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Worauf es ankommt, worum es geht.
undatiert
- Es geht um einen "neuen Geist" (vgl. Ez
18,31;11,19;39,29;13,3...), um ein neues Denken, was der
Überwindung des "alten" gleichkommt. Dieses bestand darin, daß jahrhundertelang theologisch höchst qualifiziert gearbeitet
wurde, daß die "Lehre der Kirche" eine nahezu lückenlose
Systematik erfuhr, die in der Lage zu sein schien, auf alle
Fragen des Lebens christlich-adäquate Antworten geben zu
können. Seine Vorteile waren das hohe intellektuelle Niveau
wie die nahezu unerreichbaren hohen moralischen Ansprüche.
Seine Nachteile zeigen sich heute darin, daß das Leben von
konkreten Menschen, ihr eigenständiges Denken, ihre selbstverantwortete Lebensführung draußen vor der Türe bleiben
- Nachteile, die durch caritative und soziale Aktivitäten
nicht aufgehoben, sondern eher verstärkt (weil verdrängt)
wurden. Zudem hat die kirchliche Lehre - im wachsenden
Bewußtsein heutiger Menschen - eher dazu gedient, einer
bestimmten akademisch geschulten Schicht, einer Hierarchie
bzw. Oligarchie von Nutzen zu sein, dagegen die große Masse
des gläubigen (früher allerdings analphabetischen) Volkes in
Gehorsam und Untertänigkeit ins Schlepptau zu nehmen, seit der
Reformation unter dem bezeichnenden Motto: Cuius regio, eius
religio.
Was früher "massenhaft" nicht möglich war, wird heute zu einem
auffälligen Phänomen: die Menschen (schon immer draußen vor
der Tür des eigentlichen kirchlichen Geschehens) wenden sich
ab und bringen die Freiheit und die Eigenentscheidung auf,
sich bis in den religiösen Innenraum hinein zu
verselbständigen, zu individualisieren oder in eigenen freien
Gruppen neu zu organisieren. Das eigentliche Drama der
heutigen Zeit, "die Kluft zwischen Evangelium und Kultur" (wie
es Papst Paul VI. beschworen hat), nimmt so seinen vollen
Lauf. Kirchlich gesehen ist kein Horizont in Sicht, wie diese
Kluft behoben werden kann. Im Sinne David Humes, Max Webers,
Franz Rosenzweigs und vieler anderer ... und in erster Linie
im Sinne des Evangeliums muß das neue Denken sich wieder auf
konkretes Leben einzustellen und es aktiv einzubeziehen
lernen. Menschen dürfen nicht mehr als "Objekte" kirchlichen
Handelns pastorisiert werden, sondern als Subjekte und Träger
des Geschehens, wozu (synodale) Strukturen notwendig sind mit
eigenen Befugnissen und Kompetenzen, wie sie auch sonst den
Menschen in Lebens- und Glaubenserfahrungen zuwachsen.
- Es geht um die Reich-Gottes-Nähe der Predigt Jesu und
nicht (primär) um Kirchen und Konfessionen. Während die
Staatskirche seit Konstantin und die Zwei-Stände-Kirche des
Mittelalters jahrhundertelang alles daran setzte, sich zu
etablieren und auszubreiten, sich je nach Amt und Würde
Privilegien und Freiheitsräume zu schaffen, sich der Welt als
"societas perfecta" und als eine Heilsanstalt anzubieten, ohne
die es kein Heil gibt, wird es im nächsten Jahrtausend eine
Lebens- und Überlebensfrage sein, ob und wie die
Reich-Gottes-Nähe , Hauptanliegen Jesu, in Rede und Tat wieder
zum Zuge kommt. Wenn auch verbal als identisch vorausgesetzt,
ist die Reich-Gottes-Ethik Jesu nicht identisch mit der
KirchenEthik der vergangenen Jahrhunderte. Dieser ging es
primär um dogmatische Klarstellungen und kirchenrechtliche
Festlegungen, um die Strukturierung und Konstituierung von
"Kirche", um die Möglichkeit der Initiation und Sozialisation
möglichst vieler in diese Kirche, um Sakramentenspendung,
Predigt und Verkündigung - weitgehend Monologe und
Einbahnstraßen denen gegenüber, die "Hörer" und "Befolger" des
Wortes sind.
