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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Ansichten eines Außenseiters (VIII):
Glaube und Vernunft.

Februar 2007

Im vergangenen Jahr hat Kurienkardinal Walter Kasper den Preis der Salzburger Hochschulwochen bekommen. In seiner Dankrede hat der Kardinal ein Thema aufgegriffen, welches auch ein Lieblingsthema von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. war und ist: Glaube steht nicht im Gegensatz zur Vernunft, d.h. zum neuzeitlichen Denken und zu modernen Ideologien. Er schilderte in seiner Rede seinen eigenen Lebensweg: seine Auseinandersetzung mit Schelling, Hegel, Kierkegaard, Marx, Nietzsche...

Akademisch geschulten geistigen Feinschmeckern mag diese Rede ein Genuss gewesen sein. Und eine Bestätigung eigener Überzeugungen, die da lautet: mit großen Denkern löst man das Problem des Zusammenhangs zwischen Vernunft und Glaube! Mir als "Außenseiter" kam dabei der Gedanke: die Kirche hat sich immer schon mit den Mächtigen der Erde verbündet. Auch mit den Mächtigen des Geistes!

Dagegen lese ich in der gegenwärtigen Literatur und in den Massenmedien: Kinder haben schon ihre eigenen Gedanken, ebenso Jugendliche, Männer und Frauen. Die Medien machen sich zu Sprachrohren breitester Schichten, auch in Sachen "Religion und Glaube". Den Kirchen wird immer mehr Kompetenz abgesprochen. Dass heute breite "alphabetisierte Schichten" ihre eigenen Gedanken haben – dieses Faktum sucht man vergeblich bei Kasper, Ratzinger usw. Dass sie sich selbst mit den "geistigen Größen" verbündet haben, macht die Größe der Theologie aus, aber auch deren Tragik. Sie haben den Boden unter den Füßen verloren...


1. Schon Kinder haben ihre eigenen Gedanken...

Das ist in der heutigen Psychologie und Pädagogik eine Binsenwahrheit. Es hat Zeiten gegeben - die des 2. Vaticanums und die der Würzburger Synode - , in denen die "Amtskirche" intensiv versucht hat, mit dem denkenden Teil des "Volkes Gottes" ins Gespräch zu kommen. Dessen "Vernunft" war weniger von Schelling, Marx und Nietzsche geprägt, als viel mehr von den Alltagserfahrungen des (Gemeinde)Lebens und Glaubens. In manchen deutschen Diözesansynoden, die nach Würzburg folgten, haben denkende Laien – Männer und Frauen – ihre Gedanken geäußert über herkömmliche kirchliche Marschrichtungen und notwendig zukünftige; über die "Evangelisierung in der Welt von heute", über notwendende Reformen, um dem Wort Gottes wieder Gehör zu verschaffen in einer Welt, die keine Ohren mehr zu haben scheint...

Während der Synoden taten sich Klüfte auf: zwischen der "Vernunft" der sog. "Experten" und der "Vernunft" des gläubigen Volkes (früher "sensus fidelium" genannt). Dieser "Sensus" wurde kaum aufgegriffen, eher als Gefahr für das Herkömmliche erkannt. Das Schicksal der mühsam in den Diözesen erarbeiteten "Konsenspapiere" ist heute in Vergessenheit geraten. Sie landeten mehr oder weniger alle im Papierkorb! Ein anderer, mit dem denkenden Gottesvolk nicht in Einklang zu bringender Trend hat sich seitdem durchgesetzt. Er heißt: Restauration. Deren Folgen sind überall offenkundig. Man könnte sie – bei allem medienwirksamen Triumphgetöse und bei allen "Strukturveränderungen"  den "begeisterten Selbstmord der Kirche" nennen. Jedenfalls kaum "Gestaltung des Übergangs", eher "Verwaltung des Untergangs".

