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Betr.: Publik Forum 13/1999, 37ff
Man muß H. Küng und allen möglichen Demoskopen recht geben:
was sich im innerkirchlichen Raum unter dem jetzigen Pontifikat
abspielt, ist ein Autoritätsverlust der Kirche mit
unvorhersehbaren Folgen. Dabei müßte man eigentlich das
Gegenteil vermuten. Der Papst tut doch "große Dinge". Von seinen
Untertanen bis in die obersten Ränge der Bischöfe und Kardinäle
hinein verlangt er das Leichteste und "Bequemste", was man sich
denken kann: nichts anderes als Gehorsam und Treue-Eide. Zudem
hat er eine beachtliche Bilanz aufzuweisen: Über achtzig
"pastorale Reisen" hat er weltweit hinter sich gebracht. Er hat
die Massen mobilisiert und begeistert: als "Stellvertreter
Christi", den Millionen bei seinen Auftritten nicht versäumen
möchten; als "Wundertäter", der die Seligen und Heiligen in den
verschiedensten Ländern wie bisher kein anderer über tausendfach
entdeckt und kanonisiert hat; als einer, der hohe moralische
Maßstäbe setzt; als Hoffnungsträger vor allem der anonymen
Massen im Raum einer Kirche, in der es das überall in der Welt
wirksame hochexplosive Gemisch von Gut und Bös nicht zu geben
scheint.
Bei den trotzdem umstrittenen Bilanzen habe ich - um sie besser
verstehen und einordnen zu können? - in den letzten Jahren immer
wieder spontan zu zwei Büchern gegriffen: zu J.H. Newmans "Der
Antichrist" und J. Piepers "Über das Ende der Zeit". Darin
werden - nach dem Zeugnis vieler Theologen der Frühzeit und des
Mittelalters - die oben geschilderten Auffälligkeiten nicht dem
in der Geschichte anwesenden Christus zugeschrieben, sondern der
geschichtlich immer wieder auftauchenden Figur des
Anti-Christen. Dieser wird geschildert als "kirchliche Figur",
als geschichtsmächtiges Wesen, als Wohltäter der Menschheit, als
Menschenfreund und Vertreter einer Pseudo-Ordnung. Mit viel
Macht und Herrlichkeit schreitet er durch die Welt. Es gelingt
ihm, die Massen für sich einzunehmen. Bei seinen
"christusähnlichen Zügen" fällt bei vielen nicht mehr ins
Gewicht, was aus biblischer Sicht jedoch das Entscheidende ist:
er nimmt die Menschen in ihrer persönlichen Würde und
Gewissens-Verantwortung nicht sonderlich ernst, sondern nur sich
selbst und seine eigenen Machtansprüche.
In den heutigen Auseinandersetzungen sollte jeder Christ die
genannten Bücher lesen. Nicht, um auf selbstüberhebliche Weise
irgendeinen Menschen als Anti-Christen zu entlarven, wohl aber,
um die eigentlichen Dimensionen geschichtlicher Entwicklungen
besser begreifen und darauf reagieren zu können. Letztlich geht
es immer um Menschen- oder Gottesglauben, um die Liebe zur Macht
oder die Macht der Liebe, um die Wahrheit der Autorität oder die
Autorität der Wahrheit. Niemals kommen die Kirchen an der Frage
vorbei, ob sie den Mut zu wirklicher Christusnachfolge
aufbringen oder ob sie folgenschweren Verschiebungen der
Grundlagen des Christentums Vorschub leisten wollen? Vor
Versuchungen letzterer Art sind auch die Päpste nicht gefeit.
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