www.fritz-koester.de
Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Neujahr 2004 : Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.

Zielsatz: Menschen brauchen einen "Anker", an dem sie ihr Leben "festmachen".

1. Der Atheist, der von einer Klippe fiel.

Am Ende des alten und am ersten Tag des Neuen Jahres beginne ich mit einer Geschichte. Sie lautet:
Ein Atheist fiel von einer Klippe. Beim Hinunterstürzen packte er den Zweig eines kleinen Baumes. Dort hing er nun zwischen dem Himmel und dem 300 m tiefer liegenden Felsen – wohl wissend, dass er sich nicht viel länger würde festhalten können. Plötzlich kam ihm eine Idee!! "GOTT" rief er so laut er konnte. Schweigen. "GOTT" – schrie er noch einmal, "wenn es Dich gibt, rette mich – und ich verspreche, dass ich an Dich glauben und andere an Dich glauben lehren werde...!" Wieder Schweigen ! – Da ließ er den Zweig vor Schreck beinahe los, als eine kräftige Stimme dröhnte: "Das sagen alle, wenn Not am Mann ist!" "Nein, Gott, nein", rief er laut, "ich bin nicht wie die anderen! Ich hab ja schon begonnen zu glauben – merkst Du das nicht? Ich hab ja schon Deine Stimme vernommen. Nun musst Du mich bloß retten und ich werde Deinen Namen bis ans Ende der Welt verkünden!" – "Gut", sagte die Stimme. "Ich werde dich retten – lass den Zweig los" !!- "Den Zweig loslassen??" schrie er lauthals. "Hältst Du mich für verrückt?"
Nun, dieser Atheist hätte auch ein gläubiger Christ sein können. Die Geschichte wäre kaum anders verlaufen. Wer läßt sich schon frei fallen? Aus bestimmten Anlässen habe ich im vergangenen Jahr öfter an diese Geschichte denken müssen. Die heutige Öffentlichkeit ist voll von Gedanken, die mit diesem "freien Fall" etwas zu tun haben. Viele liebgewordene Sicherheiten schwinden mehr und mehr dahin: der Arbeitsplatz, die Rente, die Kranken- und Altersversicherung, das Nachwachsen einer hinreichend starken jüngeren Generation, die schon immer die beste Garantie auf Zukunft hin gewesen ist.

Aber auch andere Werte verlieren an Kraft und Anziehung. Die Lebenseinstellungen und die Andersartigkeit von Kindern und Jugendlichen werden für die eigenen Eltern oft schwer nachvollziehbar. Die meisten distanzieren sich kritisch von bewährten Einrichtungen und Hoffnungsträgern: von den Kirchen, von den Parteien, von den Gewerkschaften. Das Gespenst ihres "Schrumpfens" wirkt in die Kirchenchöre, die Gesangvereine, die Verbände und Eigeninitiativen bis hin zur "freiwilligen Feuerwehr". Überall fehlt es an jüngerem Nachwuchs. Und die bangen Fragen stellen sich: wohin geht die Reise in dem Neuen Jahr? Wo finden sich noch verbindliche Grundeinstellungen, an die alle gemeinsam glauben? Wo finden sich noch Familien mit Spielregeln, an die sich alle, Eltern wie pubertierende Heranwachsende, zu halten haben und halten? Bei solchen Gesamteindrücken können uns Unsicherheiten und Ängste überfallen. Wer zeigt da den Weg, wer gibt sicheren Halt und Orientierung?

