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Wozu sind Kirche und Gemeinde gut?
undatiert
- Abnabelungstendenzen von Kirche und Gemeinde.
Eigentlich ist es erstaunlich, daß diese Frage bei vielen immer mehr zu
einer Frage wird. Denn Kirche und Gemeinden wollen eigentlich immer noch
das, was sie schon immer wollten: für das Heil, das Wohl der ihr
anvertrauten Menschen da sein! In der Gemeinde wird die Botschaft Jesu von
der anbrechenden Gottesherrschaft verkündet; die Frage nach der Wahrheit
über Gott und die Welt spielt eine große Rolle und folglich nach dem Sinn
des menschlichen Lebens. Zudem versucht die Kirche, bei einschneidenden
Lebensereignissen und -phasen präsent zu sein: bei Geburt und Taufe, bei
Erwachsenenwerden und Erstkommunion, bei Schuldbewußtsein und
Gewissensbildung, bei Hochzeit, Krankheit und Tod - sozusagen in frohen
und in trüben Tagen. Weil es immer um die Botschaft Gottes und das Heil
der Menschen geht, müßte eigentlich allen klar sein, was immer weniger
klar zu sein scheint. Liegen der "Kirchenschwund" und das "Ausbluten der
Gemeinden" an der auch gesellschaftlich feststellbaren "Umwertung aller
Werte" in einer rapide sich verändernden Welt- und Lebenseinstellung?
Liegt es daran, daß in Zeiten wirtschaftlichen Wohlbefindens Werte und
Wahrheiten aufhören, Werte und Wahrheiten zu sein? Eltern können ein Lied
darüber singen, wenn sie die Erfahrung machen, daß bei ihren
heranwachsenden Töchtern und Söhnen plötzlich nicht mehr gilt, was in der
Kindheit prägend und tragend gewesen war. Sie ziehen einfach aus dem
Elternhaus aus. Sie wollen ihre Freiheit und Selbständigkeit. Oft scheinen
sie einfach wegzuwerfen, was ihnen die Eltern als unverzichtbar mitgegeben
hatten. Und die verängstigten Eltern wissen oft nicht, wo ihre Kinder
einmal landen werden: in einem geistigen Niemandsland, in einer
Orientierungs- und Bodenlosigkeit ohne festen Halt unter den Füßen. Diese
laufen allzu häufig irgendwelchen Propheten nach, die mit simplen und
eingängigen Floskeln zu wissen vorgeben, was wichtig und tragend für
modernes aufgeklärtes Leben ist...
- Eine Generation von "verlorenen Töchtern und Söhnen".
Insofern hat es die Kirche heute weltweit mit einer Generation der für sie
"verlorenen Töchter und Söhne" zu tun, die einfach weggehen und wegbleiben
und von denen sie - ganz im Sinne von Lk 15,11ff - nicht weiß, ob und wie
sie einmal zurückkehren werden... Was sollen Kirche und Gemeinde dabei
tun, wie reagieren? Mit Wehrufen und Drohgebärden ist es genauso wenig
getan wie mit naivem Optimismus. Vielleicht sollte die "alte
Mutter-Kirche" das tun, wozu ältere Menschen neigen, wenn sie
Gegenwärtiges nicht mehr verstehen: Sie schauen zurück in die
Vergangenheit, in die eigene Kindheit. Im "Zurück zu den Quellen" hat das
2.Vatikanische Konzils es auch getan. Dabei stellten sich die Fragen, wie,
warum, unter welchen Umständen und zu welchem Zweck die Kirche eigentlich
entstanden ist? Mit dem früher gängigen Hinweis, Jesus habe die Kirche
gegründet und deshalb sei sie halt da, schien es nicht (mehr) getan. In
Wirklichkeit versammelten sich die ersten Christen nach der Katastrophe
des Karfreitags, nachdem alle ihre Hoffnungen zunichte gemacht waren. Sie
arbeiteten, verängstigt und orientierungslos, noch einmal auf, was
eigentlich geschehen war. Ihre Zusammenkünfte gestalteten sich zu
ERINNERUNGSGEMEINSCHAFTEN. Denn sie erinnerten sich an all das, was Jesus
in konkreten Lebenssituationen gesagt und getan hatte. Weil es heilsam und
