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Geschichte für Kommunionkinder
Herbst 1997
Junge Eltern kommen zu mir. Sie sind ein Stück ratlos und
verunsichert. Sie stellen sich vor als die wenigen Eltern, die
sich bereit erklärt haben, als "Katechetinnen" und "Katecheten"
die Erstkommunion ihrer Kinder vorzubereiten. Zweimal im Monat
treffen sie sich mit ihrem Pfarrer. Dieser hat ihnen am Anfang
eine ziemlich dicke Vorbereitungsmappe in die Hand gedrückt.
Ungefähr 100 gedruckte Seiten. Bei den Treffen "liest er uns
eine oder zwei Lerneinheiten vor". So die Auskunft der Eltern.
Zu mehr "Vorbereitung" reicht bei ihm die Zeit offensichtlich
auch nicht. Anschließend sollen sie in die Kindergruppen gehen.
Was tun?
Ihnen dieselben Seiten vorlesen? Wie etwas den Kindern
vermitteln, was sie selbst nicht richtig verstanden haben? Zudem
fangen die Kinder schon an, sich zu langweilen. Wenn es da am
Tag der ersten Kommunion die Geschenke nicht gäbe... Schon jetzt
scheint alles angelegt zu sein auf einen Erstkommuniontag des "Auf-Wiedersehens"
zur Firmung oder zur kirchlichen Trauung.
Es dauert eine Zeitlang, bis die Eltern mir ihre Ratlosigkeit
deutlich gemacht haben. Schließlich wollen sie nicht unbedingt
als "dumm" dastehen. Zählen sie doch selbst seit 20-30 Jahren zu
den "praktizierenden" Katholiken. Sie gehen selbst auch
regelmäßig zur Kommunion. Und nun sehen sie sich plötzlich in
der Situation, etwas weitergeben zu müssen, was ihnen so
selbstverständlich geworden war... Ich stelle mir die Jünger auf
dem Weg mit Jesus durch Galiläa vor. Für jedes Thema, welches
Jesus mit ihnen bespricht, haben sie eine dicke Mappe unter dem
Arm: für das Thema Abendmahl, Sündenvergebung, Krankenbesuche,
Werke der Barmherzigkeit... Ein wenig grotesk ist die Situation
schon, die da heutigen "Jüngerinnen" und "Jüngern" zugemutet
wird.
Schließlich lasse ich mir eine der Mappen geben. Ich will sie mir selbst
anschauen. Beim Durchblättern und Lesen finde ich sie sehr
lehrreich, theologisch ziemlich anspruchsvoll und mit viel
"Stoff" versehen, aber auch mit vielen Beispielen und
Anregungen. Aber im Blick auf die Kinder und deren Eltern, unter
dem Druck des herannahenden "schönsten Tages des Lebens",
dennoch verwirrend. Man sieht sozusagen den Wald vor lauter
Bäumen nicht...
Ich verspreche den Eltern, ihnen eine Geschichte zu schreiben.
Diese müssen alle Kinder verstehen und erzählen lernen. Und die
gemeinsamen Treffen sollen dazu dienen, Einzelabschnitte der
Geschichte mit gemeinsamen Unternehmungen zu bereichern. Z.B.
gemeinsame Weihnachtsvorbereitung durch Singen, Backen,
Spielen und Basteln; Besuch einer Kinderkrankenstation; den
Kranken eine Freude machen oder Anregungen aus der
Kommunionmappe...
Die Geschichte lautet folgendermaßen: "Es war vor sehr langer
Zeit. Schon fast 2000 Jahre ist es her. Da lebte ein Mann. Er
hieß Jesus von Nazareth. In Betlehem wurde er geboren. Wir
feiern heute noch jedes Jahr seinen Geburtstag. An Weihnachten,
wenn das Christkind kommt, wenn alle Leute besonders freundlich
und friedlich miteinander umgehen, wenn sie sich Geschenke
schenken, die Krippe und den Weihnachtbaum festlich schmücken.
Die meisten gehen dann abends oder in der Nacht in die Kirche
und singen Weihnachtslieder, z.B. Stille Nacht, heilige Nacht.
