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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Betr.: Antwort auf die Herausforderungen durch die Sekten und "Freien Kirchen"

An KNA, Herrn Werres, Aug.95, jetzt Herr Peter de Groot.
Veröffentlicht in KNA RPS 68/ 31.Aug. 1995

Aus einem Vortrag vom August 1995.

Früher brachte man allzu einseitig den Auszug der Leute aus den herkömmlichen Kirchen mit der säkularen Entwicklung und neuerdings auch mit der "religiösenIndividualisierung" in Zusammenhang. Dem steht zu einem guten Teil die Tatsache entgegen, daß viele in Sekten und dubiose religiöse Bewegungen abwandern, wenn auch nur "auf Zeit". Auffallend ist, daß dabei nicht mehr oder sehr wenig nach "unfehlbaren Lehrämtern" oder "apostolischer Sukzession" gefragt wird.

Angesichts solcher Entwicklungen sind es die großen Konfessionen gewohnt, theologisch-argumentativ ihre eigenen Positionen zu beziehen bzw. zu verteidigen. Daher auch der Drang, in Form von Katechismen und anderen Büchern ihre Lehre unters Volk zu bringen. Die Zeit scheint abgelaufen, daß man so weiter verfahren kann. Allzu schnell werden Lehren als Leerformeln und Worthülsen abgetan. Zudem stellt sich die Frage, welche von den vielen Sekten, religiösen Bewegungen und Konfessionen recht, welche die Wahrheit auf ihrer Seite hat? Weil jede die Wahrheit für sich beansprucht, hat sich schon längst eine Mentalität breit gemacht, geprägt nach dem Muster der Lessingschen Ringparabel: der Ring der Wahrheit ist allen abhanden gekommen, er ist nirgendwo zu finden...

Was religiöse Gruppierungen heute attraktiv zu machen scheint, ist ihre Irrationalität gegenüber der früheren religiösen Rationalität. Fatal wird es, wenn auch die Kirchen bzw. die von ihnen leichtfertig geförderten "Erneuerungsbewegungen" dem Drang nach dem Obskuren auf den Leim gehen. Entscheidend für die Kirchen und Gemeinden wird dem gegenüber die Frage sein, ob es ihnen gelingt, von der Botschaft des Evangeliums her Lebensstile zu entwickeln, die der Welt von heute und morgen plausible "Beweise" für die Echtheit der christlichen Botschaft liefern, die zugleich "Beweise" dafür sind, daß die Christen selbst an das glauben, was sie verbal verkünden.

Was auch immer die Kirchen, Gemeinden und Orden heute an Maßnahmen ergreifen, um der Krise Herr zu werden - die Frage nach dem ihnen eigenen Lebens- stil stellen sie nicht oder kaum. Deshalb werden auch - bei aller Rechtgläubigkeit in der Lehre - die menschlich bindenden und gemeinschaftsfördernden Lebenswerte und Lebenshaltungen kaum sichtbar, nach denen aber "die Welt" mit Recht Ausschau hält. Wirklich glaubwürdig werden auf Zukunft hin nur Lebensstile sein, die von biblischen und anderen humanen Haltungen geprägt sind. Das gilt auch dann, wenn sie in sehr unterschiedlicher Weise gelebt werden.

Wo fragende und suchende Menschen einen überzeugenden Umgangsstil entdecken oder glauben entdeckt zu haben, da siedeln sie sich religiös an. Es kann jede beliebige religiöse Gemeinschaftsform sein, die anziehend wirkt. Wichtig ist nur, daß sie ein Gefühl der Beheimatung und Zugehörigkeit vermittelt. Die bisher auswendig gelernten Glaubenslehren oder eingeübten konfessionellen Traditionen - auf dem Boden kommunikationsloser kirchlicher Massenveranstaltungen - werden dann bedenkenlos und ohne Zögern aufgegeben, mögen sie noch so "feierlich" und liturgisch-prunkvoll gewesen sein, was nicht daran hindert, gelegentlich dennoch daran teilzunehmen, z.B. an Hochzeiten oder an Weihnachten. Für die Kirchen auf allen Ebenen und in allen Bereichen ist es höchste Zeit, der Frage der Lebensstile größte Aufmerksamkeit zu widmen - genauso, wie sie sich früher auf Glaubens- und Lehrformulierungen konzentrierten.

Veröffentlicht in KNA RPS 68/ 31.Aug. 1995


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