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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Ansichten eines Außenseiters (XII):
Kinderschänderei. Wie zurechtkommen mit einer Kirche, in der es keinen ohne Sünde gibt?

März 2010

Ich denke an das Evangelium von der Ehebrecherin, welches am 5. Fastensonntag in den Kirchen verlesen wird (Joh. 8.1-11). Eine Frau hat Ehebruch begangen. Nach damaliger Auffassung kam solches bei Männern wohl nicht so leicht vor – woran zu erkennen ist, dass sich die Männerwelt der damaligen Zeit die Religion zu ihren Gunsten zurecht gebastelt hatte. Die Frau gehörte also gesteinigt. Die Pharisäer und Schriftgelehrten, unantastbare religiöse Autoritäten, betrieben die Vollstreckung der Strafe. Was sie sagten und anordneten, hatte für das gläubige Volk höchste Priorität. Sie waren die Päpste und Bischöfe von damals.

Jesus, der die Szene verfolgt, schützt die Ehebrecherin. Damit ist nicht gesagt, dass er mit dem Ehebruch einverstanden ist. Aber er gibt der Frau eine Chance zum Neuanfang: "Sündige von jetzt an nicht mehr!" – Im Evangelium geht es aber nicht nur um die Sünderin. Auch um die höchsten religiösen Autoritäten. Auf beschämende Weise bestätigt ihnen Jesus in aller Öffentlichkeit: Steinigt die Frau, wenn ihr ohne Sünde seid. Aber ihr seid nicht ohne Sünde. Deshalb habt ihr kein Recht, die Menschen zu Rache und Brutalität anzustacheln!

Die Szene mit der Ehebrecherin und der an den Pranger gestellten höchsten religiösen Autoritäten hat viel mit der gegenwärtigen katastrophalen Krise der Kirche zu tun. Was die "Kinderschänderei" in kirchlichen Einrichtungen betrifft, müssen die "normalen Gläubigen" entweder verzweifeln, oder sich in Zukunft mit einer Kirche abfinden, in der es niemanden (mehr) gibt, der ohne Sünde ist.

1. Wie die ältere Generation erzogen wurde ...

Es gibt bis heute noch eine kirchentreue ältere Generation, die in einer Weise zur Solidarität mit der Kirche erzogen wurde, von der die jüngere Generation schon seit geraumer Zeit Abschied nimmt. Für die ältere Generation gab es und gibt es eine unantastbare "unfehlbare Lehre" der Kirche, verkündet von religiösen Autoritäten ohne Tadel und Makel. Sie stehen umso näher bei Gott, je violetter, roter oder weißer ihre Gewänder sind. Deren Titel bekräftigen noch ihren religiösen und moralischen Anspruch, Gottes Worte und Weisungen authentisch zu vertreten: Heiliger Vater, Eminenz, Exzellenz, Hochwürdigste Herren ... Wer wagte es bis vor kurzem, solche Autoritäten in Frage zu stellen?

Die Revolution, die gegenwärtig in der Kirche stattfindet, ist den Ereignissen von vor 2000 Jahren nicht unähnlich. Gläubige Christen sind dabei, an den herkömmlichen religiösen Autoritäten zu verzweifeln. Oder sie müssen eine schwere Aufgabe bewältigen, d.h. sich mit der Tatsache abfinden, dass es in der Kirche niemanden gibt, der ohne Sünde ist. Die Mächtigen und Einflussreichen der Kirche werden gegenwärtig – mehr als je zuvor – von den Thronen ihrer unfehlbaren Urteile und Verordnungen gestoßen. So als ginge der Lobgesang Mariens in Erfüllung: "Die Mächtigen stößt er vom Thron und erhöht die Niedrigen" (Lk 1.52).

2. Die größte Sünde "der Guten": die "Verhärtung im Guten".

Werden die gegenwärtigen Ereignisse eine positive Wende nehmen oder geht das selbstbewusste Getue der hochwürdigsten Herren weiter? Wenn schon der Ruf nach einer positiven Wende – wie könnte sie aussehen? Früher haben alle Christen einmal gelernt, dass Gott die Welt und den Menschen erschaffen hat. Gott schuf den Menschen als Mann und als Frau. Auch deren Sexualität. Deshalb ist es unverständlich – beinahe eine Verhöhnung Gottes –, dass in der Kirche ein junger Mann nur Priester werden kann, wenn er im Vorzimmer seiner Berufung die ihm von Gott gegebene Sexualität ablegt. Von einem bestimmten Augenblick an muß er nach kirchlicher Vorschrift ein a-sexuelles Wesen sein!

Es stellt sich die Frage: haben Papst, Kirche und die von ihnen gemachten "heiligen Traditionen" das Recht, Menschen per Verfügung und Gesetz das zu nehmen, was Gott ihnen gegeben hat? Es könnte nach Gottes Plan ja sein, dass gerade die Sexualität und deren Bewältigung unverzichtbar zum Reifwerden der Persönlichkeit gehören – innerhalb wie außerhalb der Kirche! Dann behält nicht mehr die Kirchenfrage nach dem Zölibat höchste Priorität, sondern die Gottesgabe der Sexualität als zu bewältigende Lebensaufgabe für jeden Menschen. Kirchliche Gesetzgebung muß sich fragen lassen, ob sie nicht schon seit langem an Gottes Einrichtungen vorbei operiert? Die heutige Krise kann also wie ein Gottesgericht verstanden werden über diejenigen, die sich allzu selbstgerecht über Gottes Schöpfungsordnung erheben!

Ebenso gotteslästerlich ist es, wenn eine Frau oder ein im Leben bewährter "Laie" den Wunsch bzw. die Berufung spürt, sich an der Weitergabe des Evangeliums zu beteiligen. Die überhaupt an Entscheidungsprozessen in der Kirche beteiligt sein wollen! Aber es wird ihnen verboten, weil die "heilige Klerikertradition" sich alle Rechte vorbehält. Päpste und Bischöfe müssen in Zukunft zugeben, dass sie ziemlich fehlbar sind – was das gläubige Volk schon längst bemerkt hat. Sie müssen die biblische Wahrheit konsequent zur Kenntnis nehmen, dass Gott die Niedrigen erhöht. Sie müssen aufhören, sich Entscheidungen anzumaßen, die dem Evangelium nicht entsprechen.

Wenn die Stunde erkannt würde, könnte die gegenwärtige katastrophale Krise ein Anlass zur Besinnung und konstruktiven Erneuerung werden. Wenig spricht im Augenblick dafür, dass die verhängnisvolle "Verhärtung der Guten im Guten" aufgebrochen wird. Die Vermutung liegt nahe, dass auch Jesus über die gegenwärtige Situation weinen müsste, wenn er da wäre – wie er es damals vor der Zerstörung Jerusalems getan hat. "Wenn doch auch du erkannt hättest, was dir Frieden bringt ... So aber wird kein Stein auf dem anderen gelassen; denn du hast die Zeit der Gnade nicht erkannt" (Lk 19.41-44).

 


Letzte SeitenÄnderung: 02.03.2011.
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