erlösend für alle Beteiligten gewesen war, versuchten sie, wie Er zu
denken und zu handeln - als NACHFOLGEGEMEINSCHAFTEN, die die "Praxis Jesu"
auf konkrete Weise auf den Punkt zu bringen versuchten. "Licht der Welt",
"Salz der Erde" sein. So nannten sie ihren Auftrag. Dabei glaubten alle
gemeinsam - Jünger, Apostel, Männer und Frauen - nur Ihm, dem einen Herrn
und Meister gegenüber, im Gehorsam verpflichtet zu sein. Als
GEHORSAMSGEMEINSCHAFTEN lernten sie, auf die Aufgaben und
Herausforderungen des Augenblicks Antwort zu geben, indem sie dabei
entdeckten, was an Kraft, Begabung und Grenze in ihnen und anderen
steckte. Letztlich ging es um die Personwerdung jedes Einzelnen, im Namen
Gottes, nicht ohne die der anderen und nicht ohne die dauernde
Rückbesinnung auf das Beispiel Jesu, der ihnen exemplarisch deutlich
gemacht hatte, wie sich´s überzeugend und gottgemäß leben läßt - sogar
über den Tod hinaus. In dieser Einstellung konnten sie auch TISCH- und
HOFFNUNGSGEMEINSCHAFTEN sein, weil sie eine Zukunft vor sich sahen, die im
Jetzt beginnend ohne Ende ist.
- Zurückfinden zu den elementaren Anliegen des Evangeliums.
Die Kirche hat sich im Laufe der Jahrhunderte eine "gute" Ordnung gegeben.
Man kann sie "Hierarchie" nennen oder "Männergesellschaft", Oligarchie
oder Monarchie, Klerikalismus oder Oben-Unten-Herrschaft. Das "Ergebnis"
jedenfalls ist die Erkenntnis, daß diese "gottgewollte" Ordnung gar nicht
so gottgewollt ist, wie sie manche Nutznießer gerne zementiert haben
möchten. Außerdem hat sich der "Geschmack" des mündiger werdenden
Gottesvolkes rapide geändert. Was früher die Orden leisteten, müssen im
Blick auf das Morgen die Gemeinden als ihre Aufgabe erkennen: Sie müssen
eine überzeugende Lebensform des Miteinander finden und erproben, die für
möglichst viele heilsam ist, indem sie dem Schicksal der einzelnen gerecht
zu werden versuchen. Sie müssen die Praxis Jesu wieder exemplarisch ins
Spiel zu bringen imstande sein - nicht um die Kirchengesetze aufzuheben,
sondern um sie zu erfüllen (Mt 5,17). Sie müssen Weisungen und
Verordnungen in den Dienst konkreter Menschen zu stellen fähig sein, statt
umgekehrt die Menschen zu Sklaven und Befolgern von Weisungen und
Verordnungen zu machen (Mt 12,1ff). Gemäß den Charismen geht es bei den
Gemeinden der Zukunft um möglichst große Lebensvielfalt - in der Einheit
des Geistes, der die Vielfältigkeit erlaubt. Im Trubel des heutigen
Zeiten-Umbruchs werden die christlichen Gemeinden in sehr konkreter Form
wieder das werden müssen, was sie einmal waren: Erinnerungs-, Nachfolge-,
Gehorsams-, Tisch- und Hoffnungsgemeinschaften. Entweder wird das
christliche Selbstverständnis wieder unter diesen elementaren
Erfordernissen sein oder es wird nicht mehr sein. Sollte es weiterhin
sein, würden sich heute brennende Kommissions-Fragen über Ämterverständnis
und Ämterzulassung, über katholische und evangelische Rechtfertigung, über
Sakramentenverständnis, über männliche und frauliche Aufgaben und
Kompetenzen... als kirchenamtlich-langweiliges, längst überholtes und
unwichtiges theologisches Geplänkel herausstellen (vgl. Gal 3,28). Die
Christenheit als Ganze würde wieder begreifen, daß sie sich selbst und
"der Welt" gegenüber nur Eines schuldig ist: das Zeugnis gemeinsamer und
gegenseitiger Liebe (vgl. Röm 13,7f; 1 Kor 13) - sozusagen als
Vorgeschmack dessen, was Jesus die Vollendung des Reiches Gottes nennt.
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