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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Glaube in Bewegung.

zu CiG 45/2008, 512, Jan. 2009

Meine Erfahrung mit vielen kirchlichen und religiösen Gruppen lautet: Glaube ist ein inflationärer Begriff geworden. Was ist Glaube? An unendlich viele persönliche Vorstellungen und Einbildungen wird "geglaubt": an Gott, an eine überirdische Macht, an ein göttliches Wesen, an die Vorbildlichkeit des Menschen Jesus von Nazaret, an den Sohn Gottes und seine Auferstehung, an die Lehre der Kirche, an Dogmen und Sätze, an kirchliche Autoritäten und deren Unfehlbarkeit, an liebgewordene Bräuche und Traditionen, an kosmische Kräfte, ans Horoskop, an Sternzeichen, ans Kartenlegen, an Buddha und die vielen Wiedergeburten…

Was auch immer geglaubt und in sonntäglichen Glaubensbekenntnissen von Christen auswendig aufgesagt wird – es hindert sie nicht daran, de facto den Glauben ans Geld, an die Karriere, an den Wohlstand, an Mode, an Schlagzeilen und gesellschaftliche Trends zu praktizieren. Dabei fehlen Intoleranz, Lieblosigkeiten, Mobbing und Ellenbogenverhalten nicht, wenn es um persönliche Vorteile geht. Bei der herkömmlichen "religiösen Erziehung" stellen sich mir die Fragen, ob das Aufsagen von Katechismus-Wahrheiten nicht eher in eine Sackgasse geführt hat, in eine "Glaubens-Illusion"? Ist der christliche Glaube auf weiten Strecken wie ein Wasser geblieben, welches den Stein umspült, ihn aber nicht zu durchdringen vermag?

Wenn ich die Bibel einigermaßen verstanden habe, so ist ursprünglich vom Glauben als "Nachfolge Christi" die Rede, von der Fortsetzung der Worte und Taten Jesu durch Christen und christliche Gemeinden. Glaube also als verbindliche Übernahme der Worte und Taten Jesu in die eigene Lebenswelt! – um der "neuen Gerechtigkeit" willen, um des Reiches Gottes willen, welches schon jetzt, im Hier und Heute seinen Anfang nehmen soll und welches, weil einem wachsenden Samenkorn gleich, keinen Aufschub duldet! Ich stelle mir das Unvorstellbare vor, dass solche Imperative im Laufe von 2000 Jahren Missionsgeschichte mit Menschen anderer Völker und Rassen eingeübt worden wäre - statt ihnen klug erdachte "Wahrheiten" um den Kopf zu schlagen - mit all den Vorurteilen und Verwundungen, die bis heute mächtig und schmerzhaft sind. Vieles wäre anders gelaufen, wenn nicht "geistiger Imperialismus" und menschliche Ambitionen das Geschehen bestimmt hätten, sondern die Anforderungen des Evangeliums…

Im Blick auf Vergangenheit und Gegenwart kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass solches "Glaubensverständnis" Angst macht vor dessen Konsequenzen. Auch die Festlegung des Glaubens in feste Sätze und unfehlbare "Wahrheiten" ist nicht frei von irgendwelchen Ängsten und Eigeninteressen. Vieles in den Kirchen müsste gründlich überprüft und revidiert werden. Es wäre aus mit dem feinsinnigen hochgeistigen Spekulieren über Gott und die Welt. Den Worten müssten Taten folgen, an denen allein man "Glauben" verifizieren kann. Das menschennahe und situationsgemäße "Tun der Wahrheit" in Liebe und Gerechtigkeit würde dazu beitragen, dass sich mehr Friede und Versöhnung unter den Menschen ereignet. Die konsequente Einübung in den Wertekatalog des Evangeliums würde den angeblich "Gläubigen" deutlich machen, dass die im Alltag gelebte "Nachfolge" frohmachend, aber auch anstrengend ist. Nur im "Tun der Wahrheit" kommt man zum Licht. Christen und Kirchen würden - über verbale Beteuerungen hinaus - den Eindruck erwecken, "Licht der Welt" und "Salz der Erde" zu sein. Statt um sich selber zu kreisen, würden sie begreifen, dass das Wirken Gottes in Seiner Schöpfung nicht an eine Kirchenzugehörigkeit gebunden ist. Wie für Gott Menschen in jedem Volk willkommen sind, "die ihn fürchten und Gerechtigkeit üben" (Apg 10.35), so müsste es auch für die Kirchen sein: nicht als Glaubenshüterinnen einer selbst gefertigten Botschaft, sondern als Gebäude aus lebendigen Steinen, deren Fenster und Türen offen stehen, weil sie auf das Ganze der Welt ausgerichtet sind.


Letzte SeitenÄnderung: 21.10.2009.
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