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Papst Johannes XXIII: Appell an das Gute im Menschen!
TE DEUM: November 2007
Er war ein alter Mann, als er Papst wurde. Das Komische daran
war, dass er die Kirche wieder jung machen wollte. Er versuchte
es mit einem "Pastoralen Konzil". Dessen Grundanliegen ist sehr
schnell aus dem Blickfeld geraten. Das lag einfach daran, dass
die große Mehrheit der Konzilsväter und Theologen von "Pastoral"
im eigentlichen Sinne nichts oder kaum etwas verstanden. Bis
heute nicht. Denn sie sind dogmatisch-kirchenrechtlich
vorprogrammiert. Sie fragen nach der Wahrheit, nach der
möglichst unfehlbaren Wahrheit. Dem entsprechend sieht auch ihr
Glaubensverständnis aus. Der Glaube, den sie verkünden, ist ein
dogmatisch-kirchenrechtlicher Glaube: ein Glaube an Sätze, an
Verlautbarungen, an Gesetze und Verbote, an kirchenamtliche
Autoritäten, die dahinter stehen und darüber wachen.
Johannes XXIII. hatte begriffen, dass wir Menschen von heute aus
ganz anderem Holz geschnitzt sind. Deshalb sein "pastorales
Konzil". "Pastoral" richtet zuerst den Blick auf uns Menschen:
nicht als abstrakte Wesen, denen man etwas verkündet, was für
alle im gleichen Maße gültig ist. Wir Menschen sind immer sehr
konkrete, geschichtliche, unterschiedlich geartete Wesen. Wir
bestehen aus Leib und Seele. Wir sind jeweils in eine
unmittelbare soziale und geschichtliche Situation
hineingestellt. Darin haben wir uns zu bewähren – mit Fragen und
Aufgaben, die unsere ureigenen sind, die nicht mit Antworten aus
der Vergangenheit zu bewältigen sind. Erst recht nicht, wenn sie
"von oben" kommen – von Autoritäten, die ihrerseits, sehr
subjektiv, aus ihrer eigenen Erfahrungswelt denken und handeln.
Wir Menschen, wenn wir betroffen sind, fragen nicht mehr zuerst
nach der Wahrheit im kirchlichen Sinne. Wir fragen nach unserer
eigenen Wahrheit, nach der Wahrheit unseres Lebens. Da wir uns
selbst in einer pluralistischen und sich schnell verändernden
Welt zur Frage, zum Problem geworden sind, lautet unser
Grundanliegen: was ist für mich wichtig? Wie kann ich mein Leben
bestehen, es meistern, mit Konflikten, Ängsten und Zweifeln
umgehen? Wer sind die wirklich hilfreichen Autoritäten?
Die Gefahr, dass auf solche Fragen beliebig, egoistisch und
willkürlich Antworten gesucht werden, ist sehr groß. Ebenso die
Versuchung, sich durch Schlagworte und moderne
Heilbringerangebote blenden zu lassen. Entscheidend werden in
solchen Lebenslagen "exemplarische Menschen", die nicht nur
Werte wie Liebe, Gerechtigkeit, Toleranz, Gemeinschaft, Dialog
usw. vertreten, sondern deutlich machen, wie sie glaubhaft im
Leben damit umgehen; wie sie sie praktizieren und tun. Für uns
Menschen, allergisch geworden gegen jede ideologische
Überfremdung, ist die Devise gültig: "Es gibt nichts Gutes,
außer man tut es" oder – wie es im Johannesevangelium heißt
(3.21) - : "Wer die Wahrheit tut, kommt zum Licht". Was nützt
also eine Wahrheit, wenn man sie denkt, definiert und darüber
redet, ohne dass sie an "Früchten" zu erkennen ist? Im
Jakobusbrief steht die Antwort: "Was nützt es, wenn einer sagt,
er habe Glauben, aber es fehlen die Werke" (2.14).
Wir Menschen sind sensibel geworden für das, was für uns und für
andere wichtig ist. Deshalb halten wir Ausschau nach anderen,
bei denen wir etwas abschauen können. Es können Eltern und
Großeltern sein, Lehrer und Erzieher, Arbeitskollegen und
Freunde, gelegentlich auch Priester und Theologen. Wenn diese –
über sich selbst hinausgehend – noch deutlich zu machen imstande
sind, dass sie unter dem Einfluss und in der Nachfolge eines
"ganz Anderen" stehen, dann öffnet sich eine Tür zu dem, der die
Mitte und der Angelpunkt des Christentums seit 2000 Jahren ist:
zur Gestalt Jesu Christi, der in seinem Leben ein Beispiel
gegeben hat, wie es geht, menschlich und gottgemäß zu leben. Wir
Christen sollten unsere verpflichtende Aufgabe darin sehen, die
heilsamen Worte und Taten Jesu in der Geschichte fortzusetzen.
So vermögen wir "Licht der Welt", "Sauerteig" und "Salz der
Erde" zu sein – biblische Bilder, die das kommende Gottesreich
jetzt schon gegenwärtig setzen.
Wenn man heutige Menschen fragt, ob sie noch "glauben" können,
dann verweisen sie auf die Übereinstimmung von Anspruch und
Wirklichkeit bei denen, an die sie glauben. Wo der Zusammenhang
zwischen Worten und Taten erkennbar wird, da entsteht
"Glaubwürdigkeit". Glaubwürdig ist letztlich nur die Praxis der
Liebe. Darin bestand die "Revolution", die Johannes XXIII.
ausgelöst hat. Wo es darum ging, die Menschen im Guten zu
stärken und ihre Kompetenz für Frieden und Gerechtigkeit in der
Welt einzufordern, da gab es für ihn nicht mehr Kommunisten,
Sozialisten, Liberale und Agnostiker... Für ihn zählte nur noch
der Appell an das Gute in allen Menschen! Schließlich galten sie
doch immer schon als "Ebenbilder Gottes", als "Krone der
Schöpfung".
In seiner Enzyklika "Pacem in terris" hat der Papst alle
Menschen guten Willens aufgerufen. Sein "pastorales Denken"
hatte sprengende Kraft. Es war in der Lage, Konfessions- und
Religionshürden abzubauen, theologische Abgrenzungs- und
Selbstbehauptungsmechanismen außer Acht zu lassen, Menschen
verschiedenen Glaubens und Weltanschauung auf ein gemeinsames
Ziel auszurichten: auf den Frieden, die Liebe und die
Gerechtigkeit in der Welt. Damit war er wieder dort angekommen,
wo Jesus stand. Auch ihm ging es um das "Schon-Jetzt" des
Reiches Gottes mitten in der Welt – nicht in dem Sinne, als
könnten wir aus eigener Kraft das verlorene Paradies wieder
herstellen. Wohl aber in dem Sinne, dass ein enger Zusammenhang
besteht zwischen diesem "Schon-Jetzt" und den Charismen von uns
Menschen, die der schöpferische Geist Gottes verleiht. Wo die
Charismen möglichst vieler Menschen zur Entfaltung und Blüte
kommen, da kann das Reich Gottes werden und wachsen - bis zum
Tag der Ernte. Die Ignorierung von uns Menschen dagegen bedeutet
die Ignorierung des Heil und Erlösung schaffenden Gottes."
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