Viele denken dann auch an ihren eigenen Geburtstag. Denn
Weihnachten ist eigentlich auch der Geburtstag aller Christen.
Wäre Christus nicht geboren, gäbe es keine Christen. Der Mann,
über den wir hier erzählen, ging mit sehr offenen Augen und
Ohren durch die Welt, durch sein Vaterland, welches Israel
heißt. Eines Tages sah er, wie große und starke Leute die
kleineren und schwächeren verachteten und vertrieben. Er sah
Kinder und Erwachsene miteinander streiten. Sie führten sogar
Kriege gegeneinander und schossen sich mit Pfeilen und
Steinschleudern tot. Dabei richteten sie großen Schaden an.
Kinder verloren ihre Eltern und die Mütter ihre Männer.
Jesus sagte zu den Leuten: Wenn ihr so weitermacht, wird eines
Tages die Welt von Kriegen verwüstet. Die Menschen werden sich
immer mehr hassen und töten. Es wird keinen Frieden geben, nur
noch Elend und Leid. Macht deshalb Schluß damit! Vertragt euch
jedes Mal, wenn ihr euch gestritten habt! Jesus sah noch andere
Leute: Kranke Kinder und Erwachsene, die kein Arzt mehr heilen
konnte. Er sah Arme, die kaum etwas zum Anziehen hatten. Er sah
Hungrige, denen niemand etwas zu essen gab. Er sah Menschen, die
dachten nur an sich: an ihr Geld, ihre Häuser, ihre Felder und
Schafherden, an ihre Schulausbildung und ihren reichlich
gedeckten Tisch. Es kümmerte sie nicht, daß andere dabei hungern
mußten und immer ärmer wurden. Sie hörten die Schreie der
Kranken und Elenden nicht. Sie wollten sie nicht hören. Sie
hielten sich Ohren und Augen zu, weil es so bequemer für sie
war.
Darüber wurde Jesus sehr zornig. Er sammelte gute Leute um sich:
Große und Kleine, Arme und Reiche, Männer und Frauen. Er sagte
zu ihnen: Folgt meinem Beispiel. Tut, was ich tue. Lernt es,
nach jedem Streit euch wieder zu vertragen. Nehmt Rücksicht
aufeinander. Verzeiht euch nach jedem Unrecht, welches ihr euch
zufügt. Nach jedem Kampf und Krieg schließt Frieden miteinander.
Wenn ihr das Gute tut und das Böse meidet; wenn ihr Kranke
besucht und ihnen zum Gesundwerden helft; wenn ihr den Hungrigen
und Armen Kleidung und Nahrung gebt; wenn ihr helft, das Böse
bei euch zu überwinden, dann bin ich immer bei euch. Bis ans
Ende der Welt werde ich bei euch bleiben. Denn es sind ja meine
Gedanken, die ihr dann denkt; es sind ja meine Worte, die ihr
sprecht; es sind ja meine Taten, die ihr tut.
Es sind Gottes heilsame Wege, die ihr geht. So ist Gott immer
bei euch, mit seiner Kraft und seinem Licht. Gott wird im Leben
euer ständiger Partner und Begleiter sein. Ihr braucht keine
Angst mehr zu haben. Eines Tages haben böse Menschen ihn
umgebracht. Sie haben ihn wie einen Verbrecher ans Kreuz
geschlagen. Denn er hatte Dinge gesagt und getan, die den
Mächtigen und sogar den Frommen nicht paßten.
Diese wollten nämlich so weitermachen wie bisher. Sie wollten
nur an sich denken, an ihren eigenen Vorteil, an ihre Macht und
ihren Reichtum. Weil Jesus ihnen sagte, sie sollten Liebe zu
allen haben, nicht nur zu Familienangehörigen, Freunden und
Verwandten, schlugen sie ihn ans Kreuz. Wir denken jedes Jahr an
seinen Tod.
Jesus starb am Karfreitag, zwei Tage vor Ostern. Am dritten Tag
ist er von den Toten auferstanden. Mitten in seinem Tod hat Gott
selbst eingegriffen. Gott hat gezeigt, daß er den Tod, die
schwerste Krankheit des Menschen, noch heilen kann. Jesus ist so
fortgegangen in das Reich seines Vaters, wo es keine Krankheit
mehr gibt, keinen Streit und keine Kriege.
