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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

I. Wie heute Christ sein?

Bayerischer Rundfunk: Januar 1999

Was glauben die Deutschen? Eine seit Jahrzehnten in regelmäßigen Abständen wiederkehrende Frage! Werbeagenturen, Massenmedien verschiedenster Prägung und Ausrichtung, die Kirchenleitungen der großen Konfessionen und andere interessieren sich brennend dafür. Bei der Suche nach der Antwort auf diese Frage scheint sich seit Jahren der Himmel immer mehr zu verdunkeln. Denn die Deutschen wie auch die Menschen anderer Länder in Europa und Amerika glauben etwas anderes, als sie aus der Sicht und im Auftrag kirchenamtlicher Vorgaben eigentlich zu glauben hätten und glauben müßten.

Jedenfalls hat dies zuletzt - nach einer Reihe ähnlicher Untersuchungen - das religions-soziologische Institut der evangelisch-theologischen Fakultät in Berlin herausgefunden. Nach jahrelangen Recherchen und Befragungen in fünf Gebieten der BRD und der ehemaligen DDR, in unterschiedlichen soziokulturellen Milieus, in evangelisch und katholisch geprägten Dörfern des Hunsrücks, bei Jugendlichen und Gymnasiasten, sogar bei Theologiestudierenden, Pfarrerinnen und Pfarrern glaubt das Institut eine Gesamttendenz herausgefunden zu haben, die auf den ersten Blick erschrecken, sogar schockieren muß: das traditionell Christliche spielt im Leben moderner Menschen kaum noch eine nennenswerte Rolle; die dogmatische Lehre der Kirchen, das wenn auch noch so klar und eindeutig festgelegte Gedankengebäude der Theologie gibt keine adäquaten Antworten mehr auf Fragen und Nöte heutiger Menschen; die Kluft zwischen dem herkömmlichen Gottesverständnis und dem Hoffen und Ahnen der Menschen von heute ist kaum noch zu überbrücken; es findet auf breiter Front ein Zusammenbruch der traditionellen Lehrverkündigung statt; die Entdogmatisierung und Entkirchlichung des Christentums und des religiösen Empfindens überhaupt sind in vollem Gange.

So oder ähnlich lauten die Auskünfte. Symptomatisch dafür ist nicht nur der wachsende Autoritätsverlust der Kirchen, sondern auch die allgemeine Reaktion auf deren Lehrverkündigung, die auf weiten Strecken als belanglos und für das Leben nicht tauglich bewertet wird. Konkret schwindet der herkömmliche Glaube an einen persönlichen Gott; auch die Dreifaltigkeit Gottes (das Bild von Gott in drei Personen) und seine Allmacht erscheinen als sehr zweifelhaft; viele sehen keine Schwierigkeit darin, statt an die Auferstehung der Toten an die buddhistische oder hinduistische Wiedergeburtenlehre (Reinkarnation) zu glauben; die Sterblichkeit des Menschen wird nicht mehr mit seiner Sündhaftigeit in Verbindung gebracht - erst recht nicht mit der Erbsündenlehre, die praktisch bedeutungslos geworden ist. Der Name Gottes wird kaum noch mit der Vorstellung vom Jüngsten Gericht, von der ewigen Belohnung oder Bestrafung im Jenseits in Zusammenhang gebracht. Im ganzen scheint sich so etwas anzubahnen wie eine, je nach Lust und Laune, individualisierte Religiosität - ganz im Sinne einer Single-Gesellschaft, in der sich jede und jeder einen eigenen Lebensraum gestaltet. Das Ergebnis dieser Entwicklung scheint eine nach persönlichem Bedarf zusammengesetzte Patchwork-Religion zu sein, die keine Menschen mehr zusammenführt, sondern diese zu religiösen Nomaden macht, die unsere Landschaften und Städte bevölkern.

Was wird dabei aus dem Christentum, dem christlichen Glauben? Welches müßte die Aufgabe der Kirchen sein, wenn sie überhaupt noch eine haben? Auf solche Fragen müßten gründliche Antworten gefunden werden. Eines ist jedenfalls sicher: das Lebensgefühl der Menschen hat sich entscheidend verändert. Es findet seinen Ausdruck im Verzicht und Abbau früherer Wertevorstellungen, auch im Bereich des Religiösen. Wenn viele z.B. nicht mehr an einen persönlichen Gott glauben können, könnte dies ein Indiz dafür sein, daß viele nicht an ihre eigene Personwürde und Einmaligkeit zu glauben imstande sind: in einer Welt der Ziel- und Sinn-Unsicherheit, der Ort- und Heimatlosigkeit, der Vermassung und Verplanung in einer überorganisierten Gesellschaft mit einem Leistungsdenken, bei dem niemand mehr so recht weiß, ob und wie lange er Akzeptanz und Anerkennung findet?

Gottesbilder haben immer etwas mit menschlichen Erfahrungen in Geschichte und Gesellschaft zu tun. Gottesbilder ändern sich, wie sich menschliche Lebensverhältnisse ändern. Deshalb ist es auch gefährlich, sich Bilder von Gott zu machen und zu meinen, sie seien für alle Zeiten gültig und wahr. Wo es immer darum geht, Gott zu suchen und zu erahnen, stellen sich die Fragen: Wie kann man heute an Gott glauben, wie heute Christ sein? An den nächsten Samstagen im Januar wollen wir uns ihnen neu stellen.


Letzte SeitenÄnderung: 08.03.2005.
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