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Aufstand im Geiste Jesu?
Nichts ist notwendiger als das!
Pallottiner-Lesekalender 2001
1. Jesus: Erlöser, Heiland, politischer Führer,
Revolutionär?
Viel ist schon über die Frage diskutiert und geschrieben worden,
warum Jesus, der doch ein vor Gott Gerechter und Untadeliger
war, am Kreuz sterben mußte? Was für den Islam ein Unding ist,
wird im Christentum nicht nur bejaht und geglaubt, sondern auch
vielfältig begründet: um sein Blut als Lösegeld für die Sünden
der Welt zu vergießen; um uns von der Sünde Adams zu befreien;
um uns zu erlösen; um der Anfang und Eckstein einer "neuen
Schöpfung" zu sein; um der "anbrechenden Gottesherrschaft"
mitten unter den Menschen ein siegreiches und hoffnungsvolles
Siegel auf Zukunft hin aufzudrücken...
Neben solchen "theologischen" Argumenten gibt es auch eine
Vielzahl anthropologischer bzw. sozialpolitischer Sichtweisen.
So wurde Jesus oft mit Sokrates verglichen. Sokrates sei in
Athen von den politischen Autoritäten zum Giftbecher verurteilt
worden, weil er das "Erkenne dich selbst", die Reflexion des
Menschen über seine eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen
propagierte und dadurch zum "Verführer der Jugend" wurde, d.h.
zum Verunsicherer bestehender Ordnungsgefüge. Goethe und
Dostojewski meinten, daß Jesus mit seiner Botschaft von der
Macht der Liebe einen ähnlichen Prozeß der Selbstreflexion des
Menschen ausgelöst habe. Mit seinem "Grundgesetz der Liebe" habe
er ein neues Selbstwertgefühl in den Menschen entwickelt; er
habe ein Freiheitsbewußtsein sogar bei den sonst
Unterprivilegierten und Ausgestoßenen grundgelegt. Sein größter
"Fehler" sei dabei gewesen, daß er dem Grundgesetz dieser Welt
einen Riegel vorgeschoben habe. Durch seine "Macht der Liebe"
habe er die "Liebe zur Macht" der Mächtigen und Einflußreichen
gefährdet und bedroht. Im Karfreitags-Ruf der Massen "Kreuzige
ihn" sei zudem deutlich geworden, daß Jesus die Menschen
gründlich überschätzt habe. Wenn es darauf ankäme, wollten die
meisten gar nicht den mühevollen Weg der Freiheit und
Eigenentscheidung. Persönlichen Ambitionen nachlaufend, in
Traditionen und Ordnungsgefügen beheimatet, zögen sie "Brot und
Spiele" immer den unbequemen Wegen des Aufbruchs vor. So werde
es das Thema der Weltgeschichte bleiben: religiöse und
politische Stabilität gegen "gefährliches" kritisches Denken,
sobald es sich zeigt; die Wahrheit der Autorität gegen die
Autorität der Wahrheit; die Ambitionen der Welt gegen das Reich
Gottes, welches zudem nicht von dieser Welt ist.
2. Ur-Versuchung: Die Vorwegnahme des Reiches Gottes in
der Welt.
Die Bemerkung Jesu, daß das Reich Gottes nicht von dieser Welt
sei (Joh.18,36), ist ein wichtiger Hinweis dafür, daß sich die
Wege Gottes jeder menschlichen Verfügbarkeit entziehen. Wie sich
der Same der Verfügbarkeit des Sämanns in dem Augenblick
entzieht, in dem der Same in die Erde fällt und bis zum Tag der
Ernte den Mächten der Natur und den Gesetzen des Wachstums
unterworfen bleibt, so wird auch die Arbeit der Christen am
Reich Gottes - allen großen Visionen und Theorien zum Trotz -
als bescheidenes Säen und Pflanzen dargestellt. Das Reich Gottes
ist einem Sämann gleich, einer Predigt, einer Verkündigung,
einem "Kommen" ohne äußerliches Gepränge und Getue, einer Praxis
der Liebe in kleinen Schritten und Maßnahmen. Deshalb ist das
Reich Gottes immer auch da am meisten lebendig, wo ein Kind in
Seinem Namen aufgenommen; wo ein Hungriger gespeist und ein
Nackter bekleidet; wo ein Gefangener besucht und ein von Räubern
Überfallener gesund gepflegt; wo in einer Krankenstube ein
Sterbender tröstend begleitet und in der Hoffnung auf "ewiges
Erlöstsein" gestärkt wird...
