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Wahrheiten und Wichtigkeiten im christlichen Leben.
Predigt zu theologischen "Knackpunkten" - vor
überkonfessionell geprägten Menschen, Januar 2003
Zielsatz: Nicht alles, was "wahr" ist, wird heute als
wichtig eingestuft und verstanden.
1. Ökumene auf der Basis "Zurück zu den Quellen"?
Wenn ich das Wort "Ökumene" höre, dann fällt mir meistens ein
Gedanke ein, welcher von Papst Johannes XXIII. stammt. Er wurde
impulsgebend für das gesamte 2. Vatikanische Konzil. Der Papst
sprach damals von der Notwendigkeit des "Zurück zu den Quellen".
Das Wort erinnerte sogleich an ein lange von Katholiken
unterdrücktes Wort von Martin Luther: "sola scriptura!" Sollte
die katholische Kirche wieder biblischer werden? Bestand dabei
nicht die Gefahr, dass sie "evangelischer" würde -
"protestantischer"? Diese angstbesetzte Frage habe ich seitdem
immer wieder gehört. In der Zwischenzeit ist das Anliegen des
Papstes, ausgesprochen oder unausgesprochen, zu einem
spannungsreichen "Für und Wider" geworden. Es ist zu
Polarisierungen in der Kirche gekommen, zu Strömungen und
Gegenströmungen.
Die einen sagen: Man kann nicht zum Ursprung des Christentums
zurück! Unter "Führung des Heiligen Geistes" sind in späteren
Zeiten Zweige gewachsen, die es am Anfang noch nicht gab: eine
systematische Lehre und Dogmatik, Kirchenrecht, Ämterverfassung,
Papsttum, Lehramt usw. Das alles kann man nicht beliebig zur
Disposition stellen. Es ist also unmöglich, wieder so zu sein
und zu werden, wie es früher einmal war...
Die anderen bestehen hartnäckig auf dem "Zurück". Sie machen
alle erdenklichen, manchmal hoffnungslos erscheinenden
Anstrengungen, indem sie gegen den Strom schwimmen, um zu den
Quellen zurück zu finden. Wenn überhaupt "Tradition", dann nur,
wenn sie die Entfaltung des Ursprünglichen bekundet, nicht aber
dessen Verdrehung und Verkrümmung. So rechnen sie sogar mit dem
weiteren Niedergang der Kirchen, damit das Ursprüngliche wieder
eine Chance bekommen kann.
Während die erste Gruppe nahezu alle theologischen und
kirchenrechtlichen Argumente auf ihrer Seite hat, hat Letztere
nur in einem Punkte Recht: Seit 2000 Jahren hat es "Erneuerung",
Neubeginn und Überwindung von Krisen immer nur durch diejenigen
gegeben, die sich, allen offiziellen Widerständen zum Trotz,
nicht vom "Zurück zu den Quellen" abbringen ließen. Zudem
erwecken christliche Konfessionen heute in der Lösung mancher
Streitfragen den Eindruck, der katholischen Kirche um
Nasenlängen voraus zu sein: wo es um die Abendmahls- und
Eucharistiegemeinschaft geht; um die Frauen-Ordination; um
manche Fragen der Ethik und Moral. Ist ihnen das "Zurück zu den
Quellen" schon besser gelungen? Herrscht in ihnen ein besserer
christlicher Geist? Stehen ihre Kirchen besser da?
Natürlich nicht. Gerne wird dabei auf deren "ausblutende
Gemeinden" verwiesen, auf deren "fortlaufenden Erfolg", auf
deren theologische Uneinigkeit. Insofern sind sie für manche
geradezu ein Hindernis geworden, in der Forderung nach dem
"Zurück zu den Quellen" voran zu schreiten.
2. "Ökumene" auf zwei Ebenen.
Das Phänomen der Krise und der "ausblutenden Gemeinden" ist zu
einem Problem ersten Ranges für alle Kirchen geworden. Es zeigt,
dass bisher keine von ihnen den "Stein der Weisen" gefunden hat.
Die Entwicklung in den einzelnen Kirchen zeigt aber auch, dass
über "Ökumene" sehr unterschiedlich gedacht werden kann und
gedacht wird.
Da ist die "Ökumene" auf der amtskirchlichen Ebene. Man könnte
deren Anliegen kurz mit den Sätzen umreißen: Dialog zwischen den
Konfessionen; gegenseitiges Verständnis füreinander; Toleranz
und Klärung all dessen, was kirchentrennend im Raum steht,
verbunden mit dem Ziel, zu einem gemeinsamen Verständnis
wichtiger und wahrer Glaubensinhalte zu gelangen.
