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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Wozu sind Kirche und Gemeinde gut?

undatiert

  1. Abnabelungstendenzen von Kirche und Gemeinde.
    Eigentlich ist es erstaunlich, daß diese Frage bei vielen immer mehr zu einer Frage wird. Denn Kirche und Gemeinden wollen eigentlich immer noch das, was sie schon immer wollten: für das Heil, das Wohl der ihr anvertrauten Menschen da sein! In der Gemeinde wird die Botschaft Jesu von der anbrechenden Gottesherrschaft verkündet; die Frage nach der Wahrheit über Gott und die Welt spielt eine große Rolle und folglich nach dem Sinn des menschlichen Lebens. Zudem versucht die Kirche, bei einschneidenden Lebensereignissen und -phasen präsent zu sein: bei Geburt und Taufe, bei Erwachsenenwerden und Erstkommunion, bei Schuldbewußtsein und Gewissensbildung, bei Hochzeit, Krankheit und Tod - sozusagen in frohen und in trüben Tagen. Weil es immer um die Botschaft Gottes und das Heil der Menschen geht, müßte eigentlich allen klar sein, was immer weniger klar zu sein scheint. Liegen der "Kirchenschwund" und das "Ausbluten der Gemeinden" an der auch gesellschaftlich feststellbaren "Umwertung aller Werte" in einer rapide sich verändernden Welt- und Lebenseinstellung? Liegt es daran, daß in Zeiten wirtschaftlichen Wohlbefindens Werte und Wahrheiten aufhören, Werte und Wahrheiten zu sein? Eltern können ein Lied darüber singen, wenn sie die Erfahrung machen, daß bei ihren heranwachsenden Töchtern und Söhnen plötzlich nicht mehr gilt, was in der Kindheit prägend und tragend gewesen war. Sie ziehen einfach aus dem Elternhaus aus. Sie wollen ihre Freiheit und Selbständigkeit. Oft scheinen sie einfach wegzuwerfen, was ihnen die Eltern als unverzichtbar mitgegeben hatten. Und die verängstigten Eltern wissen oft nicht, wo ihre Kinder einmal landen werden: in einem geistigen Niemandsland, in einer Orientierungs- und Bodenlosigkeit ohne festen Halt unter den Füßen. Diese laufen allzu häufig irgendwelchen Propheten nach, die mit simplen und eingängigen Floskeln zu wissen vorgeben, was wichtig und tragend für modernes aufgeklärtes Leben ist...
     
  2. Eine Generation von "verlorenen Töchtern und Söhnen".
    Insofern hat es die Kirche heute weltweit mit einer Generation der für sie "verlorenen Töchter und Söhne" zu tun, die einfach weggehen und wegbleiben und von denen sie - ganz im Sinne von Lk 15,11ff - nicht weiß, ob und wie sie einmal zurückkehren werden... Was sollen Kirche und Gemeinde dabei tun, wie reagieren? Mit Wehrufen und Drohgebärden ist es genauso wenig getan wie mit naivem Optimismus. Vielleicht sollte die "alte Mutter-Kirche" das tun, wozu ältere Menschen neigen, wenn sie Gegenwärtiges nicht mehr verstehen: Sie schauen zurück in die Vergangenheit, in die eigene Kindheit. Im "Zurück zu den Quellen" hat das 2.Vatikanische Konzils es auch getan. Dabei stellten sich die Fragen, wie, warum, unter welchen Umständen und zu welchem Zweck die Kirche eigentlich entstanden ist? Mit dem früher gängigen Hinweis, Jesus habe die Kirche gegründet und deshalb sei sie halt da, schien es nicht (mehr) getan. In Wirklichkeit versammelten sich die ersten Christen nach der Katastrophe des Karfreitags, nachdem alle ihre Hoffnungen zunichte gemacht waren. Sie arbeiteten, verängstigt und orientierungslos, noch einmal auf, was eigentlich geschehen war. Ihre Zusammenkünfte gestalteten sich zu ERINNERUNGSGEMEINSCHAFTEN. Denn sie erinnerten sich an all das, was Jesus in konkreten Lebenssituationen gesagt und getan hatte. Weil es heilsam und erlösend für alle Beteiligten gewesen war, versuchten sie, wie Er zu denken und zu handeln - als NACHFOLGEGEMEINSCHAFTEN, die die "Praxis Jesu" auf konkrete Weise auf den Punkt zu bringen versuchten. "Licht der Welt", "Salz der Erde" sein. So nannten sie ihren Auftrag. Dabei glaubten alle gemeinsam - Jünger, Apostel, Männer und Frauen - nur Ihm, dem einen Herrn und Meister gegenüber, im Gehorsam verpflichtet zu sein. Als GEHORSAMSGEMEINSCHAFTEN lernten sie, auf die Aufgaben und Herausforderungen des Augenblicks Antwort zu geben, indem sie dabei entdeckten, was an Kraft, Begabung und Grenze in ihnen und anderen steckte. Letztlich ging es um die Personwerdung jedes Einzelnen, im Namen Gottes, nicht ohne die der anderen und nicht ohne die dauernde Rückbesinnung auf das Beispiel Jesu, der ihnen exemplarisch deutlich gemacht hatte, wie sich´s überzeugend und gottgemäß leben läßt - sogar über den Tod hinaus. In dieser Einstellung konnten sie auch TISCH- und HOFFNUNGSGEMEINSCHAFTEN sein, weil sie eine Zukunft vor sich sahen, die im Jetzt beginnend ohne Ende ist.
     
