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Kirchenvolksbegehren: Was soll es bewirken??
Paulinus, Sept./Okt. 1995
Eigentlich wäre mit dem Kirchenvolksbegehren schon viel
gewonnen, wenn das Kirchenvolk von unten bis oben aus dem
herkömmlich angelernten uniformen Denken herauskäme und, im Pro
und Contra, auch in den Gemeinden zu pluraleren und toleranteren
Lebenseinstellungen fände. Denn auch sonst im Leben sind die
Menschen wenig für das Motto geeignet: "Alle tanzen nach
derselben Pfeife". Und das ist auch gut so. Aber da tauchen an
vielen Stellen auch große berechtigte Bedenken auf. Warum so
wenige Differenzierungen bei den Zielvorstellungen? Warum eine
solche Sammlung von Forderungen höchst unterschiedlicher Art?
Dazu kommt die Angst vor Stimmungsmache und Polarisierungen.-
Nun, eigentlich hätten wir Christen die Kultur des Streitens und
Klärens, die die Liebe nicht verletzt, längst lernen müssen.
Dazu hatten wie 2ooo Jahre Zeit. Aber auch heute ist es noch
nicht zu spät dazu.
Bischof Spital sei Dank, daß er das Kirchenvolksbegehren aus den
Gottesdiensten heraushalten möchte, offensichtlich aber nicht
aus den Gemeinden. Ich denke dabei an die vielen Bewegungen im
Laufe der letzten 2oo Jahre. Man hat deren Anliegen aus den
Gemeinden herausgehalten: die aufklärerisch-demokratischen, die
sozialen und bis in unsere Zeit die feministischen und die der
Grünen mit ihrem Gespür für die ökologische Bedrohung der
Schöpfung. Oft, als es schon fast zu spät war, haben daraufhin
die Kirchen ihre Stimme erhoben mit dem Ruf: "Hilfe, wir sind
doch auch noch da!" Durch dieses Verhalten des zu-spät-Kommens
im Leben ist den Kirchen immer folgenschwerer das Vertrauen und
die Glaubwürdigkeit abhanden gekommen, ganz abgesehen davon, daß
ihnen der prophetische Auftrag verloren ging. Deshalb gehört zu
Recht das Kirchenvolksbegehren in die Gemeinden, wenn auch in
einem dynamischen Prozeß noch klarere und konkretere Schritte
und Maßnahmen erbetet und erarbeitet werden müssen.
Was das Ganze noch bewirken soll? Nun, ich denke, daß die
Kirchenleitungen in Zukunft viel mehr als je zuvor davon
ausgehen müssen, daß sie es nicht mehr mit "schweigenden
Minderheiten" oder "einfachen Ja-Sagern" zu tun hat, sondern mit
Christen, die an Mündigkeit und Zivilcourage beträchtlich
zugelegt haben. Darin liegen große Gefahren für das
Herkömmliche, aber auch nicht wiederkehrende Chancen für das
Zukünftige.
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