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Pfingsten und Firmung: die unverstandenen Feste.
Zielsatz: Die Lebensgeschichte des Menschen – Wirkfeld
des heiligen Geistes.
1. Die unverstandenen Feste.
Neulich wurde ich von einer Eltern- und Erwachsenengruppe zu
einem Vortrag eingeladen. Das Thema sollte heißen: "Die
unverstandenen Feste: Pfingsten und Firmung". Am Telefon wurde
mir gesagt, dass sie vom heiligen Geist "keine Ahnung" hätten.
Deshalb könnten sie auch mit Kindern und Jugendlichen nicht
darüber sprechen.
Als ich an dem besagten Abend dorthin kam, war eine überraschend
große Zahl Erwachsener versammelt. Aber auch viele Jugendliche
waren anwesend. Sie saßen in den ersten Reihen. Jetzt erst
erfuhr ich, dass sie sich mit ihren Eltern und Katecheten auf
die Firmung vorbereiteten. Zudem war es kurz vor Pfingsten. Im
Anblick einer solch gemischten Versammlung wurde mir die Brisanz
meines Themas bewusst. Was sollte ich ihnen sagen? Über den
heiligen Geist sprechen, die dritte Person in der heiligen
Dreifaltigkeit? Über den Geist Gottes, der vor der Erschaffung
der Welt über den Abgründen schwebte? Über das
Pfingst-Evangelium, in dem davon die Rede ist, dass der heilige
Geist in Feuerzungen auf die Jünger herabkam?
In meiner Unsicherheit entschied ich mich zu einem Gespräch mit
den Jugendlichen. Wie sich herausstellte, besuchten die meisten
das Gymnasium. Bei meiner Frage, wozu sie die Schule besuchten
und was sie einmal werden wollten, löste sich das Eis der
Beklemmung. Alle hatten sich schon einmal Gedanken über ihre
Zukunft gemacht. Einer wollte Schauspieler werden, ein anderer
Architekt. Einer interessierte sich für den Beruf des
Kameramanns beim Fernsehen, ein anderer für den Lehrerberuf.
Alle denkbaren Berufe kristallisierten sich heraus: Tierärztin,
Krankenschwester, Frau und Mutter, Sekretärin, Volkswirtin,
Beamter beim Staat, Polizist, Politiker...
Mir fiel die große Ernsthaftigkeit auf, mit der sie über ihre
Zukunftsaussichten und die zu erwartenden Schwierigkeiten
sprachen. Aber auch die Vielgestaltigkeit ihrer Wünsche und
Erwartungen. Niemand lachte, wenn jemand über einen Beruf
sprach, der im heutigen allgemeinen Bewusstsein keinen hohen
Stellenwert genießt. Ich teilte den Jugendlichen meine Eindrücke
mit. Wie kam es, dass jede/jeder andere Träume verfolgte? Warum
nahm jede/ jeder den anderen ernst? Bei allen humorvollen und
spritzigen Bemerkungen – warum lachten sie sich nicht
gegenseitig und hochnäsig aus? Wie kam es, dass bei solch
persönlichen Fragen und Anliegen so viel Toleranz und
gegenseitige Akzeptanz vorherrschend waren?
Vielleicht war ich jetzt bei "meinem Thema" angekommen. Ich
sagte ihnen, dass ich bei der Vielzahl der Gesichter und
Anliegen ein paar für mich wichtige Beobachtungen gemacht hatte:
ich nannte ihre Sprache, die alle sprachen und verstanden. In
diesem Fall war es nicht die allen verständliche Sprache der
Musik und des Tanzes; der bildenden Kunst und des Films. Hier
war eine Sprache gesprochen worden, die alle existentiell
anging und berührte. Ich nannte sie die Sprache einer
grenzüberschreitenden Menschlichkeit und universalen
Gerechtigkeit, die hier zum Vorschein kam. Mir fielen auch
ein paar Bedingungen und Voraussetzungen ein, die
nötig sind, damit Solches unter Menschen möglich wird: die
innere Sicherheit bei jedem, dass er "seinen Weg" und "seinen
Beruf" findet bzw. gefunden hat; dass das in jedem Menschen
Angelegte zur Entfaltung kommt; dass die Individualität und
Einmaligkeit jeder Person im Konzert des Welttheaters eine
Chance bekommt; dass niemand über den anderen hochnäsig regiert;
dass sich kein Volk über das andere erhebt; dass das Sprechen
über die "Würde des Menschen" keine schweigend hingenommene
Phrase von Sonntagsrednern wird...
Ich kam dann auf die Rede des Petrus an Pfingsten zu sprechen:
"In den letzten Tagen... werde ich von meinem Geist ausgießen
über alles Fleisch. Eure Söhne und Töchter werden Propheten
sein, eure jungen Männer werden Visionen haben. Auch über meine
Knechte und Mägde werde ich von meinem Geist ausgießen in jenen
Tagen, und sie werden Propheten sein..."(Apg 2.17ff).
