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Thesen, Perspektiven, Impulse
Pastorale Tagung (24.-26.Februar 1997)
- Von Papst Paul VI. stammt das Wort: "Der Bruch zwischen
Evangelium und Kultur ist ohne Zweifel das Drama unserer
Zeitepoche, wie es auch das anderer Epochen gewesen ist "(Ev.
Nuntiandi, Nr.2o). Dieses "Drama" ist keine Eintagsfliege,
sondern hat sich auf langen geschichtlichen Wegen angebahnt.
Heute zeigt es sich in jeder pastoralen Situation darin, daß
große Teile des Kirchenvolkes in Fragen von Religion, Kirche
und Glaube anders denken und empfinden, als es kirchenamtlich
erwünscht und vorgesehen ist. Ein Denken aber, welches keine
kirchliche "Behaustheit" findet, zieht sich in die
individualisierende oder "sektiererische" Religiosität zurück,
wo sie in tausendfacher Vielfältigkeit Wurzeln zu schlagen
versucht. Vielleicht gehört die selbstverständliche Distanz
von der herkömmlichen Kirchlichkeit "ohne Gewissensbisse" und
ohne das Bewußtsein, "daß man/frau etwas Wichtiges dabei
versäumt", zu den beunruhigendsten Erscheinungsformen dieses
Dramas.
- Die bisherige Pastoral versucht auf weiten Strecken, mit
interessanten und lebensnahen "Angeboten", mit feierlichen
Gottesdiensten zu reagieren und im Zusammenhang mit den
Sakramenten/Sakramentalien die Menschen "noch einmal" zu
erfassen, wozu Lebensumbrüche und -umstände mancherlei Anlässe
bieten. Im ganzen gesehen erweckt dieses Vorgehen den
nachhaltigen Eindruck, daß Kirche, Glaube und Religion nur
punktuell etwas mit dem Leben zu tun haben. Dieses
"Punktuelle" wird auch gerne in Anspruch genommen, bleibt aber
ohne verhaltensändernde und gesellschaftsgestaltende Kraft.
Auf der Seite der "Hauptamtlichen" wächst dabei das Gefühl der
Hilflosigkeit und Erfolglosigkeit. Es artet in Frustration und
Resignation aus oder läßt sich durch einen Aktivismus bis zum
"Es geht nicht mehr" aufsaugen bzw. "auspowern", wie es die
innere Struktur und Dynamik einer Organisations- und
Angebotskirche vorzugeben scheint.
- Ein "Paradigmenwechsel" ist das dringlichste Gebot der
Stunde. Denn es besteht kein Zweifel, daß sich das Christentum
im Laufe der Jahrhunderte zu einer (männlichen) Theologen- und
Spezialistenreligion auf hohem akademisch-universitären Niveau
entwickelt hat und dabei - ausgenommen sind die
folkloristischen Elemente - eine Sprache spricht, die vom
einfachen Kirchenvolk nicht nur nicht verstanden wird, sondern
auch das konkrete Leben der Menschen nicht zu artikulieren
vermag (Das müßten die Leute selbst wieder leisten lernen!).
Die Tatsache, daß das Kirchenvolk, falls noch vorhanden, immer
mehr aufhört, die Rolle der stummen Zuhörer und religiösen
Konsumenten zu spielen, bedarf nicht nur der pastoralen
Unterstützung zur Bildung und Entwicklung einer "Theologie des
Volkes", sondern muß sich auch der Ängste auslösenden
Konsequenzen bewußt bleiben. Die stets postulierte und
beschworene Communio-Ecclesiologie ist, wenn sie nicht eine
bloße Worthülse bleiben soll, ein wagnisreiches und
krisenhaftes Unternehmen, welches viele unbequeme Fragen
aufwirft im Blick auf eine zu ermöglichende "Spiritualität aus
der Mitte des Lebens", im Blick auf Kirchenstrukturen, Ämter
in der Kirche und synodale Entscheidungsprozesse... Spätestens
seit dem Konzil zeigt sich: Wenn Fragen einmal aufgeworfen
sind, aber aus Unfähigkeit oder Unwilligkeit keine
befriedigende Beantwortung finden, lösen sie erdrutschartige
Einbrüche aus. Besser wäre es, die Fragen gar nicht erst
aufkommen zu lassen - allerdings mit der Konsequenz, daß der
Problemstau immer größer wird und das Ausbluten der Gemeinden
immer bedrohlicher voranschreitet.
- Wo das Kirchenvolk wieder als mitgestaltender und
impulsgebender Faktor anerkannt wird, stellt sich die Frage
nach den elementaren Anliegen der Botschaft Jesu, nach den
"Quellen" und dem christlichen Urgestein, welches jede/jeder
"sehen" und verstehen kann - wie es damals auch von den
einfachen Fischern und Handwerkern schon am besten verstanden
wurde. Anscheinend ging es Jesus (wie dem Volk von damals und
heute) gar nicht so sehr um ein "Lehrsystem", welches das
"Ganze des Glaubens" zu glauben vorgibt; auch nicht primär um
feierliche Riten und Liturgien oder gelungene "Sakramentenpastoral",
sondern um die "ars vitae" im Sinne und im Namen dessen, was
Jesus gesagt, getan und gelebt hat und der es wenigstens
ansatzsweise gelingt, "Licht der Welt" und "Stadt auf dem
Berge" zu sein. Es muß dringend über den Satz Jesu nachgedacht
werden: "Suchet zuerst das Reich Gottes und seine
Gerechtigkeit und alles andere wird euch hinzugegeben werden"
(Mt 6,33) - auch die notwendenden Formen des Kircheseins, die
Formen sakramentaler und liturgischer Gestaltung, die immer
das Ergebnis des Suchens konkreter Menschen sind; aber niemals
das konkrete Fragen und Suchen überlagern oder ersticken
dürfen. Denn immer sind es die lebendigen Menschen, über die
Gott seine Wege in die Welt sucht. Wer bei allem
Theologisieren die Menschen so oder so, bewußt oder unbewußt,
schuldig oder unschuldig ignoriert, ignoriert das primäre
Ereignis der Menschwerdung Gottes, von dem aus alles seinen
Anfang genommen hat und auch in Zukunft immer wieder nehmen
muß.
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