Unter der Wirkung der Predigt Jesu von der Reich-Gottes-Nähe
geschah in der ersten christlichen Zeit etwas überwältigend
Neues; es herrschte eine andere Gewichtigkeit. Die
Zusammenkünfte der Christen - nach dem Schock des Karfreitags
und nach dem Ostermorgen - gestalteten sich als
Erinnerungsgemeinschafen. Sie erinnerten sich gemeinsam (und
unterschiedlich) an all das, was Jesus in konkreten
Lebenssituationen beispielhaft gesagt und getan hatte. Weil es
heilsam und erlösend für alle Beteiligten gewesen war,
versuchten sie, menschennah und situationsbezogen zu denken
und zu handeln wie Er - als Nachfolgegemeinschaften, die die
"Praxis Jesu" stets auf den Punkt zu bringen versuchten.
"Licht der Erde", "Salz der Welt" sein. So verstanden sie
ihren Auftrag. Dabei glaubten sie alle gemeinsam - Jünger,
Apostel, Männer und Frauen - , nur Ihm, dem einen Herrn und
Meister gegenüber, im Gehorsam verpflichtet zu sein. Als
Gehorsmsgemeinschaften lernten sie, auf die Aufgaben und
Herausforderungen des Augenblicks Antwort zu geben, indem sie
dabei entdeckten, was an Kraft, Begabung und
(ergänzungsbedürftiger) Grenze in ihnen und anderen steckte.
So konnten sie auch Tisch- und Hoffnungsgemeinschaften werden,
zumal sie eine Zukunft vor sich sahen, die im Jetzt beginnend
ohne Ende ist.
- Es geht um das Wesen des Christentums. Ist
es eine kirchliche Lehre, die im wachsenden Bewußtsein der
Leute schnell durch andere Lehren in Frage gestellt werden
kann? Ist es ein Anspruch auf Absolutheit, der aus
geschichtlicher Erfahrung alternative Absolutheitsansprüche
auf den Plan ruft und denen im Gefolge kämpferische
Auseinandersetzungen, ideologische Entzweiungen unter den
Menschen, Verfolgungen, Inquisition und Religionskriege
brutalster Art - heute allerdings äußerlich überwunden durch
wachsende gegenseitige Akzeptanz und Freundlichkeit? Ist es
ein Unfehlbarkeitsanspruch, der sich allzu häufig als
"fehlbar" erwiesen hat und erweist, weil alles noch so
Absolute dem Wechsel der Geschichte und der Begrenztheit
menschlichen Fassungsvermögens und Unberechenbarkeit
unterworfen bleibt und deshalb immer nur "relativ" begriffen
werden kann? Ist es eine Ämter-Hierarchie, die juridisch und
theologisch genau zu wissen vorgibt, wer von Gott für welche
Ämter und Aufgaben berufen ist - also Menschen nach
theologischer Ausbildung, Alter und Geschlecht unterscheidet,
diese also doktrinär einstuft und einordnet und dabei völlig
übersieht, daß das Wirken des Geistes Gottes in Menschen und
in der Geschichte kirchenpolitisch an die Kette gelegt wird,
weil auch Gott nicht wirken kann, was er kirchenrechtlich
nicht wirken darf - mit der vielleicht verheerendsten
Konsequenz in unseren Tagen: das Verfehlen der "Zeichen der
Zeit"!?
Es geht darum, das Wesen des Christentums wieder
zentral als konkrete geschichtliche Person zu begreifen, die
einen Lebensstil, eine Lebensform, eine Lebensmeisterung,
einen Lebensentwurf im Sinne und im Namen Gottes - sogar über
den Tod hinaus - vorgelegt hat, der für alle Menschen und alle
Zeiten modellhaft und exemplarisch ist und bleiben wird.
Seitdem macht das Christentum als Nachfolge-Gemeinschaft eine
möglichst große Vielfalt von Lebensformen notwendig, die der
Welt deutlich vor Augen zu führen versuchen, was es heißt:
Mensch und Christ zu sein und dieser Berufung sogar treu zu
bleiben bis in den Tod. Seine Vielfältigkeit ergibt sich aus
der Vielfalt der Menschen, ihrer Begabungen und Grenzen, ihrer
Sprachen und Kulturen. Sie macht sogar unterschiedliche
theologische Denkprozesse und "Liturgien" möglich, ohne seine
Einheit zu sprengen. Denn diese besteht in der gemeinsamen
Ausrichtung auf den, der in seine Nachfolge beruft und zum Tun
dessen aufruft, was er als "Sohn Gottes" authentisch vorgelebt
hat: die Liebe als menschenbezogenes und situationsgebundenes
exemplarisches Handeln, welches Gesetz und Propheten,
theologische Lehrsysteme und moralische Postulate nicht
aufhebt, aber erfüllt und vollendet (vgl. Röm 13,7f; 1Kor 13).
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