2. Alle verstanden dieselbe Sprache.
Im Evangelium ist davon die Rede, dass alle damals dieselbe
Sprache verstanden: die Galiläer, Parther, Meder, Elamiter und
Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, von Pontus und
die Provinz Asien, von Ägypten und Libyen (Apg 2.7ff). Damit ist
sicher nicht gemeint, als habe es sich um eine Universalsprache
gehandelt, z.B. Esperanto oder Universal-Latein. Gemeint ist ein
Sprache, die die letzten entscheidenden Fragen des Lebens; die
tiefsten, oft schlummernden Hoffnungen und Sehnsüchte aller
Menschen zum Ausdruck bringt. Gemeint ist nicht (mehr) die
Sprache von Führern, von Priestern oder von irgendwelchen
Spezialisten in "Sachen Religion".
Es wird eine Zeit angesagt, in der jedes Herz von Gott
unmittelbar angesprochen und getroffen wird. Alle sollen und
werden aus ihrem eigenen Fleisch heraus, aus ihrem eigenen
Herzen und ihrer eigenen Erfahrung heraus zu prophetischen
Menschen werden. Die Voraus-setzungen wurden z.T. schon genannt:
jeder Mensch muß sich zu einem eigenen Leben bekehren; jeder muß
seinen eigenen Selbststand einüben lernen – in Freiheit und
Verantwortung; jeder muß, seinen Gaben und Fähigkeiten
entsprechend, sein Leben zu leben lernen – ohne Selbsttäuschung
und Selbstbetrug, ohne Über- und Unterschätzung dessen, was er
ist. Das menschliche Leben muß sozusagen aus der Tiefe der
eigenen Visionen und Träume erwachsen.
Wer um das Pfingstereignis weiß, der versteht die Vision Jesu:
"Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die
Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch
soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der
soll euer Diener sein..."(Mt 20.24ff). – Mit anderen Worten: der
soll lernen, anderen nicht etwas anzutun, was man selbst nicht
erleiden möchte; anderen das zuzugestehen, was für einen selbst
wichtig ist.
3. Der Geist kommt "von oben", weil er "unten" schon gewirkt
hat.
Es wäre ein Irrtum zu meinen, dass der Geist Gottes an Pfingsten
oder bei der Firmung "von oben" kommt. Er kommt nur dann "von
oben", wenn er sich "unten" bereits mit dem elementaren Leben
von Menschen verbunden hat. Denn "in Ihm leben wir, bewegen wir
uns und sind wir" (Apg 17.28). In der Pfingstsequenz, welche um
das Jahr 1200 entstanden ist, heißt es: "In der Unrast schenkst
du Ruh, hauchst in Hitze Kühlung zu, spendest Trost in Leid und
Tod". –
In diesem Text wird eine vielen Menschen vertraute Erfahrung ins
Bild gebracht: mitten in den schlimmsten Krisen des Lebens
spüren sie plötzlich eine innere Kraft und unvermutete Stärke.
Nach unerträglichen Situationen des Leidens oder einer schweren
Krankheit vermögen viele zu sagen: "Noch einmal mitmachen möchte
ich es nicht. Aber missen möchte ich es auch nicht". – Oder:
"Ich bin auf Gedanken gekommen, die ich vorher nie gehabt
habe". – Oder: "Was ich erduldet und erlitten habe, hat meinem
Leben eine neue Richtung gegeben; ich sehe Vieles jetzt mit ganz
anderen Augen; Vieles früher Wichtige ist unwichtig geworden und
Vieles früher Unwichtige ist wichtig geworden". -
In solchen Erfahrungen wird das Zentrale der Botschaft des
Evangeliums entdeckt: Gott führt uns nicht hinaus aus unseren
Situationen der Begrenztheit und Unerlöstheit. Gott kommt im
Gegenteil herein in unsere Situationen und führt uns auf Wege,
die wir von uns aus nicht gewollt haben. Er zeigt uns Horizonte
des Ewigen und Unvergänglichen. So werden wir fähig – oder wir
werden es nicht - , unser Leben nicht unbedingt anders zu
gestalten, aber doch anders zu sehen und zu bewältigen. Denn der
Mensch ist von Gott nicht als "Eintagsfliege" gedacht, nicht als
rein "horizontales Wesen", sondern als "Ebenbild", welches in
einem größeren Zusammenhang der Vorhaben Gottes mit der gesamten
Schöpfung steht. Dies im Glauben zu lernen, dies hoffend -
liebend durchzustehen, ist vielleicht die größte
Herausforderung, die das Leben an uns stellt.
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