Wir wissen nicht, wo der Himmel sich befindet. Vielleicht weit
oben in den Sternen, die unendlich weit von der Erde entfernt
sind. Von keiner Rakete erreichbar, da ist der Himmel. Wir
wissen aber, daß wir den Himmel schon jetzt auf dieser Erde
vorbereiten können. Durch unser gutes Leben. Wir glauben auch,
daß Gott unser Partner dabei ist.
Aber bevor Jesus starb, hat er noch einmal seine Jünger um sich
versammelt. Im Saal von Jerusalem hat er Abschied von ihnen
genommen. Er hat seinen Anhängern gesagt: Sagt allen Leuten
weiter, daß ich bei euch bleiben werde, wenn ihr tut, was ich
getan habe. Ich bleibe bei euch: mit meiner Kraft und meiner
Stärke. Dann nahm er das Brot und den Kelch. Er hat alle
aufgefordert, davon zu essen und zu trinken. Und er hat gesagt:
Immer, wenn ihr dieses Brot eßt und aus diesem Kelch trinkt,
sollt ihr euch daran erinnern: Ich bin bei Euch! Auf mich könnt
Ihr Euch verlassen, auch dann, wenn Ihr traurig und müde seid.
Ich bin das Brot für das Leben der Welt... Seitdem essen die
Christen in der Kirche immer dieses Brot des Lebens.
Und immer bereiten sich Kinder auf den Tag ihrer ersten
Kommunion vor. Es soll ein Tag der Freude und der Dankbarkeit
sein, des Feierns und der Geschenke. Denn Gott ist immer mitten
unter uns. Nur dürfen wir nie aufhören zu lernen, so zu denken
und zu handeln, wie Jesus gedacht und gehandelt hat. Wenn wir
versuchen, so zu sein wie er, können wir zufrieden und innerlich
stark fürs Leben werden. Auch wenn die Schule, der Beruf, der
Alltag manchmal schwierig und traurig sind - Gott will durch uns
die Welt friedlicher und schöner machen. Und wir werden selbst
dabei tüchtig und froh". -
Die hier versuchte Geschichte ist keine gute Geschichte. Sie
könnte viel interessanter und kindesgemäßer geschrieben sein.
Auch Eltern und Erwachsene müßten sie gerne lesen und erzählen
können. Sie ist eigentlich nur ein Versuch, das Wesentliche, auf
das es ankommt, zur Sprache zu bringen. Sie könnte eher als
Anregung für möglichst viele Erzähler und Schreiber, für
Künstler und Schriftsteller dienen, ihrerseits das Zentrale der
Botschaft neu zu schreiben und für alle verständlich zu machen.
Jesus hat damals ja auch eine Sprache gesprochen, die die
einfachen und ungebildeten Leute sogar besser verstanden haben
als die Schriftgelehrten und die führende Schicht, der die
Ereignisse um Jesus von Anfang an als suspekt und verdächtig
erschienen.
Die tödlichen Konsequenzen für das Leben Jesu haben sich, wie
wir heute wissen, auch bald herausgestellt. Wer auch immer die
obige Geschichte neu zu schreiben unternimmt; für welche Bilder,
Worte und Beispiele er/sie sich auch immer entscheidet - die
Geschichte müßte folgende inhaltliche Schwerpunkte enthalten:1.
Sie muß deutlich machen, daß sich alles im Christentum um eine
Person handelt, die es kennenzulernen gilt. Christus hat auf
unwahrscheinliche und alle Gewohnheiten sprengende Weise an den
Menschen heilsam und erlösend gehandelt. Als Sohn und Gesandter
Gottes ist er einen Weg gegangen und hat ein Leben geführt,
welches für alle Christen exemplarisch bleibt. Im Blick auf das
"Schon-Jetzt" des Reiches Gottes lautet sein Beispiel: mit
Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Maß heilsam und erlösend
leben und handeln lernen!
