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Betr. FAZ vom 2. April 1997, S. 4 und 14
April 1997
Die FAZ bringt in einer und derselben Ausgabe zwei Artikel
von zeitgenössischen Kirchenmännern, die auf den ersten Blick
nichts miteinander zu tun zu haben scheinen, dennoch aber aus
demselben Geist heraus verfaßt sind. Während Kardinal Meisner
seine Ängste darüber zum Ausdruck bringt, daß der Kirche "das
Wesentliche" verloren zu gehen droht - trotz der Vielzahl
krchlicher Einrichtungen und Aktivitäten - , spricht Erzbischof
Cordes von der "globalen Institution" der katholischen Kirche,
deren zeitliche wie geographische Ausdehnung einzigartig sei.
Beide Kirchenfürsten wissen auch die Feinde der Kirche ziemlich
genau auszumachen.
Bei Meisner ist es der Mangel an Wüstenerfahrung und damit die
fehlende Auseinandersetzung mit dem Teufel, was dem
Gottesbewußtsein nicht besonders förderlich ist; bei Cordes ist
es der "Zeitgeist" bzw. der Humanismus ohne Gott, der ohne Marx,
Darwin, Freud... nicht zu denken ist und der auch in der Kirche
vor der französischen Revolution oder in den Zeiten Francos
schon seine Rolle gespielt haben mag.
Beide Artikel spiegeln in vielleicht unbedachter Einmütigkeit
denselben Geist wider. Der eine beschwört die Kirche als
"heilenden Schattenspender", der andere tröstet sich mit den
Millionen Ordensfrauen und Laien, die die selbstlosen Werke der
Barmherzigkeit tun. In der Tat war und ist die Kirche stets für
die Menschen da, für die Armen und Hilfsbedürftigen. Wo aber -
weltweit - die Menschen nicht mehr im kirchlich vorgesehenen
Sinne die Armen und Hilfsbedürftigen sind oder sein wollen; wo
sie anfangen, ihre eigene Sprache zu sprechen und eine eigene
Option zu entwickeln - auch in Fragen des Glaubens und der
Kirche - , da scheint die Hierarchie ihre Fassung zu verlieren
und die herkömmliche Kirche ihre Identität, so als wollte sie
der Menschheit sagen: Bleib doch bitte arm und bedürftig, daß
wie für Dich da sein können. Als moderne Menschen werdet bitte
nicht mündig und selbständig. Denn mit Euch zusammen können wir
als Hierarchie recht wenig anfangen!
So entsteht weltweit der Eindruck, als habe Jesus eine Kirche
gegründet nach dem Motto: hierarchisch-zentalistisch wird alles
gehen, paritätisch-subsidiär kaum etwas! Ob nicht gerade dieser
nicht zugegebene klerikale Machtanspruch über Menschen das
eigentliche Dilemma der Kirche darstellt, der zudem mit dem
Geist Jesu wenig oder gar nichts gemeinsam hat. Wenn aber
kirchenamtlich dauernd der Geist Jesu beschworen wird - welcher
kirchlich frisierte ist dann eigentlich gemeint? Wann wird
endlich jener Mann aus Nazaret angstfrei in die Mitte gerückt,
wie er von der Bibelwissenschaft heute wiederentdeckt wird?
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