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Brennende Fragen zu Religion, Glaube,
Kirche(n) (5):
Gottes Wirkfelder sind Kirche und Welt.
Februar 2013
"Gott ruft sein Volk zusammen" (GL 640) , ein Lied, welches in
Gottesdiensten gerne gesungen wird. Wer gehört eigentlich dazu? Wer ist
"Volk Gottes"? Israel im Alten Testament hat sich selbst als das
"auserwählte Volk Gottes" verstanden. In der christlichen Zeit wurde von
vielen Theologen die Kirche als "neues Volk Gottes" charakterisiert. Zu
ihnen gehörte und gehört Josef Ratzinger, der heutige Papst. Andere sagen,
die römisch-katholische Kirche sei eher - wenn man ihre Strukturen, ihre
Ansprüche, ihre äußeren Insignien betrachtet – die Fortsetzung des römischen
Imperiums mit seinem Anspruch auf Welteroberung und Herrschaft über
Menschen. Allerdings mit einem christlichen Gewand.
Wie "christlich" bzw. wie evangeliumsgemäß dieses Gewand ist – darüber wird
heute, wie fast nie zuvor, weltweit kontrovers gestritten. Man braucht sich
nur die Gestalt des hl. Franziskus (1181-1226) und die des damals mächtig
regierenden Papstes Innozenz III. (1198-1216) anzuschauen; oder heute die
Vertreter der "Kirche der Armen" und die der feudalistisch Reichen, des
wohlhabenden Bürgertums – man bekommt eine Vorstellung davon, wie
gegensätzlich und kontrovers die christliche Geschichte bisher verlaufen
ist; wie unterschiedlichste Denk- und Lebensweisen entstanden.
Das Christentum ist sehr vielfarbig, vielgestaltig und alles andere als
einheitlich-langweilig. Die Verfasser des Glaubensbekenntnisses und der
"Lehre der Kirche" mögen aus der Botschaft Jesu eine große "Einheitlichkeit"
gemacht haben – um der "Einheit der Kirche willen - ; aber wo es um die
Uranliegen Jesu geht: die Praxis der Liebe, der Gerechtigkeit,
Gewissensfreiheit und personalen Verantwortung, ist "Einheitlichkeit" in der
Lehre für das Finden der Spuren Gottes im Leben eher hinderlich. Es wird zu
sehr über "objektive Wahrheiten" gegrübelt. Über das wahre, gottgemäße
Leben, über christliche Verhaltensweisen in konkreten Lebenssituationen
macht man sich weniger Sorgen.
Dennoch: Forderungen wie Liebe, Gerechtigkeit, Freiheit müssen gelernt und
eingeübt werden, wie es den Fähigkeiten des Einzelnen bzw. einzelner Gruppen
entspricht. Vom Evangelium her muß sich christliches Leben in Vielfalt und
als schöpferische Kraft erweisen. Je dogmatisch festgelegter es erscheint,
desto mehr steht es im Verdacht der Vereinnahmung Gottes und der Menschen.
Irgendwann kommt dann der Augenblick, in dem sich religiös engagierte
Menschen außerhalb der Kirch(n) besser aufgehoben fühlen als in ihnen. Sie
werden religiöse Nomaden oder schaffen andere Behausungen, neue Schläuche
für neuen Wein. Auch Gott wird als größer empfunden als alle Kirchen
zusammen.
In der Welt, die Gottes Schöpfung ist und bleibt, ist viel "Christliches"
gewachsen, was nicht mehr Kirche, "Institution" sein will. Ohne es zu wissen
oder explizit zu wollen, gibt es viele Menschen, die durch ihr Leben und Tun
in der Nachfolge Jesu stehen. Sie tun Gutes im Sinne des Evangeliums.
Für die Kirche wird es deshalb immer schwieriger zu behaupten, dass es
außerhalb der Kirche kein Heil gibt. Erfahrungen aus Vergangenheit und
Gegenwart haben gezeigt, dass die "heilige katholische Kirche"
wahrscheinlich aus ebenso vielen Sündern besteht wie die "sündige Welt". Wo
ist der Weizen, wo das Unkraut? Angesichts des Ist-Zustandes der Kirche und
der Welt gibt es Viele, die behaupten, Gott stehe bedingungslos auf ihrer
Seite. Wer das Wahre, Gute und unfehlbar Richtige für sich beansprucht,
läuft Gefahr, das zu verlieren, was er sich auf die Fahne geschrieben hat.
