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Die "frohe Botschaft" verkünden: mit Pauken und Trompeten?
In Afrika habe ich einmal beobachtet, wie ein Staatspräsident
eine Asphaltstraße mitten durch die Wüste bauen ließ. Mit
Geldern der Entwicklungshilfe, versteht sich. Fachleute wußten:
diese Straße ist das Überflüssigste, was man sich denken kann.
Denn die Leute dort hatten keine Autos. Ein paar Hacken zum
Bebauen ihrer Schollen und Holzkarren wären hilfreicher für sie
gewesen. Dennoch waren die Einwohner mit der Straße sehr
zufrieden. Denn ihr Staatspräsident hatte etwas fertiggebracht,
was kein europäischer Gouverneur bisher erreicht hatte.
Imponiergehabe also auf der einen Seite - der Wille, sich im
Einerlei des Alltags mit etwas "Höherem" identifizieren zu
können, auf der anderen Seite. Beides ist dem Ursprung des
Christentums und seinem Gründer fremd. Dennoch haben sich im
Laufe der Jahrhunderte seltsame Gewohnheiten eingeschlichen. Sie
werden so selbstverständlich gepflegt, dass man gar nicht mehr
merkt, wie seltsam sie sind und nicht (mehr) gerade förderlich
für das Verkünden von "frohen Botschaften".
Seit den Zeiten der mittelalterlichen Monarchen und Fürsten hat
sich die Selbstverständlichkeit eingeschlichen, die "frohe
Botschaft" zu verkünden, indem man sich seltsam-exotisch
kleidet. Wenn man sich die Farben der Bischöfe und Kardinäle
ansieht - ihre von den Medien detailliert beschriebenen roten,
violetten oder schwarzen Talare und Strümpfe; ihre violetten
oder rubinen Käppchen auf dem Hinterkopf; ihre Biretts mit und
ohne Quaste; ihre Hüte aus Glanzfilz - , dann kommen
unwillkürlich Fragen auf, die die Menschen bewegt, treibt und
antreibt: in welchem Jahrhundert leben diese Herrschaften
eigentlich? Vertreten sie etwas zentral Substantielles? Oder
wollen sie sich vielleicht doch nur selbst darstellen und
imponieren?
Gottfried Keller hat eine einschlägige Antwort auf solche Fragen
gewußt: "Kleider machen Leute". Nach ihm wird die Kleiderfrage
umso wichtiger und auffälliger herausgeputzt, je größer die
persönlichen Unsicherheiten, psychische Labilität oder gar
sachliche Inkompetenz sind. Exotische Auftritte unterstreichen
vielfach Unfehlbarkeiten, Heiligkeiten, Untadeligkeiten, die
keine sind. Sie machen auf eine subtile Weise unglaubwürdig, was
angeblich so wichtig und unverzichtbar ist. Oder sie nähren den
Verdacht, dass nicht viel sein kann, was auf Pomp und
Äußerlichkeiten angewiesen zu sein scheint.
Neben der Kleiderfrage gibt es ebenso die "Wahrheitsfrage". In
ihren abendländischen Breiten gilt es seit der griechischen
Philosophie als ausgemacht, dass die "Wahrheitsfrage" eine
entscheidend religiöse bzw. christliche Frage ist. Tatsächlich
gibt es seit der frühesten Zeit Fachleute und Gelehrte, die sich
damit beschäftigen. Was ist Wahrheit? Wer bestimmt ihre
endgültige Richtigkeit? Wer definiert und dogmatisiert sie, so
dass sie eine unfehlbar richtige Lehre werden kann?
Wenn das Fragen und Forschen dann zu einer "Lehre" geworden ist,
schlagen die Gelehrten den Leuten die Ergebnisse ihres
jahrzehntelangen Ringens um die Wahrheit um die Ohren. "Wie
Putzlappen", dass heißt: ohne die Menschen in einen ähnlichen
Prozess des Lernens und der Auseinandersetzung hinein zu holen.
Angeblich ist dies nicht mehr möglich, weil "die Wahrheit" ja
lehramtlich feststeht. Jedes unkompetente
selbst-dabei-lernen-Wollen könnte zudem der Wahrheit zuwider
laufen; es könnte Irrlehren und schismatische Aufmüpfigkeiten
produzieren. So werden zweifelhafte bzw. recht uneinsichtige
Behauptungen bzw. faktische Zustände "kirchenamtlich"
aufgestellt und in die Welt gesetzt:
- Die Behauptung, man könne Gott als Person definieren und
seine Gedanken und Absichten schwarz auf weiß nach Hause
tragen. Gott ist dann kein Gott der Geschichte mehr, der im
biblischen Sinne einen Bund mit der Welt und Menschheit
geschlossen hat und sich in "Zeichen der Zeit", in
Lebenserfahrungen und Lebensereignissen zu erkennen gibt,
sondern ein in amtlichen Sätzen und juridischen Festlegungen
"verwalteter Gott".
- Die Verödung des menschlichen Fragens und Suchens nach
Gott als einem Gegenüber menschlicher Lebensgeschichte;
letztlich die Zerstörung der "Bundesreligion", der
"Freundschaftsreligion" Gottes mit den Menschen. Der in
Büchern auswendig gelernte und in Liturgien gefeierte Gott
wird letztlich ein lebensferner Gott, ein "deus absconditus",
der nur über Ämter und Amtsinhaber zu erreichen ist. Denn die
einen "haben" und "verkünden" ihn; die anderen haben sich
danach auszurichten...
Letztlich stecken hinter solchen Ambitionen Haltungen, die
der Evangelist Mathäus Jesus bereits in den Mund gelegt hat: Sie
haben sich auf den Stuhl des Mose gesetzt..., sie schnüren
schwere Lasten zusammen und legen sie den Menschen auf die
Schultern, wollen aber selbst keinen Finger rühren...; sie
machen sich die Gebetsriemen breit und die Quasten an ihren
Gewändern lang; bei jedem Festmahl möchten sie den Ehrenplatz
und die vordersten Sitze haben; auf den Straßen und Plätzen
lassen sie sich gerne grüßen und von den Leuten Rabbi (=
Meister) nennen... "Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen
lassen" (Mt. 23,1-12).
Ohne sich mit dem stets beschworenen und gefürchteten
"Zeitgeist" zu verbünden bzw. ihm auf den Leim zu gehen, täten
kirchliche Autoritäten gut daran, wie alle Menschen zu sein,
indem sie zugeben: wir sind auch nur Menschen; wir machen in
unseren Lebensbereichen genauso viele Dummheiten und Fehler, wie
Verheiratete in der Ehe, wie Eltern bei der Kindererziehung, wie
Putzfrauen im Speiselokal. Statt über das "objektiv Gute" zu
reden, welches es zu repräsentieren und zu indoktrinieren gilt,
sollten sie die Lebenswirklichkeiten der Menschen ernst nehmen
und als ihre eigenen begreifen. Denn darin müssen alle immer
wieder den Mut zu neuem Anfang aufbringen. Nur wenn man die
Ehrlichkeit aufbringt zu sagen: "Heute haben wir Fehler begangen
und eine Schlacht verloren", kann man sich glaubwürdig aufraffen
und sagen: "Morgen müssen wir alle gemeinsam überzeugender
werden, wenn es darum geht, Werte nicht nur zu beschwören,
sondern auch zu erproben und zu leben".
Bei solchen Grundforderungen des Christentums gibt es kein
"oben" und "unten" mehr, nicht Mann und Frau, kein Klerus und
keine Laien. Bei solchen Forderungen sitzen alle in einem und
demselben Boot.
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