  3. Zurückfinden zu den elementaren Anliegen des Evangeliums.
    Die Kirche hat sich im Laufe der Jahrhunderte eine "gute" Ordnung gegeben. Man kann sie "Hierarchie" nennen oder "Männergesellschaft", Oligarchie oder Monarchie, Klerikalismus oder Oben-Unten-Herrschaft. Das "Ergebnis" jedenfalls ist die Erkenntnis, daß diese "gottgewollte" Ordnung gar nicht so gottgewollt ist, wie sie manche Nutznießer gerne zementiert haben möchten. Außerdem hat sich der "Geschmack" des mündiger werdenden Gottesvolkes rapide geändert. Was früher die Orden leisteten, müssen im Blick auf das Morgen die Gemeinden als ihre Aufgabe erkennen: Sie müssen eine überzeugende Lebensform des Miteinander finden und erproben, die für möglichst viele heilsam ist, indem sie dem Schicksal der einzelnen gerecht zu werden versuchen. Sie müssen die Praxis Jesu wieder exemplarisch ins Spiel zu bringen imstande sein - nicht um die Kirchengesetze aufzuheben, sondern um sie zu erfüllen (Mt 5,17). Sie müssen Weisungen und Verordnungen in den Dienst konkreter Menschen zu stellen fähig sein, statt umgekehrt die Menschen zu Sklaven und Befolgern von Weisungen und Verordnungen zu machen (Mt 12,1ff). Gemäß den Charismen geht es bei den Gemeinden der Zukunft um möglichst große Lebensvielfalt - in der Einheit des Geistes, der die Vielfältigkeit erlaubt. Im Trubel des heutigen Zeiten-Umbruchs werden die christlichen Gemeinden in sehr konkreter Form wieder das werden müssen, was sie einmal waren: Erinnerungs-, Nachfolge-, Gehorsams-, Tisch- und Hoffnungsgemeinschaften. Entweder wird das christliche Selbstverständnis wieder unter diesen elementaren Erfordernissen sein oder es wird nicht mehr sein. Sollte es weiterhin sein, würden sich heute brennende Kommissions-Fragen über Ämterverständnis und Ämterzulassung, über katholische und evangelische Rechtfertigung, über Sakramentenverständnis, über männliche und frauliche Aufgaben und Kompetenzen... als kirchenamtlich-langweiliges, längst überholtes und unwichtiges theologisches Geplänkel herausstellen (vgl. Gal 3,28). Die Christenheit als Ganze würde wieder begreifen, daß sie sich selbst und "der Welt" gegenüber nur Eines schuldig ist: das Zeugnis gemeinsamer und gegenseitiger Liebe (vgl. Röm 13,7f; 1 Kor 13) - sozusagen als Vorgeschmack dessen, was Jesus die Vollendung des Reiches Gottes nennt.


Letzte SeitenÄnderung: 08.03.2005.
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