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Brennende Fragen zu Religion, Glaube, Kirche(n). (1):
Vitamin K. Brauchen wir die Kirche?
Oktober 2012
Unter diesem Titel ist in diesem Jahr (2012) im Herder-Verlag ein Buch
erschienen, geschrieben vom ZdK-Präsidenten Alois Glück und dem Vorsitzenden
der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. Das Resume´:
Natürlich brauchen wir die Kirche! Wie könnte es anders sein bei denen, die
in der Kirche groß geworden und beheimatet sind; denen von Kindheit an ein
Zugang zu ihr verschafft wurde. Wenn solche Leute gefragt werden, antworten
sie wie die beiden Autoren. Sie finden Begründungen und Argumente genug, um
deutlich zu machen, dass wir auf Zukunft hin die Kirche dringend brauchen.
Unter diesem Titel ist in diesem Jahr (2012) im Herder-Verlag ein Buch
erschienen, geschrieben vom ZdK-Präsidenten Alois Glück und dem Vorsitzenden
der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. Das Resumé:
Natürlich brauchen wir die Kirche! Wie könnte es anders sein bei denen, die
in der Kirche groß geworden und beheimatet sind; denen von Kindheit an ein
Zugang zu ihr verschafft wurde. Wenn solche Leute gefragt werden, antworten
sie wie die beiden Autoren. Sie finden Begründungen und Argumente genug, um
deutlich zu machen, dass wir auf Zukunft hin die Kirche dringend brauchen.
Dabei ist, im Blick auf "profane" Entwicklungen, zu befürchten, dass die
Kirche immer bedeutungsloser wird: sowohl im persönlichen Leben als auch im
gesellschaftlichen. Wenn heute junge Leute wie Männer und Frauen unter 60
Jahren gefragt werden, ob sie die Kirche brauchen, sagen die meisten: Wir
brauchen sie nicht. Wir leben auch ohne sie ganz gut. Wir vermissen sie
nicht!
Die Menschen in Europa und Amerika haben sich "individualisiert", sich auch
im Religiösen auf eigene Füße gestellt. Sie können, sofern sie religiös sind
bzw. sein wollen, überall das religiöse "Futter" bzw. Anregungen suchen und
finden: in Schriften, in der Literatur, in Medien, in der Musik und Kunst,
in der Natur und Wissenschaft ... Dazu brauchen sie die Kirche und das
"Lehramt" nicht. Sie begegnen ihnen nur sporadisch bei bestimmten Anlässen:
in Krankheits- und Todesfällen, an wichtigen Feiertagen, die keine
Arbeitstage sind...
In Zeiten der Krise werden Rettungsversuche und Überlebensstrategien
wichtig. Dabei tut die Kirche so, als wäre sie ein und alles, als wäre sie
der Angelpunkt für das Wohl und Wehe der Menschheit. Fortlaufend wird über
sie geredet, ihre Sakramente und Ämter, ihre Theologie und ihr verfasstes
Glaubensbekenntnis. Gott scheint identisch mit der Heils- und Gnadenanstalt
"Kirche", wobei wiederum umstritten ist, wer sich im eigentlichen Sinne
Kirche nennen darf.
Heute erweist sich immer mehr die Notwendigkeit zu bedenken, dass nicht die
Kirche im Mittelpunkt der Predigt Jesu stand, sondern die religiös suchenden
und fragenden Menschen, die es seit seiner Erschaffung bereits gibt. Jesus
hat keine Kirche gegründet, sondern höchstens eine religiöse Bewegung. Er
hat suchende und fragende Menschen um sich geschart, ihr Leben ernst
genommen, ihnen Perspektiven für eine gottgemäße und menschengerechte
Lebensweise aufgezeigt und sie beispielhaft eingeführt in Verhaltensweisen,
die im Sinne Gottes sind und gleichzeitig dem Heil der Welt dienen.
Es war nicht die Masse, die ihm gefolgt ist, sondern wenige Männer und
Frauen. Sie waren der Kern einer religiösen Bewegung, die sich im Laufe der
Zeit immer mehr "organisierte", indem sie Strukturen und Organisationsformen
schuf, die "Kirche" genannt wurden. Das Zentrale dabei waren Versammlungen
von Christen, die in der Nachfolge Christi standen; die betend und Mahl
feiernd immer wieder die Worte und Taten Jesu in Erinnerung riefen, um
selbst Zeugen des Glaubens dabei zu werden.
