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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Pfingsten und Firmung: die unverstandenen Feste.

Zielsatz: Die Lebensgeschichte des Menschen – Wirkfeld des heiligen Geistes.

1. Die unverstandenen Feste.

Neulich wurde ich von einer Eltern- und Erwachsenengruppe zu einem Vortrag eingeladen. Das Thema sollte heißen: "Die unverstandenen Feste: Pfingsten und Firmung". Am Telefon wurde mir gesagt, dass sie vom heiligen Geist "keine Ahnung" hätten. Deshalb könnten sie auch mit Kindern und Jugendlichen nicht darüber sprechen.

Als ich an dem besagten Abend dorthin kam, war eine überraschend große Zahl Erwachsener versammelt. Aber auch viele Jugendliche waren anwesend. Sie saßen in den ersten Reihen. Jetzt erst erfuhr ich, dass sie sich mit ihren Eltern und Katecheten auf die Firmung vorbereiteten. Zudem war es kurz vor Pfingsten. Im Anblick einer solch gemischten Versammlung wurde mir die Brisanz meines Themas bewusst. Was sollte ich ihnen sagen? Über den heiligen Geist sprechen, die dritte Person in der heiligen Dreifaltigkeit? Über den Geist Gottes, der vor der Erschaffung der Welt über den Abgründen schwebte? Über das Pfingst-Evangelium, in dem davon die Rede ist, dass der heilige Geist in Feuerzungen auf die Jünger herabkam?

In meiner Unsicherheit entschied ich mich zu einem Gespräch mit den Jugendlichen. Wie sich herausstellte, besuchten die meisten das Gymnasium. Bei meiner Frage, wozu sie die Schule besuchten und was sie einmal werden wollten, löste sich das Eis der Beklemmung. Alle hatten sich schon einmal Gedanken über ihre Zukunft gemacht. Einer wollte Schauspieler werden, ein anderer Architekt. Einer interessierte sich für den Beruf des Kameramanns beim Fernsehen, ein anderer für den Lehrerberuf. Alle denkbaren Berufe kristallisierten sich heraus: Tierärztin, Krankenschwester, Frau und Mutter, Sekretärin, Volkswirtin, Beamter beim Staat, Polizist, Politiker...

Mir fiel die große Ernsthaftigkeit auf, mit der sie über ihre Zukunftsaussichten und die zu erwartenden Schwierigkeiten sprachen. Aber auch die Vielgestaltigkeit ihrer Wünsche und Erwartungen. Niemand lachte, wenn jemand über einen Beruf sprach, der im heutigen allgemeinen Bewusstsein keinen hohen Stellenwert genießt. Ich teilte den Jugendlichen meine Eindrücke mit. Wie kam es, dass jede/jeder andere Träume verfolgte? Warum nahm jede/ jeder den anderen ernst? Bei allen humorvollen und spritzigen Bemerkungen – warum lachten sie sich nicht gegenseitig und hochnäsig aus? Wie kam es, dass bei solch persönlichen Fragen und Anliegen so viel Toleranz und gegenseitige Akzeptanz vorherrschend waren?

Vielleicht war ich jetzt bei "meinem Thema" angekommen. Ich sagte ihnen, dass ich bei der Vielzahl der Gesichter und Anliegen ein paar für mich wichtige Beobachtungen gemacht hatte: ich nannte ihre Sprache, die alle sprachen und verstanden. In diesem Fall war es nicht die allen verständliche Sprache der Musik und des Tanzes; der bildenden Kunst und des Films. Hier war eine Sprache gesprochen worden, die alle existentiell anging und berührte. Ich nannte sie die Sprache einer grenzüberschreitenden Menschlichkeit und universalen Gerechtigkeit, die hier zum Vorschein kam. Mir fielen auch ein paar Bedingungen und Voraussetzungen ein, die nötig sind, damit Solches unter Menschen möglich wird: die innere Sicherheit bei jedem, dass er "seinen Weg" und "seinen Beruf" findet bzw. gefunden hat; dass das in jedem Menschen Angelegte zur Entfaltung kommt; dass die Individualität und Einmaligkeit jeder Person im Konzert des Welttheaters eine Chance bekommt; dass niemand über den anderen hochnäsig regiert; dass sich kein Volk über das andere erhebt; dass das Sprechen über die "Würde des Menschen" keine schweigend hingenommene Phrase von Sonntagsrednern wird...

Ich kam dann auf die Rede des Petrus an Pfingsten zu sprechen: "In den letzten Tagen... werde ich von meinem Geist ausgießen über alles Fleisch. Eure Söhne und Töchter werden Propheten sein, eure jungen Männer werden Visionen haben. Auch über meine Knechte und Mägde werde ich von meinem Geist ausgießen in jenen Tagen, und sie werden Propheten sein..."(Apg 2.17ff).

