www.fritz-koester.de
Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Aufstand im Geiste Jesu?
Nichts ist notwendiger als das!

Pallottiner-Lesekalender 2001

1. Jesus: Erlöser, Heiland, politischer Führer, Revolutionär?

Viel ist schon über die Frage diskutiert und geschrieben worden, warum Jesus, der doch ein vor Gott Gerechter und Untadeliger war, am Kreuz sterben mußte? Was für den Islam ein Unding ist, wird im Christentum nicht nur bejaht und geglaubt, sondern auch vielfältig begründet: um sein Blut als Lösegeld für die Sünden der Welt zu vergießen; um uns von der Sünde Adams zu befreien; um uns zu erlösen; um der Anfang und Eckstein einer "neuen Schöpfung" zu sein; um der "anbrechenden Gottesherrschaft" mitten unter den Menschen ein siegreiches und hoffnungsvolles Siegel auf Zukunft hin aufzudrücken...

Neben solchen "theologischen" Argumenten gibt es auch eine Vielzahl anthropologischer bzw. sozialpolitischer Sichtweisen. So wurde Jesus oft mit Sokrates verglichen. Sokrates sei in Athen von den politischen Autoritäten zum Giftbecher verurteilt worden, weil er das "Erkenne dich selbst", die Reflexion des Menschen über seine eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen propagierte und dadurch zum "Verführer der Jugend" wurde, d.h. zum Verunsicherer bestehender Ordnungsgefüge. Goethe und Dostojewski meinten, daß Jesus mit seiner Botschaft von der Macht der Liebe einen ähnlichen Prozeß der Selbstreflexion des Menschen ausgelöst habe. Mit seinem "Grundgesetz der Liebe" habe er ein neues Selbstwertgefühl in den Menschen entwickelt; er habe ein Freiheitsbewußtsein sogar bei den sonst Unterprivilegierten und Ausgestoßenen grundgelegt. Sein größter "Fehler" sei dabei gewesen, daß er dem Grundgesetz dieser Welt einen Riegel vorgeschoben habe. Durch seine "Macht der Liebe" habe er die "Liebe zur Macht" der Mächtigen und Einflußreichen gefährdet und bedroht. Im Karfreitags-Ruf der Massen "Kreuzige ihn" sei zudem deutlich geworden, daß Jesus die Menschen gründlich überschätzt habe. Wenn es darauf ankäme, wollten die meisten gar nicht den mühevollen Weg der Freiheit und Eigenentscheidung. Persönlichen Ambitionen nachlaufend, in Traditionen und Ordnungsgefügen beheimatet, zögen sie "Brot und Spiele" immer den unbequemen Wegen des Aufbruchs vor. So werde es das Thema der Weltgeschichte bleiben: religiöse und politische Stabilität gegen "gefährliches" kritisches Denken, sobald es sich zeigt; die Wahrheit der Autorität gegen die Autorität der Wahrheit; die Ambitionen der Welt gegen das Reich Gottes, welches zudem nicht von dieser Welt ist.

2. Ur-Versuchung: Die Vorwegnahme des Reiches Gottes in der Welt.

Die Bemerkung Jesu, daß das Reich Gottes nicht von dieser Welt sei (Joh.18,36), ist ein wichtiger Hinweis dafür, daß sich die Wege Gottes jeder menschlichen Verfügbarkeit entziehen. Wie sich der Same der Verfügbarkeit des Sämanns in dem Augenblick entzieht, in dem der Same in die Erde fällt und bis zum Tag der Ernte den Mächten der Natur und den Gesetzen des Wachstums unterworfen bleibt, so wird auch die Arbeit der Christen am Reich Gottes - allen großen Visionen und Theorien zum Trotz - als bescheidenes Säen und Pflanzen dargestellt. Das Reich Gottes ist einem Sämann gleich, einer Predigt, einer Verkündigung, einem "Kommen" ohne äußerliches Gepränge und Getue, einer Praxis der Liebe in kleinen Schritten und Maßnahmen. Deshalb ist das Reich Gottes immer auch da am meisten lebendig, wo ein Kind in Seinem Namen aufgenommen; wo ein Hungriger gespeist und ein Nackter bekleidet; wo ein Gefangener besucht und ein von Räubern Überfallener gesund gepflegt; wo in einer Krankenstube ein Sterbender tröstend begleitet und in der Hoffnung auf "ewiges Erlöstsein" gestärkt wird...