Oder er kommt in die Situation der gläubigen Juden, die Jesus aus der Stadt
hinaustrieben, um ihn den Abhang des Berges hinabzustürzen. Er hatte gesagt,
dass das Heil auch zu denen kommen kann, die nicht zu den "Gläubigen"
gehören (vgl. Lk 4.21-30).
In der Weihnachtszeit 2012 war in den Zeitungen zu lesen, dass es in
Deutschland 560.000 eingetragene Vereine gibt, die sich für Gerechtigkeit
und Frieden, für die Bekämpfung der Armut einsetzen. Ebenso 13.000
Stiftungen. – Jeder Haushalt kann ein Lied davon singen, wenn Bettelbriefe
zu bestimmten Jahreszeiten ins Haus flattern. Die positiv darauf reagieren,
weil sie Gutes tun wollen, können nur bangen und hoffen, dass alles seine
Richtigkeit behält und dass alles Gespendete dort ankommt, wofür es bestimmt
war.
Niemand kann es mit Sicherheit feststellen. Dennoch ist die Zahl derer
erstaunlich hoch, die sich im Sinne gerechter Lebensverhältnisse mit aller
Kraft einsetzen. Es geht immer um das Zusammenleben der Menschen und Völker,
um die Beziehung untereinander, um Versöhnung und Verständnis füreinander,
um den Erhalt menschlicher/christlicher Werte und um die Rettung der Welt.
Die Grenzen zwischen denen, die sich Christen nennen und den
"Andersgläubigen", den Moslems, Buddhisten, Hinduisten... sind dabei kaum
auszumachen. Überall gibt es den Weizen und das Unkraut, die Guten und die
Bösen, die Engel und die Teufel (Mk 5.9: ihr Name ist Legion; denn sie sind
viele).
Die heutige Krise der Kirche und ihrer Theologie haben bei Vielen den Blick
wieder frei gelegt für die Tatsache, dass nicht die Kirche allein das
Wirkfeld Gottes ist, sondern auch die Welt. Die Kirche muß ihre
Existenzberechtigung immer wieder dadurch unter Beweis stellen, dass sie die
Spuren Gottes in der Schöpfung und in der Lebensgeschichte von Menschen
erkennt und angemessen die Forderungen des Evangeliums zur Sprache bringt.
Gott hat seine Offenbarungen nicht in einen luftleeren Raum gesandt, sondern
mitten in die zu heilende und zu erlösende Welt. Bevor also die Verkünder
des Evangeliums "evangelisieren", sollten sie wissen, dass Gott vorher schon
da ist.
Gemessen an den Taten und der caritativen Lebensweise ist zu vermuten, dass
es an Zahl viel mehr Menschen gibt, die zum "Volk Gottes" gehören als die
Kirchen sie zu zählen gewohnt sind. Vielleicht haben sich die Grundanliegen
Jesu, wie sie in der Bergpredigt (Mt 5.1-16) bzw. in der Gerichtsrede Jesu (Mt
25.31-46) zusammengefasst werden, überall in der Welt herumgesprochen.
Vielleicht sind sie aber auch nichts anderes als Kommentare zu dem, was in
der "anima naturaliter christiana" bereits grundgelegt ist; denn Menschen
haben "von Natur aus" das Bedürfnis nach Liebe, Gerechtigkeit,
Gemeinschaft....Und nach dem Segen Gottes.
Die großen Schätze, die Gott in die Menschheit hineingelegt hat, gilt es
auszugraben und zu bergen. Die "Neuevangelisierung" geht nicht ohne das
Nachvollziehen des Wirkens Gottes in der Welt. Nur im Zusammenspiel des
Göttlichen mit allem Menschlichen ist die Krise der Kirche und des Glaubens
zu überwinden. Gott in allem Menschlichen zu erkennen und alles Menschliche
in Gott verankert zu sehen, führt über konfessionelle Glaubensformeln weit
hinaus. Der Blick führt hinaus in die Weite.
So wird es bei der "Endabrechnung" wohl kommen, dass viele Gerechte – aus
allen Religionen und Weltanschauungen – die Fragen stellen: "Wann haben wir
dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben, oder durstig und dir zu
trinken gegeben..."? – Sie werden zu hören bekommen: "Was ihr für einen
meiner geringsten Brüder (Schwestern) getan habt, das habt ihr mir getan" (Mt
25. 37-40).
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