2. Alle verstanden dieselbe Sprache.

Im Evangelium ist davon die Rede, dass alle damals dieselbe Sprache verstanden: die Galiläer, Parther, Meder, Elamiter und Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, von Pontus und die Provinz Asien, von Ägypten und Libyen (Apg 2.7ff). Damit ist sicher nicht gemeint, als habe es sich um eine Universalsprache gehandelt, z.B. Esperanto oder Universal-Latein. Gemeint ist ein Sprache, die die letzten entscheidenden Fragen des Lebens; die tiefsten, oft schlummernden Hoffnungen und Sehnsüchte aller Menschen zum Ausdruck bringt. Gemeint ist nicht (mehr) die Sprache von Führern, von Priestern oder von irgendwelchen Spezialisten in "Sachen Religion".

Es wird eine Zeit angesagt, in der jedes Herz von Gott unmittelbar angesprochen und getroffen wird. Alle sollen und werden aus ihrem eigenen Fleisch heraus, aus ihrem eigenen Herzen und ihrer eigenen Erfahrung heraus zu prophetischen Menschen werden. Die Voraus-setzungen wurden z.T. schon genannt: jeder Mensch muß sich zu einem eigenen Leben bekehren; jeder muß seinen eigenen Selbststand einüben lernen – in Freiheit und Verantwortung; jeder muß, seinen Gaben und Fähigkeiten entsprechend, sein Leben zu leben lernen – ohne Selbsttäuschung und Selbstbetrug, ohne Über- und Unterschätzung dessen, was er ist. Das menschliche Leben muß sozusagen aus der Tiefe der eigenen Visionen und Träume erwachsen.

Wer um das Pfingstereignis weiß, der versteht die Vision Jesu: "Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein..."(Mt 20.24ff). – Mit anderen Worten: der soll lernen, anderen nicht etwas anzutun, was man selbst nicht erleiden möchte; anderen das zuzugestehen, was für einen selbst wichtig ist.

3. Der Geist kommt "von oben", weil er "unten" schon gewirkt hat.

Es wäre ein Irrtum zu meinen, dass der Geist Gottes an Pfingsten oder bei der Firmung "von oben" kommt. Er kommt nur dann "von oben", wenn er sich "unten" bereits mit dem elementaren Leben von Menschen verbunden hat. Denn "in Ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir" (Apg 17.28). In der Pfingstsequenz, welche um das Jahr 1200 entstanden ist, heißt es: "In der Unrast schenkst du Ruh, hauchst in Hitze Kühlung zu, spendest Trost in Leid und Tod". –

In diesem Text wird eine vielen Menschen vertraute Erfahrung ins Bild gebracht: mitten in den schlimmsten Krisen des Lebens spüren sie plötzlich eine innere Kraft und unvermutete Stärke. Nach unerträglichen Situationen des Leidens oder einer schweren Krankheit vermögen viele zu sagen: "Noch einmal mitmachen möchte ich es nicht. Aber missen möchte ich es auch nicht". – Oder: "Ich bin auf Gedanken gekommen, die ich vorher nie gehabt habe". – Oder: "Was ich erduldet und erlitten habe, hat meinem Leben eine neue Richtung gegeben; ich sehe Vieles jetzt mit ganz anderen Augen; Vieles früher Wichtige ist unwichtig geworden und Vieles früher Unwichtige ist wichtig geworden". -

In solchen Erfahrungen wird das Zentrale der Botschaft des Evangeliums entdeckt: Gott führt uns nicht hinaus aus unseren Situationen der Begrenztheit und Unerlöstheit. Gott kommt im Gegenteil herein in unsere Situationen und führt uns auf Wege, die wir von uns aus nicht gewollt haben. Er zeigt uns Horizonte des Ewigen und Unvergänglichen. So werden wir fähig – oder wir werden es nicht - , unser Leben nicht unbedingt anders zu gestalten, aber doch anders zu sehen und zu bewältigen. Denn der Mensch ist von Gott nicht als "Eintagsfliege" gedacht, nicht als rein "horizontales Wesen", sondern als "Ebenbild", welches in einem größeren Zusammenhang der Vorhaben Gottes mit der gesamten Schöpfung steht. Dies im Glauben zu lernen, dies hoffend - liebend durchzustehen, ist vielleicht die größte Herausforderung, die das Leben an uns stellt.
 


Letzte SeitenÄnderung: 18.07.2007.
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