2. Auch Menschen im "freien Fall", wenn von Gott nicht gehalten.

Der große Theologe des Mittelalters, Thomas von Aquin, stellt einmal die Frage nach der Rolle Gottes in diesem universalen Welttheater. Er sagt: wenn Gott die Welt und die ganze Schöpfung nicht dauernd erhalten und retten würde – sie würden ins Nichts zurückfallen, aus dem sie hervorgegangen sind; sie würden den Grund und Boden für ihr Dasein verlieren. Daher kommt es vielleicht, dass sogar Atheisten den Namen Gottes im Munde führen, wenn es ihnen schlecht geht, wenn sie in Notlagen keinen Ausweg mehr wissen. In Grenzsituationen, in Krankheit und Leid, fangen auch oberflächliche Traditionschristen an, tiefer über den Sinn ihres Lebens nachzudenken. Dann kann ein Ruck durch ihr Leben gehen, indem sie sich selbst in größeren Zusammenhängen zu verstehen beginnen. Frühere Zeiten hatten dafür den Grundsatz parat: nicht Wohlstand, Sattsein und Gedankenlosigkeit lehren, sondern "Not lehrt am besten beten".

Religiöse Scharlatane reden deshalb gerne Notsituationen herbei, um die Menschen auf ihre Weise zu bekehren. Sie machen Angst vor einem strafenden Gott, der in die Hölle stürzt, ins ewige Feuer, in unheilvolle Verdammnis. Wenn die Menschen durch Angstmacherei nicht mehr zu gängeln sind, wird Zuflucht zu anderen Gottesbildern genommen. Dann ist Gott nur noch gütig, barmherzig, voller Liebe und Nachsicht. So kommt nicht selten der Eindruck auf, dass der Name Gottes auf ziemlich beliebige Weise gebraucht und missbraucht wird – nicht gerade ein Anreiz für säkularisierte und sogenannte "aufgeklärte" Menschen, ein Stück religiösen Tiefgang für sich zu erobern und diesem auf der Spur zu bleiben.

3. Die Hirten an der Krippe. Sie finden den "Angelpunkt" für ihr Leben.

In all den genannten Zusammenhängen wollen wir das heutige Evangelium lesen und zu verstehen versuchen. Da heißt es: "Die Hirten eilten nach Bethlehem und fanden Maria und Josef und in der Krippe das Kind". Diese "Finden" bedeutet das Ende des hinfälligen und widersprüchlichen Spekulierens über Gott und die Welt. Da kann nicht mehr beliebig an Sätze geglaubt, nach Menschenmaß gehofft und geliebt werden. Gott wurde Mensch, eine geschichtlich konkrete Gestalt. Diese hat uns in vielen durchlebten Situationen gezeigt und Beispiele dafür gegeben, wie sich gottgemäß leben und handeln läßt. In Jesus Christus wurde uns ein "Modellfall" dafür gegeben, dass Glaube und Hoffnung nicht aus der Welt des Alltäglichen hinausführen, sondern mitten in sie hinein.

Seitdem gilt es im Namen und Auftrag Gottes, Mensch zu werden, d.h. alle Kräfte und Eigenschaften sinnvoll zu entfalten, die uns Menschen eigen sind. Das gilt für jeden Tag, auch für das Neue Jahr. Denn auch das Neue Jahr wird uns wieder fordern, uns Vieles abfordern und abverlangen. Indem wir uns im Namen Gottes den auf uns zukommenden Anforderungen stellen, bereitwillig und schöpferisch, gehen wir Schritt für Schritt dem entgegen, der am Ende all unserer Wege steht.

Nicht umsonst finden die Hirten in der Krippe neben dem Kind noch zwei Erwachsene, Maria und Josef. Auch diese haben, wollten wir versuchen, ihr Leben auch nur einigermaßen nachzuzeichnen, in Bethlehem den gefunden, der ihr Kind war und der zugleich in dem sein wollte und musste, "was seinem (himmlischen) Vater gehört" (vgl. Lk.2.49). Wenn wir uns heute also ein frohes und gesegnetes Neues Jahr zurufen, dann sollten wir im Innersten damit meinen: ein sinnvoll gelebtes, erfülltes Neues Jahr! Es möge im Sternzeichen von Bethlehem stehen.


Letzte SeitenÄnderung: 18.07.2007.
Bitte beachten Sie meine Nutzungsbedingungen.