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Christi Himmelfahrt (Lk 24.46-53)
Ist Christus zweimal auferstanden?
Zielsatz: Die Christen mussten sich von Anfang an mit
zwei Fragen auseinandersetzen: mit der Frage nach dem Tod und
mit der Frage: was ist mit dem Leben vor dem Tod?
1. Auseinandersetzung mit dem Tod.
Wenn man Ostern und Christi Himmelfahrt zusammennimmt, scheint
es, als sei Jesus zweimal "auferstanden". An Ostern ist davon
die Rede, dass Jesus "am dritten Tage von den Toten auferstand",
wie es auch im Glaubensbekenntnis der Christen heißt. Heute, am
Tag Christi Himmelfahrt, sprechen die Evangelien davon, dass
Jesus seine Jünger segnete, sich von ihnen trennte und "zum
Himmel emporgehoben wurde".
Offensichtlich hängen Auferstehung und Himmelfahrt eng zusammen.
Beide Ereignisse sind schwer genug zu verstehen. Goethe
hat sich in seinem "Doktor Faust" ein für allemal zum Sprecher
aller modernen Skeptiker gemacht. Seine Bekenntnisformel lautet:
"Die Botschaft (des Engels) hör ich wohl, allein mir fehlt der
Glaube". Goethe findet – wie viele moderne Menschen – keinen
Zugang (mehr) zur österlichen Freude. Früher, in seiner Jugend,
vermochten die Osterglocken noch große Zustimmung in ihm
hervorzurufen. Aber später, älter und nüchterner geworden, weiß
Goethe, dass "wir nichts wissen können"; auch nicht, "was die
Welt im Innersten zusammenhält".
Tatsächlich widerspricht der Glaube an die Auferstehung
jeglicher Lebenserfahrung von erwachsenen, denkenden, kritischen
Menschen. Für sie ist das Sterben ein Weg ohne Wiederkehr,
entgültiger Abschied von dieser Erde. Denn keiner ist bisher
zurückgekommen, um den Überlebenden zu sagen, wo sie sind, wie
es ihnen geht und was sie anders machen würden, wenn sie noch
einmal die Möglichkeit dazu hätten...
Was für menschliches Denken so schwer zu begreifen ist, deutet
Paulus aus einer ganz anderen Perspektive. Für ihn ist
die Auferstehung Jesu das Zentrum, die tragende Säule des
Gottesglaubens, mit der alles steht und fällt. Die Auferstehung
gewährt eine Ahnung von einer Welt, die nicht mehr die Welt des
Menschen ist. Sie führt in die Jenseitigkeit Gottes. Für Paulus
hat sich an Ostern etwas Entscheidendes ereignet: In Jesu
Auferstehung wurde für ihn und alle Menschen die Macht des Todes
gebrochen. Der Tod ist nicht mehr das letzte Wort über das
Leben. Denn Gott ist ein Gott des Lebens, der mit seiner Macht
und Fülle alle Grenzen dieser Erde sprengt und übersteigt. Auch
die Verstehensmöglichkeiten des Menschen. Deshalb geht es für
Paulus darum, die Absage an einen Glauben zu betreiben, "der nur
in diesem Leben auf Christus hofft" (vgl 1 Kor 15.19). Sein
Glaube lebt davon, die engen Grenzen des menschlichen Daseins zu
durchbrechen, um mit Christus leben und sterben zu lernen. So
vermag der Mensch in ein neues Leben einzugehen, welches alle
menschlichen Vorstellungen übersteigt. .
2. Was ist mit dem Leben vor dem Tod?
Man muß sich einmal in die Situation der damaligen Gefolgsleute
Jesu hineinversetzen. Sie haben den Menschensohn predigend und
Wunder wirkend erlebt. Sie sind ihm nachgefolgt. In ihnen lebte
die Gewissheit, dass das von Jesus verkündete Reich Gottes noch
zu ihren Lebzeiten in Erfüllung gehen würde. Aber alles kam ganz
anders. Mit der Katastrophe des Karfreitags schien alles zu
Ende. Alle menschlich verständlichen Hoffnungen und Erwartungen
waren dahin. Als dann der Ostermorgen kam, setzte sich die
Botschaft von der Auferstehung nur zögernd durch. Zu sehr waren
alle von Ängsten und Zweifeln befangen. Sie waren enttäuscht und
ohne Hoffnung. Typisch ist der Weg der Jünger nach Emmaus: ihre
Augen waren gehalten; sie verstanden nur langsam, was der Fremde
ihnen zu offenbaren versuchte; sie erkannten ihn nicht – erst
beim Brotbrechen.
Jesus erklärt ihnen den Weg seines Lebens, seines Todes und
seiner Auferstehung. In der Bibel heißt es, dass er vierzig Tage
den Seinen erschien. Sie erkennen ihn in verschiedensten
Situationen: beim Brotbrechen, beim Rufen des Namens, beim
reichen Fischfang... Im Grunde erkennen sie ihn an denselben
Worten und Taten, die sie schon zu Lebzeiten gehört und
bewundert hatten. Sie wussten von Anfang an: durch Jesu Worte
und Taten wird die Saat ausgesät für das Werden und Wachsen des
Reiches Gottes - bis zum Tag der Ernte. Jesus praktizierte für
sie den Anfang einer neuen Schöpfung (Kol 1.15-20).
Am Tag der Himmelfahrt Jesu wird den Jüngern gesagt: "Ihr seit
die Zeugen dafür". Nun ist es an euch, durch eure Worte und
Taten die Saat weiter auszustreuen. Denn ich habe euch ein
Beispiel gegeben. Von nun an wird sich die Macht und
Herrlichkeit Gottes offenbaren im Wachsen des Samenkorns, im
Durchdringen der Welt mit dem Sauerteig des Wortes Gottes, im
Lichtwerden der Worte und Taten Gottes durch jene, die von sich
beanspruchen, in seiner Nachfolge zu stehen. Seit Christi
Himmelfahrt besteht der Auftrag, "alles zu befolgen, was ich
euch geboten habe". Allen wird aber auch die Zusicherung
gegeben, die auch die Emmausjünger schon erfahren durften: Der
Herr geht mit uns, noch ehe wir es bemerken! Bei Mathäus heißt
es: "Ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Welt" (Mt
28.20).
Vielleicht besteht das schwierigste Glaubensbekenntnis von
Christen in den Alltäglichkeiten des Lebens darin, sich mit der
Erfahrung der Jünger vertraut zu machen: Er ist bei uns; er geht
mit uns, auch wenn wir es nicht bemerken!
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