Sie muß deutlich machen, daß christliche Existenz nichts anderes
ist als "Nachfolge Christi", d.h. es kommt entscheidend darauf
an, daß durch Christen die heilsamen und erlösenden Worte und
Taten Jesu weitergehen. Deshalb leben Christen auch in
Beziehung, im "Bund" mit Christus. Sie versuchen ein Leben lang,
ihn zu verstehen, ihm in eigenen Lebenslagen auf der Spur zu
bleiben. Sie glauben an das wirklich für die Menschheit Heilsame
und Erlösende seiner Worte und Taten. Deshalb versuchen sie auch
immer, diesen Glauben gegenwärtig zu setzen und in der eigenen
Lebenssituation "Fleisch und Blut" werden zu lassen.
Wenn dies auch noch so "fragmentarisch" und menschlich begrenzt
bleibt - es ist besser als bloßes Reden und Diskutieren darüber.
Denn bloße Worte blenden und täuschen allzu oft; Taten leuchten
und überzeugen.3. Sie muß deutlich machen, daß der gekreuzigte
und auferstandene Christus, treu seiner eigenen Verheißung, bei
uns bleibt bis ans Ende der Welt. Seine Gegenwart und Nähe kann
am meisten gewährleistet und erfahren werden dadurch, daß
Christi Worte und Taten immer wieder "Mensch" werden, d.h.
Praxis der Liebe, der Kommunikation und des Miteinanders.
Ein Kind in seinem Namen aufnehmen; Kranke besuchen; Sterbende
begleiten; mit den Armen sein Brot teilen; den Zurückgebliebenen
eine Chance geben und den Gescheiterten eine neue Zukunft
eröffnen - an solchen Beispielen muß die "Sakramentalität des
Lebens" wieder neu entdeckt und gelebt werden. Christus ist ja
nicht nur da, wenn ein Priester die Wandlungsworte spricht oder
eines der sieben Sakramente spendet. Im Gegenteil: die
Sakramente der Kirche werden erst dann wie aus einem luftleeren
Raum befreit, wenn die Sakramentalität des Lebens diese
buchstäblich wieder mit Leben erfüllt. Gott erweist sich mit
seiner Huld und Kraft als Lebensbegleiter, als Lebenspartner,
als einer, der immer da ist, wenn Menschen sich in seinem Namen
versammeln; der besonders auch in Zeiten der Not, des Elends,
der Krisen und Lebenskatastrophen Kraft und neue Orientierung
schenkt.4. Sie muß deutlich machen, daß es bei den zentralen
Aussagen dieser Botschaft keinen Unterschied gibt zwischen Mann
und Frau, groß und klein, Heide oder Christ... Alle vermögen auf
unterschiedliche Weise Gottes Wege zu gehen und Gottes Taten zu
tun.
Solche (wachsende) Erkenntnis einfacher Leute und gläubiger
Laien machen der herkömmlichen Kirchenverfaßtheit das Leben
schwer. Diese gleicht immer mehr einem in der Wüste gebauten
Schiff, welches bei allem Glanz und bei aller Glorie
fahruntüchtig ist und für viele sinnlos wird. Die Kirche wird
erst dann wieder eine Bedeutung bekommen, wenn sie mit allen
zusammen wieder eine "Nachfolge-Gemeinschaft" wird.
Da Gott immer da ist, wo Menschen leben, lieben, hoffen und
bangen, muß sie ihre Ämter und Dienste so organisieren, daß die
Charismen der vielen (statt die Seilschaften der wenigen) und
das "Wir gemeinsam vor Gott" zum Tragen kommt. Denn auch Gott
ist ein "Gott-mit-uns" und nicht einer "von oben nach unten".
Die Menschen mit ihren Gaben und Grenzen verfehlen und
ignorieren heißt fortan auch immer: Gott zu verfehlen und zu
ignorieren. Und jede Konfession mit einem derartigen Maß an
Ignoranz, wenn auch auf hohem theologischen Niveau, verfehlt
ihre Zeit und ihre eigene Zukunft.
Die Devise muß lauten: Zuerst die Nachfolge Christi im "Jetzt"
der Gottesnähe durch das Tun der Wahrheit; alles andere wird
dann hinzugegeben.
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