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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Mein Traum von der Kirche

KA + Das Zeichen, März 2000:

1. Träume sind Schäume (?)
"Visionen sind Illusionen, Luftschlösser, Tag- und Nachtträume. Sie können uns daran hindern, den Alltag anzugehen. Echte Visionen sind sie dann, wenn sie das Jetzt und Hier zu beleben vermögen, diese in eine produktive Spannung versetzen". So schreibt Ernst Bloch. Und Heinr. Spaemann veröffentlichte vor einigen Jahren seinen "belebenden", den Alltag angehenden und daher "Spannungen" hervorrufenden Traum von der Kirche. Anlaß war die damals sehr umstrittene Ernennung von Weihbischof Krenn in Wien. Junge Menschen hatten sich damals kurz vor Beginn des Weihegottesdienstes auf die Stufen der Domtreppe gelegt, um gegen diese Entscheidung Roms zu protestieren. Der Ernannte aber schritt in Begleitung zweier Polizeioffiziere über die am Boden Liegenden hinweg in den Dom.

Spaemann veröffentlichte kurz darauf ein Gegenbild zu dieser Szene: Der zum Bischof Ernannte geht nicht über die Menschen auf der Treppe hinweg, sondern setzt sich nieder, um mit ihnen zu reden. Er macht ihnen deutlich, daß er für sie Bischof sein will und nicht ohne oder gar gegen sie. Er ist bereit, die Weihe aufzuschieben und vereinbart mit den jungen Leuten für den Abend ein Gespräch im Pfarrzentrum. Dort sollen sie erklären, warum sie ihn als Bischof nicht wollen. Er wiederum wird ihnen sagen, warum er den Dienst, zu dem ihn der Papst auswählte, gern tun würde.

2. Was heißt: "Zeitgeist", "modernistisch", "konservativ"?
Wir wissen: der ernannte Weihbischof stellte sich der Jugend nicht. Warum hätte er es tun sollen? War er nicht vom Papst persönlich berufen worden? Wieso also noch andere fragen, da doch der Stellvertreter Gottes auf Erden gesprochen hatte? - Solche Fragen machen die Spannungen deutlich, die heute in der Kirche herrschen. Die einen, die sich ganz auf den Papst verlassen, werfen den andern "Modernismus" und "Anpassung an den Zeitgeist" vor. Sie selbst werden "Konservative" genannt. Dabei ist es für den, der die Geschichte kennt, genau umgekehrt: die "Modernisierer" sind die eigentlich "Konservativen". Sie greifen nämlich auf ein Bild von "Kirche" zurück, welches jahrhundertelang vorherrschend war. Papst Leo I. schrieb i.J. 495: "Man ordiniere niemanden zum Bischof gegen den Willen der Christen und ohne ihre ausdrückliche Bitte". Und das Konzil von Chalcedon (451) setzte fest, daß niemand als Priester oder Diakon in den "geistlichen Stand" versetzt werden dürfte ohne die Zustimmung möglichst aller in der Gemeinde.
Mit diesen Maßnahmen versuchten Päpste und Konzilien ein Bild von "Kirche" und "Gemeinde" zu retten gegenüber jenen, die es zu verändern drohten. Seit dem 3.Jh. hatten sich nämlich Lenker und Leiter in der Kirche eingeschlichen, die sich wie "Monarchen" benahmen und die ihre Ämter - ganz nach dem Stil von Königen und Kaisern - ziemlich beliebig an ihre Günstlinge, Verwandten und Freunde weitergaben. Dieser Trend hat sich seitdem am stärksten in der röm.-katholischen Kirche fortgesetzt. Mit Hilfe der Kaiser wurden die Päpste immer mehr "Monarchen". Erster Höhepunkt dieser Entwicklung war das große abendländische Schisma 1054. Damals trennte sich die orthodoxe Kirche von Rom. Es waren nicht nur sog. theologische Gründe, sondern vor allem auch politische. Es ging letztlich um die Frage nach dem Wesen der Kirche. Seitdem hat es bekanntlich noch manche andere Spaltungen gegeben - Zeichen dafür, daß Leo I. und die anderen damals zu utopisch waren, zu unrealistisch? War auch Jesus einer, der die Menschen falsch eingeschätzt hatte, wie der Russe Dostojewski vermutet?

