein Unerlöstsein zur Kenntnis nehmen zu müssen. Seine
Lebensflucht heiße: "Wie´s da drinnen aussieht, geht niemand was
an”. Er selbst will es aber auch nicht wissen. So spielt er sich
und anderen das Schaugeschäft eines überhöhten Ich vor - so
lange, bis es zum Zusammenbruch kommt.
3. Warum "frohe Botschaft”?
Auf eine subtile Weise gibt uns das Evangelium Antwort auf die
Frage, warum die ersten Christen die Worte und Tate Jesu als "frohmachende
Botschaft” verstanden haben und verstehen. "Frohe Botschaft” ist
keine gebetsmühlenartig wiederholte Auskunft über das
Christentum; auch keine ziemlich nichtssagende Reaktion auf die
Lesung eines Evangeliumstextes, der schon deshalb keine spontane
Freude aufkommen läßt, weil er viel zu anstrengend ist im Blick
auf die "Wahrheiten” und Gottessicherheiten, in denen wir uns
allzu gerne einrichten und ausruhen. Das Frohmachende der
Botschaft Jesu ist die Erkenntnis, daß im Blick auf das werdende
und wachsende Reich Gottes auch das Kleine und Unbedeutende im
Leben Wichtigkeit und Unverzichtbarkeit erhalten. Da heißt es
nicht mehr wie sonst: "Kleider machen Leute”, oder diejenigen
sind die Größten, die äußerlich gesehen groß dastehen, weil sie
aus ihrer sozialen Position heraus dauernd Ansehen und Kapital
zu schlagen verstehen. Groß sind in den Augen Gottes alle
diejenigen, die auch das kleinste Samenkorn zum Wachsen zu
bringen vermögen und dazu beitragen, daß die Worte und Taten
Jesu in der Geschichte der Menschheit weitergehen. Auch der Mann
mit dem nur einen Talent hätte vor Gott ein Großer werden
können, wenn er seine Gabe und seine Stunde erkannt hätte. Denn
wie jeder Mensch war er dazu geboren und darauf angelegt, trotz
aller Grenzen im Leben aufgerichtet, emporgehoben und
herausgefordert zu werden zu eigenen Entscheidungen und
persönlichen Taten.
|