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Schlaglicht Kath. Landvolkshochschule Wies
22.06.96
Der Religionssoziologe Max Weber hat einmal davon gesprochen,
daß jede Religion bzw. religiöse Bewegung in der Zeit ihrer
Entstehung einen dynamischen Anfang kennt, initiiert von einem
genialen Gründer bzw. religiösen Führer und getragen von der
Zustimmung und der bejahenden Kraft des Volkes.
Allmählich jedoch verliert sich die Dynamik des Anfangs. Man
fängt an zu organisieren und zu strukturieren. Dabei finden sich
fast automatisch die selbsternannten Organisatoren bzw. die
Stellvertreter Gottes auf Erden, die alles in den Griff zu
bekommen versuchen. An die Stelle der kraftvollen
Lebensgestaltung des Anfangs treten die Lehre, die Vorschriften,
die Gebote und Verbote, die vorprogrammierten Riten und
Liturgien. Die Religion fängt an, eine unverständliche Sprache
zu sprechen. Es gelingt ihr immer weniger, glaubhaft die Rolle
des Sinn-Lieferanten zu spielen. Sie wird eine akademische
Veranstaltung neben vielen anderen, wobei die innere Beteiligung
des Volkes, obwohl äußerlich noch vorhanden, immer mehr abhanden
kommt.
Bei der Begegnung mit jungen oder jung gebliebenen Leuten in der
Landvolkshochschule ist mir immer wieder klar geworden, wie
richtig Max Weber unsere christliche Situation der Gegenwart
beschreibt. Als Referent war ich immer wieder herausgefordert,
buchstäblich den "Stallgeruch" der Botschaft Jesu so in die
Sinne eingehen zu lassen, daß die Anwesenden, aus einer
konkreten Lebenswelt kommend, wieder verstehen lernten, was
vielfach so abgehoben und unverständlich erscheint.
Die Besucher der Landvolkshochschule kamen mir wie eine
hartnäckige Aufforderung vor, für das Leben der Menschen von
heute wieder glaubwürdig zu machen, was durch
Eigeninterpretation und Interessenwirtschaft vielfach fad und
lebensleer geworden ist. Anstatt daß junge Leute auf Distanz
gehen, sollten sie für alle Zeit eine Herausforderung für
diejenigen bleiben, die sich allzu schnell religiös und
"gläubig" etablieren. Denn es gibt keine größere Gefahr für die
Botschaft des Evangeliums als die der geistigen und moralischen
Vergreisung ihrer Künder.
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