3. "Verrückt nach den Möglichkeiten Gottes in der Welt".
So hat Joh. B. Metz einmal glaubende und hoffende Christen genannt. Auch Jesus sei so gewesen. In dieser "Verrücktheit" hat Jesus auf Menschen vertraut und gebaut. In dieser "Verrücktheit" sind auch die ersten christlichen Gemeinden entstanden. Nach dem Tod und der Auferstehung Jesu versammelten sich die Christen regelmäßig. Bei ihren "Gottesdiensten" ging es ihnen im Wesentlichen um drei Anliegen: sie wollten erstens die Worte und Taten Jesu als heilsame und erlösende Ereignisse für das Wohl aller Menschen in Erinnerung behalten. Sie wollten sie zweitens in ihren eigenen Lebenssituationen weitersagen und weitertun. Sie wollten so drittens der Anwesenheit Gottes in ihrer Mitte sicher bleiben: im Teilen des Wortes und im Teilen des Brotes.

Auffallend ist auch, daß am Anfang sehr einfache Männer und Frauen das Geschehen bestimmten. Schon die Jünger und Apostel zeichneten sich nicht durch besondere Gelehrsamkeit aus. Es waren Menschen, die etwas vom Leben verstanden. Sie hatten Beruf und Familie. Wie Gott in Jesus Christus "Mensch" geworden war, so wollten sie die Worte und Taten Jesu auf sehr menschen- und lebensnahe Weise jeden Tag "auf den Punkt" bringen. Ihre "Tagesordnung" war deshalb nicht von großen Themen und Programmpunkten bestimmt, sondern von Lebenshaltungen, die für sie selbst heilsam und für Menschen ihrer Umwelt "ansprechend" waren. Sie hießen: Gemeinschaft, Kommunikation, Gastfreundschaft, Dasein für Arme, Kranke, Behinderte, Gefangene, sogar für Feinde... Für die Fortsetzung der Worte und Taten Jesu hatte Gott jedem Gaben und Fähigkeiten gegeben, wozu auch "Grenzen" gehörten. Wer sich in der Gnadengabe des Leitens bewährt hatte, der sollte auch Leiter einer Kirche oder Gemeinde sein. Daß er die Zustimmung durch eine Mehrheit erhielt - das war letztes Kriterium dafür, daß er auch von Gott berufen war. So wurden die "guten Hirten" immer schon von denen unterschieden, die durch die Hintertür in den Schafstall gelangt waren (Joh.10,1ff).

4. Christen können immer nur begrenzt "verrückt" sein.
Wir Christen, die wir alle in einer Konfession und damit gewissen Enge erzogen worden sind, können uns heute kaum noch vorstellen, daß es im ersten Jahrtausend nach Christus eine Vielzahl unterschiedlicher Kirchen gab mit einer eigenen Liturgie, Theologie, Glaubenstradition. Als "Patriarchatskirchen" bestand ihre "Einheit" im Gehorsam gegenüber dem einen Herrn. Die unterschiedlichen Wege in der Nachfolge Christi war von der Idee beherrscht, daß man gar nicht vielfältig genug sein kann, um die universale Fülle Christi zum Tragen kommen zu lassen. Bahnt sich heute wieder eine solche "Fülle" an? Es gibt heute weltweit Tausende von "christlichen" Kirchen. Oft wurden und werden sie als "Sekten" oder "Häresien" gebrandmarkt. Viele sicher auch zu Recht. Aber es gibt auch viele, denen es ernsthaft um einen "Neuanfang" mit den wirklichen Anliegen Jesu geht. Wie auch immer sie heute nebeneinander oder gegeneinander stehen - die Fortsetzung der Worte und Taten Jesu ist allen aufgetragen. Damit steht und fällt die Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft.


Letzte SeitenÄnderung: 08.03.2005.
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