Wo Christen sich in Gemeinschaften zusammenschließen, müssen sie
"alternativ" Werte leben und Lebensformen entwickeln, die,
obwohl immer nur ansatzweise möglich, dennoch dem Anspruch
entsprechen, daß sie "Licht der Welt" und "Salz der Erde" zu
sein haben - also Hoffnung auf eine erlöstere Welt.
Dabei ist oft viel blinder Eifer für die Sache Jesu entwickelt
worden. Massive "Aufstände" gegen die von Gott gesetzten
menschlichen Grenzen wurden geprobt. Offensichtlich mit dem
latent vorhandenen Anspruch, Gott gleich zu sein, sind Christen
häufig der Versuchung erlegen, das Reich Gottes mit mächtigen
Strukturen und Kompetenzen, mit Wahrheitsbüros, mit Ämtern und
systematischen Gedankengebäuden zu identifizieren. Sie haben es
auf "Kirche" und "Konfession" reduziert. Die Praxis trotz
biblischen Verbots, das Unkraut vom Weizen zu trennen, hat dabei
teuflische Früchte getragen. Durch die Fanatisierung des
Bewußtseins; durch Gehirnwäsche in Gefängnissen und
Strafkammern; durch Exkommunikationen, Ausgrenzungen und
Hinrichtungen; durch das Aufbauen von Feindbildern... sind
tausendfach Maßnahmen ergriffen worden, um der "reinen Lehre",
dem "totalen Glauben", dem "Reich Gottes auf dieser Welt" Türen
und Tore zu öffnen. Das Ergebnis solcher Aktivitäten von
selbsternannten "Christussen" war immer das Auftauchen der
Herrschaft des Anti-Christ. Kardinal Newman und viele andere
schildern ihn als eine in der Geschichte immer wieder
auftauchende Figur mit "christusähnlichen Zügen". Sein
Haupterkennungszeichen besteht darin, daß er am meisten an sich
selbst glaubt, an "seine Wahrheit". Alles andere muß ihm
unterworfen werden.
3.Aufstand im Geiste Jesu?
Wie das Leben Jesu immer auch als "Aufstand" verstanden werden
kann, so partizipieren Christen aller Zeiten an diesem
"Aufstand": sowohl gegen die Machenschaften "der Welt" als auch
gegen die des menschlichen Herzens. Das Evangelium schildert ihn
als Zwiespalt zwischen Gottes- und Menschenglauben, als
Kreuzweg, als Verlust des herkömmlichen Lebens, als Praxis einer
Jesus-ähnlichen Liebe, als Hoffnung auf eine Zukunft, die auf
die Wiederkunft des Messias ausgerichtet bleibt. Bei allem
Mühevollen ist aber auch eine frohmachende Kraft damit
verbunden. Sie scheint an erster Stelle die Bedürftigen und
Beladenen zu erfassen. Denn im Blick auf das werdende und
wachsende Reich Gottes erhalten gerade das Kleine und
Unbedeutende im Leben Wichtigkeit und Unverzichtbarkeit. Da
heißt es nicht mehr wie sonst: "Kleider machen Leute", oder
diejenigen sind die Größten, die äußerlich gesehen groß
dastehen, weil sie aus ihrer sozialen Position heraus dauernd
Ansehen und Kapital zu schlagen verstehen. Groß sind in den
Augen Gottes alle diejenigen, die auch dem kleinsten Samenkorn
noch zum Wachsen verhelfen.
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