Wenn man als Theologe seit Jahren den Kontakt pflegt zu
zahlreichen Gemeinden und ökumenischen Initiativgruppen, kann
man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass auf der Ebene des so
genannten. "einfachen Volkes" ein ganz anderes Verständnis von
"Ökumene" wächst. Es lässt sich kurz in den Fragen
zusammenfassen: wie können wir überhaupt noch Christ sein - in
einer immer gleichgültiger werdenden Welt? Wie können wir
unseren Glauben finden und gemeinsam leben? Wie ihm überzeugend
Ausdruck verleihen? Wie gemeinsam "Salz der Erde" sein, "Licht
der Welt?
Immer wieder sind dann, direkt oder indirekt, Anfragen und
Bemerkungen zu hören wie: Vieles mag ja für die Theologen und
Kirchenleute wahr und richtig sein - für das Leben wichtig ist
es nicht! Wichtig ist doch die Praxis der Liebe, der
Freundschaft, des Zusammenhalts, des Wirkens an gemeinsamen
Aufgaben in den Gemeinden und in der Welt. Schließlich sind doch
die gelebten Werte und Verhaltensmuster des Evangeliums, so wie
Jesus sie selbst gegenüber "Ungläubigen", "Heiden" Sündern und
Versagern praktiziert und seinen Jüngern aufgetragen hat, die
eigentlichen Garanten dafür, dass das "Reich Gottes" schon jetzt
unter Menschen seinen Anfang nehmen kann.
So geschieht es. Es liegt in der Logik dieser Ökumene "von
unten", dass auch gemeinsam gebetet und gesungen wird, dass
gemeinsam Gottesdienste gehalten werden, dass das gemeinsame
Mahl selbstverständlich dazu gehört. Weltweit müssen Theologen
und Amts-träger auf der Hut sein. Es könnte ihnen eine
Entwicklung davonlaufen. Sie könnten unversehens zur "Nachhut"
einer Dynamik abgestempelt werden, an die der kirchliche
Anschluß hoffnungslos nicht mehr gelingt. Denn es könnte sich
auch hier wieder das Gebet Jesu ereignen: "Ich preise dich, Herr
des Himmels und der Erde, weil du das den Weisen und Klugen
verborgen, den Unmündigen aber offenbarst hast" (Mt. 11.25).
Oder das Wort des Paulus drängt sich auf: "Nicht viele Weise hat
Gott erwählt" (1Kor.1.26).-
3. Was Menschen zusammenhält: Gemeinsam leben und Leben
gestalten.
Wenn man sich die Entwicklung der "Ökumene" vor Augen führt,
kann man nicht anders, als sie im Zusammenhang mit anderen
Herausforderungen der Zeit zu sehen und zu postulieren. Der
nachlassende Einfluß kirchlichen Redens und Verkündens auf
Menschen und Gesellschaften liegt heute auf allen Konfessionen
wie eine schwere Last. Man muß nur die religionssoziologischen
Untersuchungen der letzten Jahrzehnte (z.B. die Shell-Studien)
ernsthaft unter die Lupe nehmen, um festzustellen: die Menschen
haben "andere Sorgen". Ihnen liegen theologische Zwistigkeiten
und Streitfragen nicht, die - sobald sie auf höchster Ebene
"gelöst" erscheinen - als "Konsenspapiere" kein neues Leben
schaffen.
Wenn im Leben von Menschen das Christsein heute überhaupt noch
wichtig ist, dann stehen die Fragen zur Diskussion: Wer war
Jesus überhaupt? Was hat er gewollt? Wie hat er seine Botschaft
verkündet und getan? Welche "Wahrheit" hat er gemeint: eine in
Sätzen und Begriffen klar und sauber definierte, die es
auswendig zu lernen gilt? Oder hat er eher - als "Wahrheit in
Person" - ein Beispiel geben wollen und praktiziert, wie Leben
im Sinne Gottes gelebt und gemeistert werden kann; wie eine
Gemeinschaft von Jüngern/Innen der Welt Zeichen Seiner
Anwesenheit und Seines Kommens zu setzen vermag?
Wenn nicht alles täuscht, bahnt sich ein "Wahrheitsverständnis"
an, welches anders geartet ist als das herkömmliche. Früher hieß
es gerne: "Wahrheit" ist die Übereinstimmung des Denkens mit dem
Sein und "Glaube" das Für-wahr-halten all dessen, was die Kirche
lehrt. Heute werden die Christen mit einer anderen "Wahrheit"
konfrontiert. Weltweit beginnen sie, sich auf sie einzustellen:
"Wahrheit" ist die stets versuchte Übereinstimmung des gelebten
Lebens mit den Werte-Vorgaben, wie sie im Evangelium und im
Leben Jesu zu finden sind. Mit anderen Worten: Christen über
alle Konfessionen hinaus bleiben in der Welt "niemand etwas
schuldig; nur die Liebe schulden sie einander immer" (vgl.
Röm.13.8).
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