www.fritz-koester.de
Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

2. Die Größe und Tragik religiöser Überzeugungen.

Deutsche Welle, 16. Sept. 1995.

Verehrte Hörerinnen und Hörer.

Neulich war in einer der großen deutschen Zeitungen die Nachricht zu lesen, daß nichts so sehr die heutige Menschheit zusammenzuführen imstande sei wie Tourismus und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Noch nie habe es durch solche "Märkte" in der Menschheit so viele einigende Kräfte, Interessengemeinschaften und Motive zur Verständigung gegeben wie heute. Dabei kann der moderne Mensch in wenigen Stunden die Kontinente überfliegen; er hat die Möglichkeit, sich schnell und sicher über die Sprache und Kultur anderer Völker zu informieren. Bei allem macht er die Erfahrung, wenn er offen dafür ist, daß Freundschaft und gemeinsame Vorteile entschieden tragfähiger sind als völkische Verschiedenheiten und rassische Vorurteile - trotz der nationalen, weltanschaulichen und religiösen Schranken und Barrieren, die das Leben früherer Jahrhunderte allzu sehr bestimmten und oft in kriegerische Auseinandersetzungen ausarten ließen.

Tourismus und Wirtschaft also als einigende Kräfte - mitten im Spannungsfeld so vieler Faktoren, die die Menschheit spalten und fast naturnotwendig Völker gegeneinander aufbringen! Zu den Spaltpilzen, so wurde in der Zeitung wie selbstverständlich festgehalten, gehörten die Religionen, die religiösen Überzeugungen! Wo die Menschheit ohnehin schon dauernd bedroht sei durch sprachliche, rassische und völkische Polarisierungen, da würden angeblich die Religionen noch ihr Potential an Gewaltbereitschaft entfalten. Religiöse Glaubenshaltungen also eher Anlässe zum Streit als Motive zu Verständigung und Versöhnung?

Es besteht kein Zweifel, daß die Religionen sehr oft in der Geschichte ein solch verhängnisvolles Spiel gespielt haben. Es hat blutige und grausame Religionskriege gegeben. Es gibt sie heute noch - angeblich im Namen Gottes und der "gerechten Sache". Meistens wurden sie vom Zaun gebrochen, wenn machtbesessene Politiker und Militärs die religiösen Gefühle der Menschen auszunutzen und auszubeuten verstanden zugunsten ihres militärischen und eroberungssüchtigen Kalküls. Oft lagen und liegen die Wurzeln zur Gewalt aber auch in den Religionen selbst - vor allem in solchen Zeiten, in denen Gedankenakrobatiker sich des religiösen Erbgutes bemächtigten und behaupteten, schwarz auf weiß die Gedanken und Absichten Gottes begriffen zu haben. Wo so oder anders geschulte religiöse Begriffshantierer den Anspruch erheben, die Wahrheit Gottes in ihrer Fülle und unfehlbaren Gewißheit für sich beanspruchen zu können, da entstehen die vielen gegeneinander arbeitenden Kirchen, Sekten und frommen Gruppierungen, die in der Tat die Menschheit noch mehr spalten als sie es ohnehin schon ist.

Der chinesische Weise Laotse hat schon vor ca. 2300 Jahren die religiösen Machthaber im Namen der Religion scharf kritisiert, indem er gegen sie schreibt:
"Unsere Hoffnung liegt nicht bei euch Heiligen, euch Gelehrten. Wir brauchen eure Wohltätigkeit nicht und nicht eure Moral. Was wir brauchen, sind Gerechtigkeit und Liebe. Gewaltverbrecher und Diebe werden von selbst verschwinden, wenn die großen Genies und Kriegsgewinnler aussterben. Eure Tugenden sind wie Hülsen, wie gleißende Außenansichten, deren Schein trügt. Sollen Begierde und Selbst- sucht sterben, ist die Bedingung: vollkommene Einfachheit und Ehrlichkeit".

Auch Jesus hat dazu aufgerufen, Haltungen einzunehmen und einzuüben, die dem Frieden und der Gerechtigkeit entschieden besser dienlich sind als feierliche Deklarationen und Sonntagsreden: "Wenn du zu einem Festmahl eingeladen bist, setz dich nicht auf den ersten, sondern auf den letzten Platz... Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden" (Lk 14,1.7-14).

Vielleicht besteht das Elend der Welt tatsächlich darin, daß es zu viele gibt, die, von einem dunklen Drang getrieben, um jeden Preis etwas WERDEN möchten, und daß sich in diesem Welttheater zu wenige finden, die etwas TUN möchten, damit Frieden und Gerechtigkeit wachsen. Wo alle die Größten sein wollen, da entstehen Mord und Totschlag. Die wirkliche Würde des Menschen, wenn die Welt vorankommen soll, liegt in der Kunst zu Einfachheit und Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und seinem eigenen Gewissen. Nur wer sich mit seinen Gaben und Grenzen realistisch einzuschätzen und einzusetzen vermag, dem ist es vergönnt, für die Welt ein Segen zu sein.


Letzte SeitenÄnderung: 08.03.2005.
Bitte beachten Sie meine Nutzungsbedingungen.