Gratis Info-Brief
Sie möchten regelmäßig über neue Beiträge auf meiner Webseite informiert werden?
Dann abonnieren Sie einfach meinen
Info-Brief...
|
|
Brennende Fragen zu Religion, Glaube,
Kirche(n) (7):
Einführung in die Wahrheit des eigenen Lebens.
Mai 2013
Manchmal frage ich mich, warum die Bibel ein solch weltberühmtes Buch
geworden ist: in weit mehr als 1500 Sprachen übersetzt und gelesen von
Millionen von Menschen. Ist damit das Denken großer Teile der Menschheit
schon, wenn auch nur bruchstückartig, davon "infiziert"? Könnte es sein,
dass sich die Wertmaßstäbe des Evangeliums wie Liebe, Gerechtigkeit,
Gemeinschaft, Friede... schon herumgesprochen haben, zumal diese in der
menschlichen Natur angelegt sind und nur noch des "erlösenden Wortes"
bedürfen? Das "erlösende Wort" könnte wohl nur darin bestehen, dass von
Anfang an jedem Menschen ein "Ort", eine Aufgabe zugewiesen wird im gesamten
Schöpfungs- und Heilsgeschehen Gottes mit der Welt. Denn dazu wurden ihm
Gaben und Fähigkeiten gegeben; aber auch Schwächen zugelassen, damit auch
"der Nächste" seine Chance bekommt.
Die meisten Gläubigen haben keinen Zugang zur Bibelwissenschaft. Bei ihnen
scheint die biblische Kraft darin zu liegen, dass viele in der Bibel
"Fragmente" entdecken, die für sie nachdenkenswert sind und bestimmend fürs
Leben werden. Im Johannes-Evangelium (Joh. 14. 23-29; 16. 13) zum Beispiel
finde ich solche "anstößigen" Fragmente. Da wird von Jesus berichtet, der
sagt: "Wer mich liebt und auf mein Wort hört", den wird der Geist Gottes in
die "volle Wahrheit" führen... Wer ist mit den Angesprochenen gemeint?
Natürlich die Jünger, die Männer und Frauen, die damals mit Jesus auf der
Wanderschaft waren oder ihm begegneten. Auch wir Heutigen, die wir uns
Christen nennen.
Wir hören sein Wort. Was ist das für ein Wort? Die Worte der Bibel; die
Verlautbarungen des Papstes bzw. des Lehramtes, die Predigt des Priesters
beim Gottesdienst? Mir scheint, Gott spricht nicht in Worten zu uns, so wie
wir Menschen miteinander reden und aufeinander hören. Die "Worte Gottes"
sind Ereignisse, Situationen, Lebenslagen... Wir Menschen werden von Geburt
an in eine bestimmte Lebenslage gestellt und mit Situationen konfrontiert:
In der Familie, im Zusammenleben mit Eltern und Geschwistern, in Schule,
Ausbildung, Beruf... Aus Erfahrungen wissen wir: Das Leben lehrt uns, aus
Erlebtem klüger zu werden, wenn wir es wollen. Im Verarbeiten und
Aufarbeiten all dessen, was uns bedrückt, traurig oder fröhlich macht,
lernen wir uns, andere und die Welt besser zu verstehen und anzunehmen.
In Lebenslagen ganz gleich welcher Art spricht Gott zu uns in einer
lebendigen, in einer unsere ganze Existenz berührenden Sprache. Dabei kommt
es Immer darauf an, dass wir alles, was wir erleben und erleiden, als Chance
wahrnehmen, etwas Gutes für sich und für andere daraus zu machen. Denn es
gibt nichts, was nicht zum Segen oder zum Fluch werden könnte für viele. Wir
stehen immer am Scheideweg: Segen oder Fluch, Heilsames oder Vernichtendes,
Erlösendes oder Abgründiges. Das Wort Gottes hören heißt also: Lebenslagen
ganz gleich welcher Art im Sinne des liebenden und erlösenden Gottes
schöpferisch zu gestalten und mit zu vollziehen. Gott will das Heil der Welt
und wir sollen seine Mitarbeiter sein. Wir sind geschaffen zum Segen für die
Welt, der aber auch leicht und unauffällig zum Unsegen werden kann.
Wer in den Ereignissen des Lebens das Wort Gottes, seine Weisungen und
Absichten nicht überhört, den führt Gott von Schritt zu Schritt in die
Wahrheit seines Lebens ein, so dass jemand von sich sagen kann: Ich bin mit
mir im Reinen; ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die
Dinge ziehen...(so R. M. Rilke). Aus der Sicht der Pädagogik könnte man
sagen: der Mensch wird erwachsen im Glauben, so wie er auch viele Stadien
durchlaufen muß, um erwachsen zu werden. "Reif und erwachsen" wird man nicht
durch akademische Studien und Titel oder durch das Bekleiden geistlicher
Ämter, sondern in den Prüfungen und Stürmen des Lebens, die es zu überstehen
gilt.
Ähnliche "Gesetze des Wachsens" gelten auch für die Kirche, die gesamte
Christenheit und Menschheit. Die Kirche ist Jahrhunderte lang von der
irrigen Vorstellung ausgegangen, sie könne zur vollen Wahrheit finden, wenn
sie Universitäten baut, Experten und Fachleute versammelt, die in der Lage
sind, die Wahrheit des Evangeliums aufs Papier, auf den Punkt zu bringen, um
so die ganze Menschheit beglücken zu können. Die Tragik, die daraus
entstanden ist, besteht darin, dass einige wenige sich einbilden, das
Christentum "wissenschaftlich" verstanden zu haben. Aber sie verstehen es
nicht. Es lässt sich so nicht verstehen. Die "Angebote" und Initiativen der
Kirche waren entsprechend: sie kamen von der "heiligen Kirche", vom
"unfehlbaren Lehramt", von der von Gott berufenen Hierarchie... Sie durften
nicht hinterfragt werden. Nicht umsonst ist die Theologie auf weiten
Strecken "leeres Stroh" geblieben; Katechese und "Missionseifer" sind in
vielen Bereichen ins Leere gegangen.
Denn die Kirche hat denselben Weg zu gehen wie jeder Mensch. Im Laufe von
2000 Jahren hat sie viele unterschiedliche geschichtliche Situationen
bestehen müssen. Die Art und Weise, wie sie damit umgegangen ist, war oft
heilsam, aber oft auch beschämend und alles andere als gott- und
evangeliumsgemäß. Deshalb steht auch sie mit ihren Angeboten und Leistungen
dauernd am Scheideweg zwischen Gutem und Schlechtem. Nur wenn sie aus allem
positiv Gewachsenen und heillos Beschämenden das Wort und die Weisung Gottes
bei allen weiteren Schritten zu hören lernt, wird der Geist Gottes sie in
die volle Wahrheit einführen.
Die "volle Wahrheit" für uns Menschen wie für die Menschheit ist das Ziel;
der Weg dorthin bleibt im Auf und Ab des Lebens wechselhaft. So sagt es der
Text eines Liedes: Wechselnde Pfade, Dunkel und Licht. Alles ist Gnade.
Fürchte Dich nicht!
|