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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Betr.: Seniorenarbeit.

28.August 1996

Das Älterwerden hat es in sich. Man kann offenkundig nicht alt genug werden, um es adäquat beschreiben zu können. Junge Leute tun sich leichter dabei. Wenn sie 18 sind, nennen sie ihre 25-jährigen Zeitgenossen einfach "Oldies" und die 3o-jährigen "Grufties". Mit solchen Markierungen machen sie deutlich, was möglicherweise bei ihnen schon zu einer uneingestandenen Lebensangst geworden ist: daß das Altwerden und das aus dem Leben Verabschiedet-werden heute schneller vor sich geht als zu früheren Zeiten. Zumindest bei denen, die es sich leicht gefallen lassen. Andererseits enthält diese Einschätzung der Lebensabschnitte durch junge Leute, bedingt durch den Zeitgeist äußerer Betriebsamkeit, einen fundamentalen Irrtum. Sie geht unkritisch davon aus, daß das Altwerden nichts anderes ist als das unabänderliche Voranschreiten an Lebensjahren.

Das habe ich früher auch geglaubt. Bei näherem Zusehen jedoch zeigt sich, daß an Jahren alte Leute sehr jung sein können und daß an Jahren junge Leute sehr alt zu sein vermögen. Denn Jugendlichkeit hat etwas mit geistiger Wachheit zu tun, mit Flexibilität und der Fähigkeit, Dingen und Ereignissen des Lebens und der Welt offen und unvoreingenommen ins Auge schauen zu können. Die dies vermögen, gehen vielleicht aufgrund langer Lebenserfahrungen anders, d.h. besonnener, distanzierter, "weiser" damit um als unerfahrene Neulinge des Lebens. Entscheidend aber ist, daß bis ins hohe Alter hinein die Jugendlichkeit erhalten bleiben kann bzw. die Jugend in "anderer" Form und Gestalt.

Die Tatsache, daß es heute viele ältere Menschen gibt, die für sich Fortbildungsveranstaltungen organisieren und lebendig daran teilnehmen, ist schon Beweis genug, daß sie über das Älterwerden an Jahren hinausgewachsen sind. Sie haben sich - statt in Unbeweglichkeit und Resignation zu verfallen - eine Form von Jugendlichkeit bewahrt, die für die nachwachsenden Generationen viel tragender ist als diese es einzugestehen bereit sind. Denn Älterwerden hat etwas mit dem Gelingen des Lebens zu tun, legt nicht mehr allzu großen Wert auf Äußerlichkeiten und oberflächliches Getue, hat in mancher Hinsicht Abschied genommen von den allzu vergänglichen Dingen und scheinbaren Glückverheißungen früherer Tage, die sich als Trug und Schall herausgestellt haben und die sich bis ans Ende der Welt als leeres Geschwätz und unnötiges Getöse erweisen werden. Wer kann solch wichtige Einsichten heranwachsenden Generationen besser vermitteln als diejenigen, die die Wegerfahrungen des Lebens gemacht haben?

Was Christentum und Kirche betrifft, so haben die im Glauben geläuterten und die an Wegerfahrungen reich gewordenen Menschen viel in Erinnerung zu halten und der Nachwelt zu überliefern. Zum Beispiel kommen sie aus einer Zeit, in der sie erlebt haben, daß selbst die 2000 Jahre alte "Mutter Kirche" sehr jung zu sein vermag. Sie haben das Konzil erlebt mit seinen neuen Horizonten und zukunftsträchtigen Ausblicken. Sie haben den Gott der Geschichte, der sich in den "Zeichen der Zeit" zu erkennen gibt, wiederentdeckt. Sie haben den fast 8o-jährigen "Übergangspapst", Johannes XXIII, in seiner jugendlichen Kraft genossen. Sie können vermitteln, was sich jüngere Leute überhaupt nicht mehr vorstellen können und auch nicht vorzustellen bereit sind, weil sie es nicht miterlebt haben. Sie sehen nur noch die äußere Fassade einer "starren Amtskirche" und wenden sich leichtfertig und ohne Skrupel von ihr ab. Denn mit toten Buchstaben und lebensfernen Gebärden will in jungen Jahren niemand etwas zu tun haben.

Wie berechtigt oder unberechtigt solche Vorbehalte auch immer sein mögen - die Bitte an und die Aufgabe für ältere lebenserprobte Menschen können immer nur lauten: das Alter ist eine Chance und ein Auftrag zugleich. Ältere Menschen haben deutlich zu sagen, was nur sie zu sagen vermögen. Statt Geld, reiche Geschenke und einträchtige Erbschaften zu hinterlassen, sollten sie jüngeren Menschen lieber erzählen, was sie im Leben tragend geprägt hat. Sie sollten ihnen ein gutes Buch in die Hand drücken und sie zum Lesen ermutigen. Durch das Lesen und Miteinandersprechen sollten sie der Frage nach dem Sinn des Lebens, letztlich Gott, auf der Spur bleiben, der sich nicht in Buchstaben finden läßt, sondern in den Ereignissen des Lebens.

Ohne eine solche "Erbschaft" könnte es den jüngeren Generationen passieren, was Gott verhüten möge: beim Älterwerden an Jahren könnte ihnen jede lebensorientierende Jugendlichkeit und jedes Lachen vergehen. Und zurück bliebe, auf den Trümmern eines oberflächlich agierenden Lebensbetriebes, nur eine trostlose und ungetröstete Welt.


Letzte SeitenÄnderung: 08.03.2005.
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