Wo Christen sich in Gemeinschaften zusammenschließen, müssen sie "alternativ" Werte leben und Lebensformen entwickeln, die, obwohl immer nur ansatzweise möglich, dennoch dem Anspruch entsprechen, daß sie "Licht der Welt" und "Salz der Erde" zu sein haben - also Hoffnung auf eine erlöstere Welt.

Dabei ist oft viel blinder Eifer für die Sache Jesu entwickelt worden. Massive "Aufstände" gegen die von Gott gesetzten menschlichen Grenzen wurden geprobt. Offensichtlich mit dem latent vorhandenen Anspruch, Gott gleich zu sein, sind Christen häufig der Versuchung erlegen, das Reich Gottes mit mächtigen Strukturen und Kompetenzen, mit Wahrheitsbüros, mit Ämtern und systematischen Gedankengebäuden zu identifizieren. Sie haben es auf "Kirche" und "Konfession" reduziert. Die Praxis trotz biblischen Verbots, das Unkraut vom Weizen zu trennen, hat dabei teuflische Früchte getragen. Durch die Fanatisierung des Bewußtseins; durch Gehirnwäsche in Gefängnissen und Strafkammern; durch Exkommunikationen, Ausgrenzungen und Hinrichtungen; durch das Aufbauen von Feindbildern... sind tausendfach Maßnahmen ergriffen worden, um der "reinen Lehre", dem "totalen Glauben", dem "Reich Gottes auf dieser Welt" Türen und Tore zu öffnen. Das Ergebnis solcher Aktivitäten von selbsternannten "Christussen" war immer das Auftauchen der Herrschaft des Anti-Christ. Kardinal Newman und viele andere schildern ihn als eine in der Geschichte immer wieder auftauchende Figur mit "christusähnlichen Zügen". Sein Haupterkennungszeichen besteht darin, daß er am meisten an sich selbst glaubt, an "seine Wahrheit". Alles andere muß ihm unterworfen werden.

3.Aufstand im Geiste Jesu?

Wie das Leben Jesu immer auch als "Aufstand" verstanden werden kann, so partizipieren Christen aller Zeiten an diesem "Aufstand": sowohl gegen die Machenschaften "der Welt" als auch gegen die des menschlichen Herzens. Das Evangelium schildert ihn als Zwiespalt zwischen Gottes- und Menschenglauben, als Kreuzweg, als Verlust des herkömmlichen Lebens, als Praxis einer Jesus-ähnlichen Liebe, als Hoffnung auf eine Zukunft, die auf die Wiederkunft des Messias ausgerichtet bleibt. Bei allem Mühevollen ist aber auch eine frohmachende Kraft damit verbunden. Sie scheint an erster Stelle die Bedürftigen und Beladenen zu erfassen. Denn im Blick auf das werdende und wachsende Reich Gottes erhalten gerade das Kleine und Unbedeutende im Leben Wichtigkeit und Unverzichtbarkeit. Da heißt es nicht mehr wie sonst: "Kleider machen Leute", oder diejenigen sind die Größten, die äußerlich gesehen groß dastehen, weil sie aus ihrer sozialen Position heraus dauernd Ansehen und Kapital zu schlagen verstehen. Groß sind in den Augen Gottes alle diejenigen, die auch dem kleinsten Samenkorn noch zum Wachsen verhelfen.


Letzte SeitenÄnderung: 08.03.2005.
Bitte beachten Sie meine Nutzungsbedingungen.