www.fritz-koester.de
Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Papst Johannes XXIII: Appell an das Gute im Menschen!

TE DEUM: November 2007

Er war ein alter Mann, als er Papst wurde. Das Komische daran war, dass er die Kirche wieder jung machen wollte. Er versuchte es mit einem "Pastoralen Konzil". Dessen Grundanliegen ist sehr schnell aus dem Blickfeld geraten. Das lag einfach daran, dass die große Mehrheit der Konzilsväter und Theologen von "Pastoral" im eigentlichen Sinne nichts oder kaum etwas verstanden. Bis heute nicht. Denn sie sind dogmatisch-kirchenrechtlich vorprogrammiert. Sie fragen nach der Wahrheit, nach der möglichst unfehlbaren Wahrheit. Dem entsprechend sieht auch ihr Glaubensverständnis aus. Der Glaube, den sie verkünden, ist ein dogmatisch-kirchenrechtlicher Glaube: ein Glaube an Sätze, an Verlautbarungen, an Gesetze und Verbote, an kirchenamtliche Autoritäten, die dahinter stehen und darüber wachen.

Johannes XXIII. hatte begriffen, dass wir Menschen von heute aus ganz anderem Holz geschnitzt sind. Deshalb sein "pastorales Konzil". "Pastoral" richtet zuerst den Blick auf uns Menschen: nicht als abstrakte Wesen, denen man etwas verkündet, was für alle im gleichen Maße gültig ist. Wir Menschen sind immer sehr konkrete, geschichtliche, unterschiedlich geartete Wesen. Wir bestehen aus Leib und Seele. Wir sind jeweils in eine unmittelbare soziale und geschichtliche Situation hineingestellt. Darin haben wir uns zu bewähren – mit Fragen und Aufgaben, die unsere ureigenen sind, die nicht mit Antworten aus der Vergangenheit zu bewältigen sind. Erst recht nicht, wenn sie "von oben" kommen – von Autoritäten, die ihrerseits, sehr subjektiv, aus ihrer eigenen Erfahrungswelt denken und handeln.

Wir Menschen, wenn wir betroffen sind, fragen nicht mehr zuerst nach der Wahrheit im kirchlichen Sinne. Wir fragen nach unserer eigenen Wahrheit, nach der Wahrheit unseres Lebens. Da wir uns selbst in einer pluralistischen und sich schnell verändernden Welt zur Frage, zum Problem geworden sind, lautet unser Grundanliegen: was ist für mich wichtig? Wie kann ich mein Leben bestehen, es meistern, mit Konflikten, Ängsten und Zweifeln umgehen? Wer sind die wirklich hilfreichen Autoritäten?

Die Gefahr, dass auf solche Fragen beliebig, egoistisch und willkürlich Antworten gesucht werden, ist sehr groß. Ebenso die Versuchung, sich durch Schlagworte und moderne Heilbringerangebote blenden zu lassen. Entscheidend werden in solchen Lebenslagen "exemplarische Menschen", die nicht nur Werte wie Liebe, Gerechtigkeit, Toleranz, Gemeinschaft, Dialog usw. vertreten, sondern deutlich machen, wie sie glaubhaft im Leben damit umgehen; wie sie sie praktizieren und tun. Für uns Menschen, allergisch geworden gegen jede ideologische Überfremdung, ist die Devise gültig: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es" oder – wie es im Johannesevangelium heißt (3.21) - : "Wer die Wahrheit tut, kommt zum Licht". Was nützt also eine Wahrheit, wenn man sie denkt, definiert und darüber redet, ohne dass sie an "Früchten" zu erkennen ist? Im Jakobusbrief steht die Antwort: "Was nützt es, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber es fehlen die Werke" (2.14).

Wir Menschen sind sensibel geworden für das, was für uns und für andere wichtig ist. Deshalb halten wir Ausschau nach anderen, bei denen wir etwas abschauen können. Es können Eltern und Großeltern sein, Lehrer und Erzieher, Arbeitskollegen und Freunde, gelegentlich auch Priester und Theologen. Wenn diese – über sich selbst hinausgehend – noch deutlich zu machen imstande sind, dass sie unter dem Einfluss und in der Nachfolge eines "ganz Anderen" stehen, dann öffnet sich eine Tür zu dem, der die Mitte und der Angelpunkt des Christentums seit 2000 Jahren ist: zur Gestalt Jesu Christi, der in seinem Leben ein Beispiel gegeben hat, wie es geht, menschlich und gottgemäß zu leben. Wir Christen sollten unsere verpflichtende Aufgabe darin sehen, die heilsamen Worte und Taten Jesu in der Geschichte fortzusetzen. So vermögen wir "Licht der Welt", "Sauerteig" und "Salz der Erde" zu sein – biblische Bilder, die das kommende Gottesreich jetzt schon gegenwärtig setzen.

Wenn man heutige Menschen fragt, ob sie noch "glauben" können, dann verweisen sie auf die Übereinstimmung von Anspruch und Wirklichkeit bei denen, an die sie glauben. Wo der Zusammenhang zwischen Worten und Taten erkennbar wird, da entsteht "Glaubwürdigkeit". Glaubwürdig ist letztlich nur die Praxis der Liebe. Darin bestand die "Revolution", die Johannes XXIII. ausgelöst hat. Wo es darum ging, die Menschen im Guten zu stärken und ihre Kompetenz für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt einzufordern, da gab es für ihn nicht mehr Kommunisten, Sozialisten, Liberale und Agnostiker... Für ihn zählte nur noch der Appell an das Gute in allen Menschen! Schließlich galten sie doch immer schon als "Ebenbilder Gottes", als "Krone der Schöpfung".

In seiner Enzyklika "Pacem in terris" hat der Papst alle Menschen guten Willens aufgerufen. Sein "pastorales Denken" hatte sprengende Kraft. Es war in der Lage, Konfessions- und Religionshürden abzubauen, theologische Abgrenzungs- und Selbstbehauptungsmechanismen außer Acht zu lassen, Menschen verschiedenen Glaubens und Weltanschauung auf ein gemeinsames Ziel auszurichten: auf den Frieden, die Liebe und die Gerechtigkeit in der Welt. Damit war er wieder dort angekommen, wo Jesus stand. Auch ihm ging es um das "Schon-Jetzt" des Reiches Gottes mitten in der Welt – nicht in dem Sinne, als könnten wir aus eigener Kraft das verlorene Paradies wieder herstellen. Wohl aber in dem Sinne, dass ein enger Zusammenhang besteht zwischen diesem "Schon-Jetzt" und den Charismen von uns Menschen, die der schöpferische Geist Gottes verleiht. Wo die Charismen möglichst vieler Menschen zur Entfaltung und Blüte kommen, da kann das Reich Gottes werden und wachsen - bis zum Tag der Ernte. Die Ignorierung von uns Menschen dagegen bedeutet die Ignorierung des Heil und Erlösung schaffenden Gottes."


Letzte SeitenÄnderung: 24.10.2007.
Bitte beachten Sie meine Nutzungsbedingungen.