2. Die Schwerpunkte heutiger Kirchenpolitik.

Einige markante Tendenzen sind unübersehbar:

  1. Die Theologen und Fachleute in Sachen "Religion und Glaube" bleiben unter sich. Sie diskutieren unter sich und erforschen ihre eigenen Grundlagenprobleme – auf sehr unterschiedliche Weise, je nach Fachbereich und speziellem Wissenschaftsinteresse.
  2. Die katholische Kirche ist eine hierarchisch geordnete Klerikerkirche. Sie müsste mehr nach den Ideen des "Volkes Gottes" und des "allgemeinen Priestertums" orientiert sein, was dem biblischen Denken sehr nahe käme. Aber dagegen steht die für heilig gehaltene "Tradition". Zudem herrscht anscheinend die Angst vor, man könnte sich zu sehr anderen christlichen Konfessionen annähern, für die die Bibel konsequent die Grundlage ist. Aus Gründen der Tradition u.a. haben die Laien keine hervorragende Bedeutung. Ihre Aufgaben liegen in der Welt – sozusagen als verlängerter Arm des Klerus in weltliche Belange.
  3. Die Kluft zwischen der "Amtskirche" und dem schrumpfenden "Gottesvolk" wird immer gravierender und bedrohlicher. Sofern die Christen Christen bleiben wollen, orientieren sie sich immer weniger an den Weisungen der Kirche, ohne auf deren feierliche und exotische "Angebote" zu verzichten. Die einen beharren auf theologischen Wahrheitsansprüchen, die anderen sind auf das "Tun der Wahrheit" aus. Sie entdecken Vieles in ihrem Leben als "christlich" und "evangeliumsgemäß", wenn auch weniger als konform mit Vorstellungen der Kirche.
  4. Während also der Glaube an die kirchliche Autorität schwindet, wird der Hunger spürbar nach dem Wesen und Ursprünglichen des Christlichen. Nicht zufällig melden sich überall religiöse Gurus bzw. religiös "Erleuchtete" zu Wort, die sich den Anschein geben, das Volk ernst zu nehmen, so wie es ist.
  5. Wenn von den Kirchenverantwortlichen immer wieder gefordert wird, man solle sich wieder auf das "Kerngeschäft" besinnen, auf das "mehr Wesentliche", dann stellt sich die Frage, was eigentlich damit gemeint ist? Bisher besteht nicht der Eindruck, dass das im Mittelpunkt des Interesses steht, was für das Volk wichtig ist. Trendforscher stellen eine "neue Autoritätssehnsucht" fest. "Ethik und Moral" seien die zentralen Themen des 21. Jahrhunderts. "Neue Werte" wie Ordnung, Höflichkeit, Disziplin, Familie... seien gefragt.

Natürlich können die Kirchen nicht "Trends" nachlaufen. Aber die Frage richtet sich an sie: waren nicht Leben und Beispiel Jesu weitgehend "Ethik und Moral", die gelebte Vorbildlichkeit von Werten und "Tugenden"? Darum müsste es Kirchen an erster Stelle gehen: nicht um ihren eigenen Erhalt, sondern dass das "Kerngeschäft" stimmig ist in Worten und Werken. Was verkündet wird, muß sich im Tun und in der Selbstdarstellung als glaubwürdig erweisen.

PS: in eigener Sache!
1. Wenn ich mich mit "Ansichten eines Außenseiters" immer wieder zu Wort melde, hat meine "Kritik" nicht die Absicht, als "Nestbeschmutzer" tätig zu sein. Vielmehr versuche ich "Ursachenforschung" für den Niedergang der Kirchen und des Christlichen überhaupt zu betreiben, der ja nicht nur in den "zivilisierten Ländern" auffällig ist, sondern immer mehr auch in den noch "blühenden Kirchen" Polens, Afrikas, Lateinamerikas...

2. Das angekündigte Buch "Über Gott und die Welt. Gespräche am Küchentisch", München 2007, liegt nun vor. Es geht um viele Perspektiven von "Glauben und Leben" heute. Danke!


Letzte SeitenÄnderung: 02.03.2011.
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