Das Werden und Wachsen der Kirche fanden sozusagen in einer zweiten Phase
statt, nach dem Tod und der Auferstehung Jesu. Die erste Phase war ganz von
der Anwesenheit Jesu und seiner Jünger bestimmt; die zweite von Menschen
"ihrer Zeit", die bewusst oder unbewußt vom "Zeitgeist" ihrer Epoche geprägt
waren. So kam es, dass eine Kirche entstand, die ganz von den
gesellschaftlichen Verhältnissen der damaligen Zeit bestimmt war.
Wie konnte es anders sein? Die "Kinder der Zeit" bzw. die führende gebildete
Schicht waren Könige, Fürsten, Adelige. Sie schufen und gestalteten Kirche
nach ihrem Geschmack und ihren Voraussetzungen. Wie sie in einer
hierarchischen Gesellschaft lebten, so wurde auch die Kirche organisiert:
von oben nach unten, über Papst, Kardinäle, Bischöfe bis zum niederen
Klerus... Unten das gehorsame und untertänige Volk.
Es hat Jahrhunderte gedauert, dass sich die Menschen in einem solchen
Konzept wohl und beheimatet fühlten, zumal sich Kirche und Gesellschaft
ähnelten, sich gegenseitig bestärkten und ergänzten. Die Zeit der Moderne
wurde zu einer Zeit der Distanzierung und Entfremdung. Die
Demokratisierungsprozesse in den westlichen Ländern haben zum Sturz der
früher Herrschenden geführt. Heute rütteln eine ganze Welt und
Bevölkerungsmassen an den Festen der Kirche. Im 19. Jahrhundert hat sie die
Arbeiterschaft verloren; dann die Frauen als erste religiöse Erzieherinnen
ihrer Kinder; heute die Kinder, die Jugendlichen...
Was muß geschehen, damit die sog. "frohe Botschaft" wieder auf offene Ohren
trifft? Zunächst muß dringend zur Kenntnis genommen werden, dass die
Menschen sich mit ihren Fragen, Sorgen, Problemen und Lebensaufgaben ändern.
Wenn es kirchlich immer heißt: Die Menschen dort abholen, wo sie sind...,
dann können eigentlich immer nur sie selber sagen, wer sie sind, wo sie sind
und was mit ihnen los ist. Wie überall die freie Sprache und Meinung gelten,
so bedürfen die Menschen auch im Religiösen einer neuen Sprachmächtigkeit,
die nicht von obrigkeitlichen Ansprachen und Predigten überdeckt wird,
sondern dem Menschen eine Hilfe wird zum eigenverantwortlichen Denken und
Handeln. Das bedeutet nicht, den Glauben dem Urteil der Mehrheit zu
unterwerfen, sondern den Glauben aus der wissenschaftlichen Tätigkeit
herauszulösen und in das Leben zu versetzen: Glaube als Lebensorientierung
an dem, der der Ursprung des Glaubens ist.
Theologisch muß zweitens bedacht werden, dass das Wirken des Geistes Gottes
im Menschen und in der Schöpfung kein statisches und langweiliges
Unternehmen ist, sondern ein dynamisches Geschehen Gottes mit der Welt.
Deshalb muß sich "Kirche" immer wieder neu erfinden, auch um den Preis des
Abschiednehmens von dogmatischen und rechtlichen Gewissheiten, die dem
persönlichen Bekenntnis und Engagement eher hinderlich als förderlich sind.
Nicht nur das Volk muß sich bekehren, sondern auch Päpste, Bischöfe und
Priester. Sie müssen aufhören, sich als "Fürsten" zu benehmen, als
Sonderklasse des heiligen Geistes, als Hochwürden, Exzellenzen, Eminenzen
und "heilige Väter". In den Umbrüchen der Zeit haben sie sich nicht
sonderlich bewährt, z.T. eine armselige Kirche geschaffen und verwaltet.
Kardinal Martini hat es kurz vor seinem Tod im Jahr 2012 eindringlich
ausgesprochen: "Der Papst und die Bischöfe müssen umkehren". Sie müssen
gegenüber dem Volk Vorbereiter und Erneuerer sein.
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