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Erneuerung
Juli 1998
In dem Buch "Christsein an der Wende" wird ein Bischof
geschildert, der seine Gemeinden nicht mehr mit Priestern
besetzen kann. In der allgemein beklagten Situation des
"pastoralen Notstandes" tut er das einzig Richtige und Mögliche,
wenn auch Ungewohnte und daher von vielen als suspekt
Angesehene. Er ruft die Gemeinde zusammen, um ihr die
elementaren Forderungen des Evangeliums in Erinnerung zu rufen
und von den Begabungen der Leute her ein neues Konzept von
Gemeinde zu entwickeln nach dem Grundsatz: Gott gibt seiner
Kirche zu jeder Zeit die nötigen Gnadengaben und Charismen, die
sie braucht, um mit ihren jeweiligen Aufgaben fertig zu werden.
Man muß sie ausfindig machen, statt sie durch liebgewordenes
Ämterverständis zu verhindern. Auf diese Weise wächst die
Gemeinde allmählich in ihre eigenen Aufgaben hinein. Im Leben
bewährte Vertrauenspersonen, Frauen und Männer, werden gefunden,
die der Bischof schließlich mit Vollmachten auszustatten vermag.
Vielleicht ist die heutige Kirchensituation der der biblischen
Zeit nicht ganz unähnlich. In den ersten Jahrhunderten gab es
auch nur die "kleine Herde": im Umfeld die Mehrheit der
Ungläubigen, der Nichtchristen und Desinteressierten! In der
Apostelgeschichte (2,42-47) schildert der hl. Lukas vier
Eckpfeiler, die für das Gemeindeleben unverzichtbar wichtig
sind. Erstens ist es das Festhalten an der Lehre der Apostel.
Diese Lehre ist kein großartiges theologisches
Katechismus-System, sondern meint die dauernde und lebendige
Erinnerung an die Person Jesu, an das, was er in konkreten
Lebenslagen gesagt und getan hat. Die Christen sollen lernen, in
ihren Lebenslagen ähnlich zu denken und zu handeln. Im "Zurück
zur Praxis Jesu" liegt auch heute die Chance zur Überwindung der
Krise der Christenheit.
Der zweite Eckpfeiler ist die Gemeinschaft. Deshalb herrschte in
den frühen Gemeinden nicht die Monologstruktur des Predigens
über theologische Inhalte vor, sondern reger Gedankenaustausch
über die Lebens- und Glaubenserfahrungen aller Beteiligten. Der
Glaube an Christus begründete die Überzeugung von der
persönlichen Würde, Entscheidungs- und Mitsprachekraft des
Einzelnen. Bei allen entscheidenden Fragen mußte ein möglichst
großer Konsens gefunden werden. Die Beziehungsfähigkeit der
Christen wurde dabei oft auf eine harte Probe gestellt.
Letztlich aber erwies sich diese Lebens- und Vorgehensweise als
"prophetisch-zeugnishaft ", als "attraktiv" auch für
"Außenstehende", die auf der Suche nach Gemeinschaft und
Kommunikation waren . Das ungewöhnliche Verhalten der Christen
führte schließlich auch dazu, daß sich die "kleine Herde" nicht
nur behaupten konnte, sondern eine große weltgestaltende Kraft
entfaltete.
Die Lebens- und Menschennähe christlicher Zusammenkünfte machte
den dritten Eckpfeiler eigentlich erst möglich und glaubwürdig:
die nicht ritualisierte und triumphalisierende Feier der
Sakramente als Feste der Gemeinschaft , vor allem der
Eucharistie. In ihr ging es nicht um die "Verwandlung" von Brot
und Wein und um die Frage nach dem dazu geweihten
Bevollmächtigten. Das Pascha-Mahl Jesu war die Erinnerungsfeier
an das "letzte Abendmahl", an Leben, Tod und Auferstehung Jesu.
Es war zugleich ein Fest der Hoffnung auf seine Wiederkunft, an
das vollendete Reich Gottes, welches immer schon durch konkretes
Tun schrittweise im Leben zu verwirklichen war. Der Feier stand
gewöhnlich der Gemeindevorsteher vor oder die Gastgeberin bzw.
Gastgeber, in dessen Haus sich die Christen versammelten.
Der vierte Eckpfeiler war - bei allem Sprechen miteinander - das
Sprechen mit Gott. Beides gehörte zusammen. Das
zur-Sprache-bringen des Lebens untereinander befähigte dazu, das
Leben auch vor Gott im Gebet zur Sprache zu bringen. Das "Vater
unser" zum Beispiel enthält die Bitten um die Gewährung dessen,
was die Jüngerinnen und Jünger Jesu am dringendsten brauchen:
das tägliche Brot, die Vergebung der Schuld, die Bewahrung vor
Versuchungen, die Hoffnung auf das Kommen des vollendeten
Reiches Gottes...
Wenn heute viel von der "Kirche im Koma" geredet wird, so kann
die Krise durchaus fruchtbar gemeistert werden, wenn der Mut zu
ursprünglich-biblischen Wegen wieder aufgebracht wird - mit den
vier Eckpfeilern, die allerdings weittragende Konsequenzen
notwendig machen. Das zweite Vatikanische Konzil, die Würzburger
Synode und andere haben solche schon oft ins Gespräch zu bringen
versucht. Wie die Kirchen heute, so waren die Urgemeinden auch
nicht "ideal" und "harmonisch". Es gab Konflikte,
Mißverständnisse, Streitigkeiten, Rückschläge, Enttäuschungen,
Energieverschwendung und Kraftvergeudung. Solche
"Wüstenerlebnisse" dienten dennoch dazu, sich in der Liebe zu
bewähren. Denn glaubwürdig und zeugnishaft-prophetisch ist
eigentlich nur die Art und Weise, wie Christen im Namen Jesu
konstruktiv miteinander umgehen und Aufgaben gemeinsam angehen -
auch in schweren Zeiten. "Bleibt niemand etwas schuldig; nur die
Liebe schuldet ihr einander immer" (Röm 13,8). Die Liebe ist
letztlich das einzige, was der Christenheit Dauer und Zukunft
verleiht.
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